Am 15.01. bot das Forschungskolloquium des DFG-GRK 2337 „Metropolität in der Vormoderne“ Gelegenheit, einen ca. 10-minütigen Kurzvortrag als Einführung in das Promotionsprojekt von Julian Zimmermann sowie eine ausführliche Präsentation zum Dissertationsthema von Christopher Sprecher zu hören.
Aus transdisziplinärer Perspektive (u.a. Archäologie, Historiographie, Liturgiewissenschaft, Theologie) und unter Anwendung diverser Methodologien (u.a. close reading, Epigraphik, Numismatik) näherten sich beide Analysen am Beispiel zweier Städte (einmal Konstantinopel vom 9.-12. Jahrhundert und einmal Rom im 12.-14. Jahrhundert im Rückgriff auf die Antike) der Konstitution von metropolitanen Geltungsansprüchen vermittelt über Herrschaftspraktiken und kulturelle Codes, was fundamentale Aspekte des GRK-Forschungskonzeptes zur Metropolität spiegelt.
Julian Zimmermanns Kurzvortrag ermöglichte es den GRK-Mitgliedern, erste Einblicke hinsichtlich seines Dissertationsprojekts unter dem Arbeitstitel „Schrift, Raum, Politik – Der römische Stadtraum als Medium politischer Kommunikation?“ zu gewinnen. Auf der Quellengrundlage von Inschriften und Münzen aus der kommunalen Phase (1143-1398) untersucht Zimmermann den römischen Stadtraum als Medium politischer Kommunikation und hier insbesondere den Aspekt der stadtgesellschaftlichen Antikenrezeption.
Materielle Textkultur und deren Repräsentation sowie Instrumentalisierung innerhalb des stadtrömischen politischen Raums stehen im Zentrum seiner Studie. Das konkrete Vorgehen erläuterte Zimmermann am Beispiel von kommunalen Inschriften, die 1157 an der Porta Metronia angebracht worden sind, sowie am Ensemble des Ponte Cestio, einem wichtigem Infrastruktur-Element, i.e. Tiber-Übergang, dessen Inschriften aus dem Jahr 1191 laut Zimmermann eine graphische Kontinuitätslinie in der (post-)urbanen Topographie Roms konstruieren sollten. Im Kurzvortrag wurde deutlich, wie Inschriften als Bedeutungsreferenzen den Geltungsanspruch, die Historizität und sowie Eigen- und Fremdzuschreibungen reflektieren und Rückgriffe auf antike Muster die globale Bedeutung Roms über das Ende des Imperiums hinaus transportieren.
Daran anschließend stellte GRK-Mitglied Christopher Sprecher zum ersten Mal in aller Ausführlichkeit sein Dissertationsprojekt vor, dessen konzeptioneller Fokus vom quellenmäßig diffizil fassbaren Interpretament der städtischen Ehre auf konstantinopolitanische Feste zur Überführung von Heiligenreliquien und den politischen Umgang mit diesen Reliquien überging: zunächst ““A Banquet of Victory”: The Institution and Spread of Constantinopolitan Feasts of Episcopal Relic Translation and the Rehabilitation of Urban Honour in the 9th–12th Centuries”, lautet der Arbeitstitel nun “Invisible Trophies and Weapons of Peace: Relics and Imperial Power in Constantinople, 950-1204“.
Als Quellen zieht Sprecher z.B. Hymnen aus dem byzantinischen Ritus, historiographische Texte, pragmatische Schriftlichkeit – etwa Niederschriften westeuropäischer Kaufleute in Konstantinopel, aber auch materielle Quellen wie Reliquiare (u.a. die so genannte Limburger Staurothek, die eine Kreuzreliquie beinhaltet und aus der Pharos-Palastkapelle im Heiligen Palast über Umwege nach Mittelhessen gelangte) heran.
Über Diskussionsbeiträge, die sich mit der performativen Bedeutung, vor allem auch der jeweiligen Direktionalität, beim Akt der Translation, i.e. der feierlichen Überführung von Reliquien in die byzantinische Hauptstadt und von dort an weitere Orte in deren urbanem Netzwerk, befassten, wurde die metropolitane Dimension der von Christopher Sprecher untersuchten religiös-politischen Phänomene nachvollziehbar: über die mittelbyzantinische Ära und über den ostkirchlichen Bereich hinaus, wie Analogien zur kirchenarchitektonischen Reliquiennutzung am Beispiel italienischer Gegebenheiten, etwa einer Bronzetüre in Monte Cassino, unterstrichen.
Weitere Vertiefung werden Sprechers Studien zur ostkirchlichen Liturgie und Konstantinopel als kulturhistorischem und sozialgeographischem Verflechtungsraum bei verschiedenen, vom GRK mitunterstützten Workshops und Veranstaltungen im GRK-Jahr 2020 erfahren. So findet am 06.05. ein byzantinistisches Mini-Symposium mit Beiträgen von Damaskinos Olkinoura (University of Eastern Finland und Centre for Advanced Studies Beyond Canon), Evan Freeman (Queens College, NYC) und Leslie Brubaker (University of Birmingham) statt, an dem Christopher Sprecher (GRK) maßgeblich beteiligt sein wird.