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Berichte 2023

GRK TAGUNG "Übelriechende Metropole? Olfaktorische Perspektiven auf die Großstadt der Vormoderne" (23.-25.2023)

Tagungsbericht "Übelriechende Metropole? Olfaktorische Perspektiven auf die Großstadt der Vormoderne"

Vom 23.–25. November 2023 fand die internationale Tagung des GRK 2337 Metropolität in der Vormoderne zum Thema „Die übelriechende Metropole? Olfaktorische Perspektiven auf die Großstadt der Vormoderne“ statt.
Dabei wurden vermeintliche Gewissheiten über die hygienischen Zustände, die Produktionsbedingungen und die Geruchstoleranz der Stadtbewohner vergangener Zeiten auf den Prüfstand gestellt. Beginnend in den Metropolen der Antike bis in die Frühe Neuzeit hinein wurden die spezifischen üblen Gerüche der Großstädte und ihr Weg in Quellen vielfältig illustriert.

Dr. Arabella Cortese, Dr. Markus Zimmermann, Julian Zimmermann bei der Einführung (Foto credits: Hannah Nickl)

Organisiert von Dr. Arabella Cortese, Julian Zimmermann und Dr. Markus Zimmermann, bot die Tagung spannende Einblicke in einen von der Forschung erst seit kurzer Zeit gewürdigten Aspekt sensorischer Wahrnehmung. Der interdisziplinäre Zuschnitt mit Beiträgen aus Archäologie, Geschichts-, Rechts- und Literaturwissenschaft wies eine Vielzahl unterschiedlicher methodischer Zugriffe auf den „flüchtigsten“ aller Sinne.
In seinem Eröffnungsvortrag nahm Günther Thüry das Publikum mit auf einen olfaktorischen „Spaziergang“ durch das Geruchspanorama römischer Städte. Als Hauptquellen des Gestanks machte er bestimmte Sparten gewerblicher Produktion wie Gerbereien oder die Herstellung von Räucherkäse sowie Abfallgerüche wie menschliche und tierische Fäkalien aus. Zwar konnte er gewisse geruchsmindernde Strategien, etwa den Bau von Kanälen feststellen, doch zeigen wiederkehrende Klagen in Schriftquellen die Grenzen der Maßnahmen auf. Zu einem ähnlichen Schluss kam Jorit Wintjes, der über den „olfaktorischen Fußabdruck“ der römischen Armee die Frage nach der Bedeutung von Alltäglichkeit für die subjektive Einordnung von Gerüchen aufwarf.

Prof. Dr. Günther Thüry bei seinem Eröffnungsvortrag (Foto credits: Hannah Nickl)

Mit medizinischen Interpretationen der Schilderungen der meist unhygienischen Geruchsquellen beschäftigten sich Giuseppe Squillace und Monja Schünemann. Die kritische Analyse der antiken miasma-Lehre einerseits, andererseits die Frage nach dem Informationsgehalt mittelalterlicher Epidemienberichte für die moderne Medizin boten wichtige Impulse für die moderne Interpretation von Quellen.
Das zeitgenössische Moralurteil über alles Stinkende war das Thema der Vorträge von Bernadette Descharmes und Julia Seeberger. Sie konnten zeigen, dass die Zuschreibung von Gestank als Werkzeug der gesellschaftlichen Exklusion beziehungsweise das Verschweigen desselben als sittliches Merkmal höherer Sozialschichten verstanden werden kann.
Über den üblen Geruch als Metapher in der Literatur referierten Markus Zimmermann, Anna Novokhatko und Sophie Bantle. Von der griechischen Tragödie bis zur modernen TV-Dramaturgie offenbarten sich erstaunliche Parallelen in der Verknüpfung allgemein negativ assoziierter Begriffe und Individuen im urbanen Raum und mit Gestank und deren Begreifbarmachung für das Publikum.
Mit welchen Mitteln Gesetzgebung und Rechtsprechung in Antike und Mittelalter auf die Problematik städtischer Luftverschmutzung reagierten, zeigten die Vorträge von Francesco Bono, Marina Pizzi, Anna Modigliani und Anna Esposito. Anhand mehrerer Fallbeispiele im mediterranen Raum wurde deutlich, dass die Stadtbehörden zwar jeweils Handlungsbedarf sahen, pragmatische Gründe wie die Notwendigkeit gewerblicher Produktion eine umfassende Geruchsregulierung jedoch verhinderten.
Wie daraus resultierende Maßnahmen zur Minderung der Geruchsbelastung konkret auf stadtplanerischer und individuell-persönlicher Ebene umgesetzt werden konnten, illustrierten die Vorträge von Annette Haug, Laura Nissin, Adrian Linz und Franziska Neumann. Dabei wurden konkret das urbane Gebäudedesign, versuche der Gestanksreduktion im kultischen Kontext und die städtische Abfallwirtschaft in den Blick genommen.

