Bei einem ganz besonderen Termin, der in Zusammenarbeit mit dem Centre for Advanced Studies “Beyond Canon” ausgerichtet wurde, sprach am 11. Dezember 2019 im Fellows´ Brunch GRK-Mitglied Arabella Cortese zu „Between Memory and Presence: The Topography of the Isaurian Coast and Anemurium according to the Acts of Barnabas“.
Fragen nach Religion(en) und Stadtentwicklung in der Vormoderne – konkret: in der spätantiken Asia Minor – bestimmten auch dieses Kolloquium, das in Kooperation mit dem Regensburger Centre for Advanced Studies "Beyond Canon" stattfand. Prof. Dr. Harald Buchinger und Prof. Dr. Andreas Merkt aus dem GRK-Trägerkreis sind stellvertretende Sprecher dieser 2018 an der UR eingerichteten, ebenfalls DFG-geförderten Forschergruppe, die sich frühchristlichen Traditionen außerhalb des Textkanons biblischer Schriften und deren Rezeptionsgeschichte widmet. Religiöse Kommunikation und Wissenstransfer im metropolitanen Umfeld, aber auch die Bedeutung von Peripherien als Räume theologischer Erkenntnisbildung und -überlieferung stellen klare inhaltliche Verbindungen zum Forschungsprogramm des DFG-GRK 2337 „Metropolität in der Vormoderne“ dar, was über Vortrags von Arabella Cortese einmal mehr deutlich wurde.
Arabella Cortese studierte Archäologie mit Schwerpunkt Mittelalter an der Universität Pisa. Bereits in ihrer Magisterarbeit beschäftigte sie sich mit der Bedeutung eines Kirchenbaus - S. Andera in Foriporta - für die Baugeschichte des gleichnamigen Pisaner Stadtviertels. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Universität Malta verfolgt Arabella Cortese ihr am Institut für Byzantinistik, Byzantinische Kunstgeschichte und Neugräzistik an der LMU München begonnenes Dissertationsprojekt seit 2017 als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im GRK 2337 „Metropolität in der Vormoderne“.
Corteses Forschungen befassen sich mit der Sakraltopographie Kilikiens, einer historischen Landschaft an der östlichen Mittelmeerküste der heutigen Türkei. Für die Geschichte des frühen Christentums ist Kilikien ein wichtiger Schauplatz: die durch Missionierung lokaler Bevölkerungsgruppen entstandenen regionalen Gemeinden werden an prominenten Stellen im Neuen Testament erwähnt und brachten nicht nur einflussreiche Kirchenväter, sondern auch bedeutende Sakralarchitektur hervor.
Vor diesem Hintergrund untersucht Arabella Cortese kilikische Kirchenbauten, in denen Heilige verehrt wurden, unter funktionalen, urbanistischen und alltags-/mentalitätshistorischen Aspekten der Material Culture, die anhand von Texten und Ritualen, archäologischen Befunden und Architektur manifest werden. Im Fellows´ Brunch konzentrierte sich Cortese auf Elemente der Sakrallandschaft anhand der apokryphen, also nicht zum biblischen Kanon zählenden, Apostelgeschichte des Barnabas aus dem 5. Jahrhundert, dessen Reisen ihn als Missionar in der Tradition der antiochenischen Gemeinschaft über Zypern an die kleinasiatische Küste mit den Städten Kirasion, Palaiai, Pityussa, Aconesiai und vor allem Anemurium führen.
Anhand von Quellenbeispielen aus dem Narrativ der Apostelgeschichte des Barnabas (v.a. 11-14) erläuterte Arabella Cortese verschiedene frühchristliche Sakralbauten, die in den vergangenen Jahren in Anemurium freigelegt wurden. In der so genannten Apostelkirche finden sich beispielsweise Inschriften, die an die frühen Verkünder des Glaubens erinnern und somit als materielle Zeugnisse der Christianisierung der Stadt dienen. Die apokryphe Apostelgeschichte des Barnabas kann, so Arabella Cortese, als präzise Quelle für diese Epoche in der Geschichte Kilikiens dienen - eingegangen in die materielle Überlieferung der lokalen Kirchenbauten sogar als Symbol der Ausbildung einer städtischen Identität. Die vorgestellten Zwischenergebnisse und die interdisziplinären Impulse aus der engagierten Abschlussdiskussion unterstreichen ziemlich plakativ, wie sich die wissenschaftlichen Zugänge und Erkenntnisinteressen des Centre for Advanced Studies Beyond Canon mit denjenigen des GRK-Forschungsprogramms gegenseitig ergänzen. Wir danken „Beyond Canon“ für die inspirierende Zusammenarbeit!