Schwere Umknickereignisse am Sprunggelenk führen häufig nicht nur zu Außenbandrissen, sondern auch zu knorpeligen Absprengungen der Gelenkfläche des Sprungbeines (Talus). Bei der sog. Osteochondrosis dissecans löst sich ein Knochen-Knorpelstück auch ohne Unfall aus seinem Verbund.
Der Patient bemerkt bei solchen Knorpelschäden neben einer schmerzhaften Minderbelastbarkeit häufig auch Einklemmungserscheinungen durch die instabile Gelenkoberfläche. In schweren Verläufen kann auch ein freier Gelenkkörper (Gelenkmaus) entstehen.
Das Standardröntgenbild oder eine Magnetresonanztomographie (MRT) sind für die weitere Diagnostik hilfreich. Da eine Spontanheilung nicht eintritt, ist eine Gelenkspiegelung (Arthroskopie) des oberen Sprunggelenkes die Therapie der Wahl. Hierbei werden der freie Gelenkkörper sowie weitere instabile Gelenkknorpelanteile entfernt.
Bei kleineren Defekten und Patienten mit offenen Wachstumsfugen sind häufig Anbohrungsverfahren zur Erzeugung eines Reparaturknorpels ausreichend. Bei Überschreiten einer kritischen Defektgröße (ca. 1,5 cm²) sowie bei tiefer reichenden knöchernen Defekten sind weiter gehende Therapieverfahren anzeigt. Bei solchen Fällen kann eine autologe Chondrozytentransplantation (ACT) erfolgen. Hierzu werden bei der Arthroskopie 2-3 reiskorngroße Knorpelstücke aus einem gesunden, wenig belasteten Areal entnommen und in einem Labor unter Hochreinraumbedingungen ca. 5 Wochen lang kultiviert. Nur im Labor erhalten die Knorpelzellen ihre Fähigkeit zur Zellteilung zurück.
Die so vervielfältigten Knorpelzellen werden auf eine Trägermembran aus tierischem Eiweiß (z.B. Schweinekollagen) übertragen. Diese so zellbeladene Vlies wird in einer zweiten Operation minimal-invasiv in den freigelegten Gelenkflächendefekt eingebracht. Eventuell muss – wie bei der Osteochondrosis dissecans – zuvor ein Knochenaufbau (Spongiosaplastik) mit gesundem Knochen erfolgen. Dazu ist z.B. die sprunggelenksseitige Schienbeinvorderkante geeignet, so dass häufig ein Zugang von 4-5 cm Länge für beide Operationsschritte ausreicht.
Eine sechswöchige Teilbelastung mit 20 kg sowie ein speziell abgestimmtes ambulantes Nachbehandlungsprogramm schließen sich an. Die Sportfähigkeit kann je nach gewünschter Sportart und Intensität in der Regel nach 6-12 Monaten erreicht werden.
Instabiler Knorpelaufbruch des Talus | Eingebrachte Matrix- ACT (Pfeil) | Ausheilungsergebnis im arthroskopischen Bild nach 12 Monaten: Komplette Integration des wieder aufgebauten Knorpelareals in die Umgebung. Wiederherstellung einer völlig intakten Gelenkfläche. |
Die ACT hat sich seit ca. 15 Jahren als modernes Knorpelreparaturverfahren in der klinischen Routineversorgung zunächst am Knie etabliert. Weltweit wurden bislang ca. 40.000 Patienten mit einer ACT versorgt. Die Erfolgsquote nach 8-10 Jahren liegt am Kniegelenk je nach Lokalisation bei ca. 90%.
Die hier dargestellte matrixgestützte ACT am Sprunggelenk zeigt die vielfältigen Möglichkeiten für den Einsatz des modernen Tissue-engineering zur innovativen Gelenkflächenreparatur in der Orthopädie.
Hinweis: Trotz guter Langzeitergebnisse nach 5 Jahren (s. Anders S et. al., Int. orthop. 2012 Nov; 36 (11) 2279-85) wurde die ACT am Sprunggelenk zwischenzeitlich aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) gestrichen, so dass wir dieses Verfahren am Sprunggelenk nicht mehr anwenden. Statt dessen führen wir eine sogenannte AMIC durch