Der on-line Vortrag von Prof. Dr. Annette Haug (Foto credits: Hannah Nickl)

Die einzelnen Beiträge der Tagung ergänzten sich gerade durch ihre verschiedenartigen methodischen und zeitlichen Zugriffe hervorragend und boten somit eine Grundlage für eine vertiefte methodisch-theoretische Diskussion. Fragen wie jene nach dem Bedeutungswandel sensorischer Wahrnehmung und ihre Bewertung in der Forschung sind stets aktuell. Der Tagung ist es gelungen, neue Interpretationswege über städtische Einflussnahmen auf ihre Umwelt zu eröffnen, die hoffentlich zukünftig weiterverfolgt werden.

@ Sophia Wagner - Marina Pizzi


07.-10.08.2023 | Maynooth (Irland)

Kongress der societas liturgica am St. Patrick’s College

Vom 7. bis 10. August nahmen Prof. Harald Buchinger, Simone Oelke und Martin Berger am Kongress der societas liturgica am St. Patrick’s College in Maynooth (Irland) teil. Die societas liturgica ist die einzige internationale und ökumenische Verneinung von Liturgiewissenschaftlerinnen und Liturgiewissenschaftlern. Der diesjährige Kongress stand unter dem Thema „Liturgie und Ökumene“. Dabei beleuchtete man trennende aber vor allem auch gemeinsame Traditionen und gelebte Praxis des Gottesdienstes der christlichen Kirchen.

(Bericht von Martin Berger eingereicht)


GRADUIERTENKOLLEG 2337 "METROPOLITÄT IN DER VORMODERNE" | TAGESEXKURSION 17.07.2023

Von den römischen Legionären zu den Kartäusern am Rande der Metropole

Tagesexkursion in Karthaus Prüll und Klosterkirche St. Vitus, Regensburg

Am 04. Juli 2023 unternahm eine Gruppe von Promovierenden des Graduiertenkollegs 'Metropolität in der Vormoderne' eine Tagesexkursion zur Besichtigung der romanischen Kirche St. Vitus und des Benediktinerklosters in Ludwig-Thoma-Straße 14, in Regensburg.

