Die Messung des materiellen Lebensstandards in historischen Zusammenhängen über „moderne“ volkswirtschaftliche Kennziffern wie Reallohnindices, die man aus Lohn- und Preisreihen aggregieren kann, beschäftigt Wirtschafts- und Sozialhistoriker/innen, die sich mit den geschichtlichen Ursachen sozio-ökonomischer Ungleichheit in europäischer („Little Divergence“) und globaler Perspektive („Great Divergence“) auseinandersetzen.
Die sozio-natural bedingte Wiederkehr existenziell bedrohlicher Subsistenzkrisen für breite Anteile der Bevölkerung (und hier vor allem marginalisierter Gruppen) und die Überwindung dieser „Armutsfalle“ u.a. über die Erhöhung der Faktorproduktivität – auch der Landwirtschaft – im Prozess der Industrialisierung bis zur Gegenwart zeigt regional verschiedene, nicht unbedingt teleologisch stringente Entwicklungsmuster, die gerade für den südostdeutschsprachigen Bereich herkömmliche Paradigmata hinterfragen lassen.
Quellen zu Löhnen und Preisen sind zum größten Teil in den Archiven städtischer Institutionen überliefert worden. Das GRK-Forschungsprogramm untersucht daraus rekonstruierbare materielle Lebensbedingungen im metropolitanen Raum als Vorbedingungen politischer, sozialer, kultureller, religiöser und sogar sprachlicher Entwicklungszusammenhänge, etwa im Dissertationsprojekt von Sebastian Pößniker zur Reichsstadt Regensburg in der longue durée.
Dabei steht das Kolleg, initiiert über GRK-Trägerkreismitglied Mark Spoerer in einem fruchtbaren Austausch mit dem FWF-Projekt "Prices and Wages in Salzburg and Vienna, 1450-1850“ an den Universitäten Wien (Prof. Dr. Erich Landsteiner, Michael Adelsberger), Salzburg (Prof. Dr. Reinhold Reith, Dr. Andreas Zechner, Elias Knapp) und Berlin (Prof. Dr. Thomas Ertl). Ein Bericht zum FWF-Projekt ist 2019 in der österreichischen Tageszeitung „Die Presse“ erschienen: https://www.diepresse.com/5615687/der-warenkorb-seit-dem-mittelalter
Nach Workshops in Wien und Salzburg fand der jüngste Projektworkshop vom 20.-21. Februar 2020 mit einer Keynote von Ulrich Pfister (Westfälische Wilhelms-Universität Münster) in Regensburg statt. Schon länger identifizierte methodische Problemfelder – etwa: die Berechnung von Edelmetalläquivalenten für historische (Rechnungs-)Währungen, die korrekte Bestimmung der Abrechnungsjahre und des Arbeits- bzw. Feiertagskalenders, die Gewichtungen einzelner Prozentanteile im Warenkorb über die Analyse historischer Verbrauchsmuster etc. – wurden auf aktuellem Erkenntnisstand angeregt diskutiert.
Das Programm des Workshops kann hier abgerufen werden.