Als Auftakt zur Reihe an internen und externen Vorträgen im Kontext der für März 2020 geplanten Jerusalem-Exkursion hatte das GRK am Mittwoch, den 13.05., Gelegenheit, einem der führenden Wirtschaftshistoriker im deutschsprachigen Raum, der sich mit der Entwicklung vormoderner Märkte und Lebensbedingungen auf dem Gebiet des HRR und darüber hinaus beschäftigt, online zuzuhören und ihm im Rahmen der anschließenden Diskussion Fragen aus dem interdisziplinären Interessenkreis zu stellen.
Ab 16.15 Uhr (get-together ab 16.00 Uhr) sprach PD Dr. Ulf-Christian Ewert, der im französisch-deutschen Kooperationsprojekt "Konfigurationen europäischer Messen. Händler, Objekte, Wege (ca. 1350-1600)" der Universitäten Erfurt und Lyon Lumière 2 (DFG/Agence nationale de la recherche) forscht, im GRK-Forschungskolloquium zum Umbruch im östlichen Mittelmeerhandel im Umfeld des 1. und 2. Kreuzzuges. Über Zoom konnten GRK-Mitglieder und Interessierte auch vom heimischen Büro aus an der Präsentation teilhaben.
Ulf Christian Ewerts Vortrag bot nicht nicht nur einen forschungspraktischen Einblick in den Methodenpluralismus, besonders in das Spektrum quantitativer Analyse, mit dem Forscherinnen und Forscher die Entwicklung des materiellen Lebensstandards im euro-mediterranen Raum zu rekonstruieren suchen; er eröffnete auch den Blick auf die langfristig prägenden Folgen der christlich-europäischen Expansion im 11. und 12. Jahrhundert: den Bedeutungszuwachs der Handelsmetropolen Genau, Pisa und Venedig (damit einhergehend: zunehmende wirtschaftliche und kulturelle Transferprozesse zwischen Ost und West), und zugleich die Verdrängung der - aufgrund wiederentdeckter Geniza-Überlieferung spektakulär gut dokumentierten - jüdischen Maghribi-Händler vom mediterranen in den arabischen Raum.
Welche Rolle spielten dabei die Kreuzzüge und die Kreuzfahrerherrschaften im Heiligen Land? Und war der Aufstieg der Kaufleute aus den italienischen Seestädten im Mittelmeerhandel wirklich Teil einer „Commercial Revolution“, wie es das 1971 publizierte gleichnamige Buch des amerikanischen Wirtschaftshistorikers Robert S. Lopez sowie viele, ihm darin folgende Studien seitdem suggerieren? Im Vortrag wurden verschiedene Hypothesen zur Einordnung und Erklärung des hochmittelalterlichen wirtschaftlichen Umbruchs im östlichen Mittelmeer kurz vorgestellt und aus dem Blickwinkel der Politischen Ökonomie des Handels im Mittelalter diskutiert.
Diese in den Kreuzzügen angelegten Strukturbrüche beeinflussten sozio-ökonomische Verflechtungen und Konfliktlinien auch in der longue durée und berühren damit (un)mittelbar eine Vielzahl relevanter Fragestellungen des Graduiertenkollegs.