Am Vormittag skizzierte Adrian Linz kurz die Frühgeschichte der Stadt Regensburg. Das erste römische Lager entstand im Vorort Kumpfmühl, der erst in neueren Zeiten ein Teil der Stadt wurde. Dort bestand schon im 1. Jh. n.Chr. ein kleinerer Militärstützpunkt, der die Donaugrenze überwachen sollte. Das zweite, größere Militärlager, Castra Regina, wurde 179 n.Chr. für die III. italische Legion an der Stelle errichtet, wo die obere Donau in ihrem Verlauf den nördlichsten Punkt erreicht. Jenseits der Mauern befanden sich zudem Wohnstätten von Zivilisten, die für die Soldaten arbeiteten. Marina Pizzi stellte mit zahlreichen Bildern die Villa rustica von Regensburg-Neuprüll aus der römischen Kaiserzeit und die einzelnen Funktionen ihrer Wohn- bzw. Produktionsräume (z.B. die mutmaßliche Küche mit Fuerstelle). Die Lage der Villa am Hügelabhang war besonders günstig: denn im Norden, in einem Abstand von ca. 1,4 km befand sich das Kohortenkastell Kumpfmühl und ca. 2,5 km entfernt das Legionslager Castra Regina; etwa 1 km westlich verlief die Hauptstraße Augsburg-Regensburg, von welcher nördlich des Gutshofs eine Nebenstraße in Richtung Burgweinting abzweigte. Maria Whitten legte ausführlich die dreischiffige Westempore der Kirche dar, auf deren Südseite 1904 ein Ende des 12. Jh. entstandenes romanisches Fresko entdeckt wurde. Das der Gottesmutter gewidmete Bildprogramm stellt die Szene der Verkündigung Mariä dar, mit einem Lebensbrunnen, Blumenstellage, Hasen und, kniend hinter einem Erzengel Gabriel, dem Stifter. Dabei waren in den Heiligenscheinen der Figuren ehemals Edelsteine angebracht. Sophia Wagner, die über Kartäuser in Nürnberg forscht, berichtete über das Alltagsleben der Mönche. An Kirche und Kreuzgang entstanden ab 1484 die charakteristischen Gartenhäuschen der Priestermönche, von denen einige an der Nordseite der Kirche bis heute existieren. 1653, während des ersten Reichstags nach dem Ende des dreißigjährigen Kriegs, wählten Kaiser Ferdinand III. und seine Gemahlin das Kloster als Herberge. Lorenzo Cigaina (Postdoc am GRK) umriss kurz die lange Geschichte des Klosters. Sie teilt sich in zwei unterschiedliche Phasen. Die Epoche als Benediktinerabtei umfasste die Zeit von 997 bis 1484; die darauffolgende Nutzung als Kartause dauerte bis zur Säkularisation 1803. Schließlich präsentierte Cherin Nabo den Johannes-Zyklus im Bruderchor von St. Vitus. In barocken Stuckrahmungen hängen sechs großformatige Ölbilder mit Szenen aus dem Leben Johannes des Täufers. Sie gehören zu einem Zyklus von ursprünglich elf Bildern, die 1696 bestellt und hauptsächlich vom namhaften Brüsseler Maler Victor Honoré Janssens geschaffen worden sind. Die Stifter waren hohe geistliche und weltliche Würdenträger unterschiedlicher Herkunft, die am Immerwährenden Reichstag in Regensburg teilnahmen und über den Gesandten von la Neufesorge zur Stiftung gekommen sein dürften. Ihnen gemeinsam ist ihr Vorname Johannes, der als sinnreiche Verknüpfung zu den gestifteten Bildern zu sehen ist. Das letzte Bild des Zyklus – „Darbringung des Hauptes auf einer Schüssel" – wurde vom Regensburger Domkapitel gestiftet.

Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Exkursion konnten umfassend kulturgeschichtliche, theologische und metropolitätsbezogene Kenntnisse über eine lange Zeitspanne von der Antike mit den archäologischen Befunden bis in das 20. Jahrhundert hinein, mit der Rückgewinnung der sechs Johannes-Bilder als staatliche Leihgabe für die Kirche, für die eigenen Forschungsprojekte erwerben und sich darüber aus dem Blickwickel ihrer jeweiligen Disziplin freundlich austauschen.

(Bericht von Cherin Nabo eingereicht)


FORUM MITTELALTER in Kooperation mit dem GRADUIERTENKOLLEG 2337 "METROPOLITÄT IN DER VORMODERNE" | Jahrestagung 15.-17. JUNI 2023

Städtische Rechtskulturen in der Vormoderne

Organisiert von Prof. Dr. Maria Selig und Dr. Susanne Ehrich

Vom 15.-17. Juni 2023 fand die internationale Jahrestagung des Mittelalterzentrums „Forum Mittelalter“ statt, das 2023 sein 20. Gründungsjubiläum feiert. Unter dem Rahmenthema „Städtische Rechtskulturen in der Vormoderne“ luden die Organisatorinnen Prof. Dr. Maria Selig und Dr. Susanne Ehrich Historiker:innen, Rechts- und Sprachwissenschaftler:innen aus fünf europäischen Ländern zum wissenschaftlichen Austausch nach Regensburg. Die Tagung wurde in Kooperation mit dem GRK 2337 „Metropolität in der Vormoderne“ veranstaltet und großzügig von der DFG und der Regensburger Universitätsstiftung Hand Vielberth gefördert.


Tagung "Städtische Rechtskulturen in der Vormoderne"  - (C) Elisabeth Stumvoll

Im Vorfeld der Jahrestagung bot ein Doktorandenworkshop Gelegenheit zur Diskussion von Dissertationsprojekten zum Thema „Recht als Praxis in der Vormoderne“. Dabei wurde bereits deutlich, wie wichtig der Blick hinter die normativen Quellen und die schriftliche Überlieferung sein kann und damit der praxeologische Fokus auf kommunikative, symbolische und ggf. verfahrensbeeinflussende Praktiken vor und im Umfeld von rechtlichen Entscheidungen in der Vormoderne. Im Eröffnungsvortrag zur Jahrestagung erläuterte Petra Schulte (Mittelalterliche Geschichte, Universität Trier) unter dem Thema „Recht und Gerechtigkeit im politischen Denken Venedigs“, wie sich im 14. und 15. Jahrhundert in Venedig ein neues rechtliches Bezugs- und Ordnungssystem entwickelte, propagiert in Bildnissen an zentralen Verwaltungsgebäuden und in Rechtstexten. Im Vordergrund stand dabei eine neuartige Positionierung des Einzelnen zur Allgemeinheit und eine Gleichheit aller Venezianer vor dem Gesetz.


Thomas Brunner auf der Tagung "Städtische Rechtskulturen in Vormoderne" - (C) Elisabeth Stumvoll

Die Vorträge der folgenden beiden Tagungstage reflektierten mit den regionalen Schwerpunkten im französischen, italienischen und Schweizer Raum sowie den Städten nördlich der Alpen die Vielgestaltigkeit, aber auch grundlegenden rechtspraktischen Überschneidungsbereiche in verschiedenen europäischen Städtelandschaften und Rechtstraditionen. Ein zentraler Aspekt war zum einen die Herausbildung der Infrastrukturen der Rechtspraxis, und damit teilweise auch der Schriftpraktiken. Die Vorträge von Thomas Brunner, Damien Carraz und Marco Stoffella legten hierbei besonderes Augenmerk auf den Aspekt der legal literacy, der Verschriftlichung von rechtlicher Praktik und der damit einhergehenden Professionalisierung. Ein zweiter Schwerpunkt der Beiträge bildete der Blick auf Prozesse, die von rechtlicher Relevanz sind und sich vor und teilweise auch unabhängig von Schriftlichkeit abspielen. So stellte Franz Arlinghaus anhand zweier Prozesse in deutschen Städten des 12. Jahrhunderts heraus, wie sich die Mitgliedschaft in einer Gruppe auf den sozialen Status seiner einzelnen Mitglieder auswirkte. Die Dynamik bestand dabei in der ständigen Auflösung und Neuzusammensetzung der Gruppen und damit aus der Genese immer neuer Rechtsräume. Auch in den Vorträgen von Anne Diekjobst, Jürgen Heyde und Daniel Schläppi standen soziale Probleme oder mangelnde gesellschaftliche Repräsentanz im Zentrum, die wiederum diskursive, körperliche oder rituelle „Arbeit“ nötig machten, um rechtsstabilisierenden Konsens herzustellen. Bernd Kannowski zeigte in seiner Analyse zu Haftung und Schuldfrage im Mühlhauser Rechtsbuch aus dem 13. Jahrhundert überdies, wie verschriftlichtes Recht auch zu Fragen der Stadtentwicklung Auskunft geben kann. In der Abschlussdiskussion beleuchteten Maria Selig und Klaus Grübl die Tagungsbeträge aus linguistischer Perspektive und regten dazu an, den pragmatischen, Recht erst stiftenden Eigenwert des Deklarativ-Sprachlichen und den Aspekt der sprachlichen Form rechtlicher Normen in (rechts-)historischen Forschungen in angemessener Weise in die Analyse miteinzubeziehen.


Klaus Grübl und Maria Selig, Abschlussdiskussion - (C) Elisabeth Stumvoll

Die Vorträge und Diskussionen auf der Jahrestagung unseres Mittelalterzentrums zum Thema "Städtische Rechtskulturen in der Vormoderne" waren in Bezug auf die historische und praxeologische Konturierung vormoderner Rechtssphären überaus weiterführend. Dokumentiert werden diese neuen Forschungen demnächst in Band 21 der Reihe Forum Mittelalter-Studien.


Studientag "Durch das Tor: Einblicke in vormoderne Metropolenwelten" am 25.01.2023

initiiert von Lorenzo Cigaina und Martin Berger

Metropolen kann man in vorzüglicher Weise von außerhalb der Stadtmauer oder der Schwelle eines monumentalen Tores stehend betrachten. Diesen besonderen Blickwinkel wollten die Teilnehmer des Studientags Durch das Tor: Einblicke in vormoderne Metropolenwelten am Mittwoch den 25. Januar 2023 in interdisziplinärer Perspektive einnehmen und sich in einem offenen Diskussionsraum damit auseinandersetzen. Der Ausgang war positiv: Unter der Schirmherrschaft des in diesem Fachbereich schon erfahrenen Prof. Albert Dietl und unter Beteiligung von Prof. Angela Ganter (Alte Geschichte), Dr. Lorenzo Cigaina (Klassische Archäologie), Martin Berger (Liturgiewissenschaft) und des neu eingestiegenen Graduierten Filip E. Schuffert (Neuere Geschichte) wurde der gesamte Zeitraum der Vormoderne – von der griechischen Archaik über die römische Spätantike und das Hochmittelalter bis zur Frühen Neuzeit, etwa 800 v.Chr. bis 1800 n.Chr. – abgedeckt. Dabei konnten die Teilnehmer mit den Referenten durch Tore verschiedenster Art Einblicke in die jeweilige Metropole im breiteren europäischen Raum – Theben, Rom, italienische Kommunen (Florenz, Genua, Mailand u.a.), Regensburg und Warschau – gewinnen. Es wurde auch festgestellt, dass epochen- und fächerübergreifende Gemeinsamkeiten und Ansatzpunkte für die „Tor-Forschung“ gibt, wie sich nur im interdisziplinären Rahmen entfalten kann.


Monumentaltore wurden in der ganzen Vormoderne in unterschiedlicher Weise als Markierungen sakraler, rechtlicher (auch fiskalischer) sowie ethnisch-politischer Grenzen aufgefasst. Unter besonderen Bedingungen machten sie ebendiese Grenzen passierbar. Symbolisch aufgeladen wurden Stadttore beispielsweise im Gründungsmythos einer Gemeinschaft verortet oder wurden zum Symbol idealisierter Stadtvorstellungen (das himmlisches Jerusalem oder die „Roma Secunda“). Meistens waren sie auch multimediale Objekte, deren Erforschung der Perspektiven aller Fachdisziplinen bedarf. So kann beispielsweise ein Kirchentor in den Vordergrund der metropolitanen Liturgie treten, während Stadttore zu komplexen Zusammenhängen von Inschriften, Architektur, bildender Kunst – bei besonderen Anlässen sogar ephemerer Dekoration – und Liturgie werden konnten. Ihre metropolitane Prägnanz macht die Tore wiederum zu einem beliebten Sujet literarischer Beschreibungen und figürlicher Darstellungen.
Als andauernd rezipiertes und oft neu etabliertes Wahrzeichen historischer Kontinuität, stifteten (Stadt-)Tore fortlaufend die Identität der städtischen Gemeinschaft und prägen die Stadtlandschaft bis heute tiefgreifend. Sie waren und sind primäre Orte des Stadtlebens, zeitweilig Kulisse der Geschichte sowie, teilweise mit Ritualen und Kulten verknüpft, eine lebenswichtige Barriere. Somit waren sie mehr als eine Tür, sie waren die Visitenkarten der jeweiligen Gebäude, Städte und besonders der Metropolen, nach innen wie nach außen.


Mit dem gelungenen Studientag hat dieses Thema ohne Weiteres seine Relevanz für die Metropolenforschung erwiesen, zugleich aber die Schwierigkeit und Komplexität des notwendigen interdisziplinären Ansatzes aufgezeigt, wofür das GRK „Metropolität in der Vormoderne“ eine ideale Ausgangbasis bietet. Der fruchtbare Austausch der Teilnehmer konnte beim gemeinsamen Mittagessen fortgesetzt und vertieft werden.


GRADUIERTENKOLLEG 2337 "METROPOLITÄT IN DER VORMODERNE" | TAGESEXKURSION NACH MÜNCHEN 12.05.2023

Metropolitane Rückbezüge auf die Antike: Staatliche Antikensammlungen | Glyptothek | Bayerische Staatsbibliothek München (BSB)

Am 12. Mai 2023 unternahm eine Gruppe von Promovierenden des Graduiertenkollegs 'Metropolität in der Vormoderne' eine Tagesexkursion nach München. Am Vormittag skizzierte Dr. Cigaina in den Staatlichen Antikensammlungen am Südrand des Königsplatzes die Entwicklungsgeschichte der antiken „Kleinkunst“ anhand griechischer, römischer und etruskischer Meisterwerke aus Keramik, Metall und Stein nach. Am Münchner Königsplatz sind die Artefakte in einer Qualität und Fülle zu erleben, wie man sie sonst nur an wenigen Orten auf der Welt – in Berlin, Paris, London oder New York – finden kann.


(C) Arabella Cortese

Im Anschluss führte Dr. Markus Löx (ehemaliger Postdoc am GRK, nun Kurator der Staatlichen Antikensammlungen und der Glyptothek) durch die griechische und römische Skulpturensammlung der Glyptothek, das älteste öffentliche Museum von München. Nur ganz wenige Marmorskulpturen der Glyptothek stammen aus altem Besitz der Wittelsbacher Kurfürsten und waren ursprünglich im Antiquarium der Münchener Residenz untergebracht. Dazu zählt als wichtigstes Stück die sogenannte „Trunkene Alte“, die römische Kopie eines berühmten hellenistischen Originals aus den Jahren um 200 v. Chr.


(C) Arabella Cortese

Das Nachmittagsprogramm war ausschließlich der Staatsbibliothek München (BSB) gewidmet. Die 1558 als Hofbibliothek der Wittelsbacher gegründete Bayerische Staatsbibliothek ist die größte wissenschaftliche Universalbibliothek Deutschlands und eine der international bedeutendsten Gedächtnisinstitutionen mit dem Schwerpunkt auf den Geisteswissenschaften. Sie ist die zentrale Landes- und Archivbibliothek des Freistaates Bayern und nimmt vielfältige Aufgaben der nationalen Informationsversorgung wahr. Organisatorisch sind sie der Bayerischen Staatsbibliothek zehn Regionalbibliotheken nachgeordnet. Darunter zählt die Staatliche Bibliothek in Regensburg (Direktor Dr. Bernhard Lübbers), die im Februar 2023 im Rahmen einer Tagesexkursion von einer Gruppe von Promovierenden und Dozierenden des Graduiertenkollegs besucht wurde. Frau Haas vom Info-Team stellte in der einstündigen Hausführung die Bayerische Staatsbibliothek, die Gründergeschichte und die Lesesäle für die zukünftige Nutzung zu Forschungszwecken ausführlich vor. Ihr Gesamtbestand beträgt rund 37,2 Millionen Medieneinheiten, davon circa 11,2 Millionen Bände, 53 400 laufende Zeitschriften in elektronischer und gedruckter Form und 145 000 Handschriften. Jährlich kommen circa 120 000 Bände hinzu, die systematisch nach wissenschaftlichen Kriterien ausgewählt und erschlossen werden.

Herr Dr. Ikas (Abt. Handschriften und Alte Drucke) stellte zunächst den neuen OPAC mit seinen Recherchemöglichkeiten und die Bandbreite an Fachbereichen und Quellengattungen vor. Dann präsentierte er ausgewählte Handschriften und Papyri in lateinischer, griechischer und deutscher Sprache, um einen Eindruck der dort aufbewahrten wertvollsten Sammlungsbestände zu geben. Abschließend erläuterte Herr Dr. Allscher (Abt. Bestandserhaltung und Restaurierung) die Kunsttechniken und Spezialverfahren zur Dokumentation von Objektzuständen, zur Farbbestimmung von Bildmedien (Gemälde, Fotografien, Karten etc.) und ihre chemisch ursprüngliche Zusammensetzung mittels naturwissenschaftlicher Analysetechniken, um Schäden und Gebrauchsspuren zu entfernen.


(C) Arabella Cortese

Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Exkursion konnten umfassend kulturgeschichtliche, kunsthistorische und metropolitätsbezogene Impressionen über eine Zeitspanne von der Antike mit den archäologischen Ausgrabungsfunden bis in das 19. Jahrhundert mit dem Bau (1832 und der Eröffnung (1843) der Bayerischen Staatsbibliothek (BSB) für die eigenen Forschungsprojekte mitnehmen.

(Bericht von Maria Protima Hiltl eingereicht)


Forschungskolloquium | Graduiertenkollegs 2337 "Metropolität in der Vormoderne"

„Buchgeschichte und Metropolität“ Exkursion nach St. Emmeram und in die Staatliche Bibliothek Regensburg mit Dr. Lübbers

Am 01. Februar 2023 hat Dr. Bernhard Lübbers, Direktor der Staatlichen Bibliothek Regensburg, eine Gruppe von Promovierenden und Dozierenden des Graduiertenkollegs 'Metropolität in der Vormoderne' zunächst in die Bibliotheksgeschichte von St. Emmeram eingeführt und im Anschluss durch die Staatliche Bibliothek Regensburg geführt, um dort einige der wertvollsten Bücher der dortigen Sammlung zu zeigen.

Hier folgen einige Fotos der schönen Exkursion:


09.2023 | Veranstaltungshinweis

Afterlives of the Gregorian Sacramentary Latin Mass Books and the Organisation of Liturgical Knowledge (c. 850-1200)

Interdisziplinäre Symposium

organisiert von: Harald Buchinger, Paweł Figurski, Arthur Westwell

Regensburg, 06.-08. September 2023

weitere Informationen entnehmen Sie dem Flyer und der Homepage des Lehrstuhls für Liturgiewissenschaft


Interdisziplinäre Summer School (18.-21.2023)

Graduate Summer School „Von Messing und Stein. Zur Forschung an Grabplatten des Mittelalters“ am Europäischen Romanikzentrum

In der zweiten Septemberhälfte dieses Jahres traf sich auf Einladung des Europäischen Romanikzentrums unter Federführung von Professor Dr. Klaus Krüger eine kleine, aber feine Gruppe Sepulkralkunstbegeisterter im Südflügel des Merseburger Domkreuzgangs im Rahmen der Summer School „Von Messing und Stein“. Veranstaltet wurde die Summer School von dem An-Institut der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) Europäisches Romanik Zentrum (ERZ), dessen 2. Vorsitzender Professor Dr. Klaus Krüger ist. Er ist nicht nur Leiter der Abteilung für Historische Hilfswissenschaften am Institut für Geschichte der MLU sondern auch Kustos der prestigereichen Sammlungen des Zentrums für Manuelle Reproduktionstechniken der Sepulkralskulptur (ZeReSe) der MLU.


Etwa die Hälfte der Teilnehmer waren Angehörige der MLU, die übrigen kamen aus dem näheren und ferneren In- und Ausland. Die Teilnehmer setzten sich aus Promovend:innen und fortgeschrittenen Masterstudent:innen zusammen. Nach einer gemütlichen Kennenlernrunde gab Professor Krüger eine ausführliche Einführung in „Tod, Begräbnis, Memorialkultur im Mittelalter“, der einen Einstieg in das Thema Sepulkralkultur bot, aber auch dazu diente die Begrifflichkeiten für alle Teilnehmer:innen zu klären. Dabei ging er neben der Prozesshaftigkeit eines Grabmals auch auf verschiedene alte Reproduktionstechniken ein. Anschließend hielt der Leiter des Domstiftsarchiv und der Domstiftsbibliothek Merseburg, Markus Cottin, in den Räumen des ERZ im Domkreuzgang einen exklusiven Vortrag zu einem Manuskript des Merseburger Bischofs Thietmar († 1080) unter dem Titel „Das Thietmar-Fragment aus Corvey. Bedeutung, Kontext, Provenienz“. Herr Cottin entwarf dabei auch für die auswärtigen Teilnehmer ein Bild Merseburgs im Mittelalter und stellte ihnen die für Merseburg wichtigsten Persönlichkeiten aus dieser Epoche vor.
Die Summer School zu mediävistischer Sepulkralkunst war als Workshop konzipiert und Professor Krüger hatte nationale und internationale Spezialisten gewonnen für die Leitung der verschiedenen Workshops zu Reproduktionstechniken von Sepulkralkunst. Einer dieser Spezialisten war Michel Schadeck aus der Bretagne, der sich seit vielen Jahren der Technik der Frottage verschrieben hat (https://www.empreintes-medievales.fr/home). Dabei handelt es sich um eine spezielle Form der manuellen Reproduktion: In mehreren Schritten wird zunächst mit Paraffin direkt am Objekt gearbeitet, bevor die ungewachsten Stellen des Papiers mit Tusche bedeckt und nach dem Trocknen der Tusche schließlich das Wachs wieder abgenommen wird. Am Ende bleiben dabei die gehöhten Stellen weiß, während Vertiefungen durch die Tusche geschwärzt sind. Heraus kommt schließlich ein positives Bild des Originals, das insbesondere die Inschriften und Details des Reliefs deutlich macht und dadurch nicht nur der Konservierung solcher Kunstwerke dient, sondern auch die Forschung daran erleichtert. Nach einer Einführung in die Technik durch Herrn Schadeck im Seminarraum begab sich die Gruppe in den Dom, wo sich jede:r Teilnehmer:in ein geeignetes Objekt suchte und die Technik unmittelbar selbst ausprobieren konnte. Das Atelier de Frottage erstreckte sich aufgrund der Komplexität der Technik über mehreren Sitzungen. Es stellte sich heraus, dass Bronze sich am besten dafür eignet, auch mit Kalkstein lassen sich gute Ergebnisse erzielen. Lediglich grobkörniger Sandstein erwies sich als ungünstig für die Frottage.


Bildbeschreibung: Michel Schadeck zeigt an einem Beispiel wie die Tusche auf dem mit Paraffin behandelten Zeichenpapier verwendet werden kann um unterschiedliche Effekte zu erzielen. Aufnahme: Maria Whitten


Den Mittwoch verbrachten die Mitglieder der Summer School in Halle, im Archiv der Universität, wo sich auch das ZeReSe befindet. Aufgrund eines Wasserschadens war ein Besuch der Sammlung leider nicht möglich, jedoch stand mit Dr. Antje Fehrmann eine Koryphäe für englische Königsgrabmäler bereit, die der Gruppe unter dem Titel „Royals Under Ground: Autorität des Materials in englischen Königs- und Königinnengrabmälern“ einen kultur- und materialwissenschaftlich hochspannenden Überblick über die Grabstätten der englischen Königsfamilien von 1066 bis 1509 und die posthume Selbstdarstellung der Lancaster nahegebracht hat. Der Schwerpunkt lag dabei auf den zugrunde liegenden Repräsentationsstrategien, aber die Referentin weitete den Blick durch formale und ikonographische Analysen der Grabmäler sowie räumliche Bezüge, die liturgische und die zeremonielle Einbindung derselben in Westminster Abbey. Am Nachmittag leitete dann Annika Sieber vom ZeReSe eine Abrieb-Werkstatt, bei dem die Teilnehmer:innen wiederum selbst aktiv werden durften und Abriebe von verschiedenen kleinformatigen Messingplatten vornahmen, was mit großem Eifer und einem gewissen Ehrgeiz ausprobiert wurde.


Bildbeschreibung: Work in Progress: Brass Rubbing mit Margarethe Paris. Die Ehefrau von Heinrich Paris ist einem langärmligen Kleid dargestellt, darüber ein umgeschlagener Mantel. Das Original der Platte befindet sich in Hildersham, Cambridgeshire. Aufnahme: Maria Whitten


Ein weiterer Experte, der den Anwesenden eine andere, hochmoderne Reproduktionsart nahebrachte, war der Informatiker vom Landesamt für Denkmalpflege Erfurt Ilya Claus. Die von ihm vorgestellte Technik ist „structure through motion“, also der 3-D-Scan von Monumenten. Zunächst erklärte Herr Claus das Vorgehen beim Erstellen eines Scans und zeigte verschiedene Beispiele (https://360grad-denkmale.de/). Anschließend beantwortete er sehr geduldig die vielen interessierten Fragen, bevor die Beteiligten schließlich in der Vorhalle des Domes selbst Hand anlegen durften und abwechselnd Scans von verschiedenen Epitaphien erstellen – mit beeindruckendem Ergebnis. Die Begeisterung unter den Anwesenden war dementsprechend groß.


Bildbeschreibung: Ilya Claus präsentiert Rohdaten von 3-D-Scans. Aufnahme: Maria Whitten

Eine Führung durch den Kaiserdom Merseburg und ein Besuch des Domschatzes rundeten die Summer School ab. Bei der Führung durfte die Gruppe in die fast 1.000 Jahre alte Krypta hinabsteigen, bewunderte die Bischofskapelle mit der Platte für Thietmar von Merseburg und dem feuervergoldeten Epitaph für Bischof Thilo von Trotha († 1514) und hatte ein besonderes Augenmerk auf das Königsgrab Rudolfs von Rheinfelden. Die halbfigürliche Bronzeplatte für den 1080 verstorbenen Gegenkönig von Heinrich IV. im Chor unter der Vierung ist einzigartig und als politisches Zeichen nach wie vor sehr aussagekräftig. Der Domschatz ist in den wunderbar restaurierten Räumen des Kapitelhauses (darunter der nach historischen Vorlagen rekonstruierte Wappensaal) und der Südklausur des Domes untergebracht, die auf das 12. Jahrhundert datiert werden. Dort finden sich einzigartige Exponate von besonderer kultur- und kunstgeschichtlicher Bedeutung wie beispielsweise ein Faksimile der Merseburger Zaubersprüche. Auch illuminierte Handschriften, Siegel und Paramente sind dort ausgestellt, sowie Plastiken und Altarretabeln. Die Teilnehmenden der Summer School waren einhellig der Meinung, dass „Von Messing und Stein“ eine phantastische Erfahrung und eine hervorragende Gelegenheit zum Netzwerken war.

©Maria Whitten


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