Coxarthrose – Der Verschleiß des Hüftgelenks
FAI – Das femoroacetabuläre Impingement
Gelenkerhaltende, minimalinvasive Therapie
Das Hüftgelenk (Articulatio coxae) wird aus der knöchernen Gelenkpfanne, dem so genannten Acetabulum und dem oberen Ende des Oberschenkels, dem Femur gebildet. Die Innenseite der Gelenkpfanne ist hufeisenförmig mit Knorpel überzogen, am Hüftkopf reicht der Knorpel bis über den Äquator. Am Rand der Hüftpfanne befindet sich eine abdichtende Gelenklippe, das so genannte Labrum acetabulare.
Die Gelenkkapsel entspringt oberhalb des Pfannenrands und zieht sich über den Hüftkopf bis zur Basis des Schenkelhalses. Die Hüftgelenkkapsel ist durch kräftige Bänder verstärkt. Vorne liegt das Ligamentum iliofemorale, das
mit einer maximalen Zugkraft von über 300 kg das stärkste Band im menschlichen Körper ist.
Umschlossen wird das Gelenk von kräftigen Muskelgruppen. Auf der Körpervorderseite befinden sich die Muskeln, die für die Beugung und für das Anspreizen der Hüfte verantwortlich sind. Auf der Rückseite befinden sich die
Muskeln, die das Bein abspreizen oder aus der Beugung strecken lassen.
Durch diesen engen, knöchernen Formschluß und die straffe Führung durch Muskeln und Bänder, ist das Hüftgelenk gegen Ausrenkungen geschützt und erlaubt auch bei extremen Belastungsspitzen stets eine sichere Kraftübertragung vom Rumpf ins Bein.
Bei den meisten Gelenken kommt es im fortgeschrittenen Lebensalter des Patienten zum Verschleiß des Gelenkknorpels. Dieser Prozess wird als Arthrose, bei der Hüfte genauer als Coxarthrose, bezeichnet. Ursache für die Coxarthrose kann z.B. ein entzündlicher Prozess, wie eine rheumatische Erkrankung sein, oder es können mechanische Probleme der Grund für eine punktuelle Überbelastung sein, die dann nach und nach zu vorzeitiger Abnutzung des Gelenkknorpels führen. Der Knorpel ist aber ein unersetzbarer Teil des Gelenkes, der unentbehrlich für das widerstandslose Gleiten der Gelenkpartner ist. Viele Versuche wurden unternommen, um den Knorpel zu ersetzen, führten jedoch an der Hüfte nicht zu dauerhaftem Erfolg. Ist der Knorpel aufgebraucht, reiben die Knochen direkt aufeinander. Diese Reibung von Knochen auf Knochen ruft eine schmerzhafte Entzündung im Knochen hervor. Im englischsprachigen Raum ist der Prozess der Arthrose auch als Osteoarthritis, also als Knochen- und Gelenkentzündung treffend bezeichnet. Ein frühes Zeichen der Arthrose sind knöcherne Anbauten an den Gelenkpartnern, die im Röntgenbild als so genannte Osteophyten auffallen. Sind weitere Knochenreaktionen, wie zum Beispiel Knochenzysten, im Röntgenbild sichtbar, ist dies ein Zeichen dafür, dass der Gelenkknorpel aufgebraucht und die Arthrose weit fortgeschritten ist. Der
Arthroseprozeß verläuft oft zeitlich in Wellen, wobei die beschwerdefreien oder -armen Zeiten immer kürzer werden und die Schmerzepisoden immer heftiger und länger. Ist der gesamte Gelenkknorpel in der Hauptbelastungszone aufgebraucht, kann die Arthrose nur noch durch einen künstlichen Gelenkersatz behandelt werden.
Da das Hüftgelenk durch die enge knöcherne und die kräftige Weichteilführung keinen Spielraum für Ausweichbewegungen bietet, verursachen schon die geringsten Passungenauigkeiten der Gelenkpartner einen mechanischen Konflikt. Diese Formstörung kann entweder seitens der Pfanne und/oder des Hüftkopf-Schenkelhalses auftreten.
Bei etwa 15% aller Europäer liegt eine Abweichung von der Norm am Schenkelhals und/oder an der Hüftpfanne vor. Bei einem „ZU VIEL“ der Pfanne wird der Hüftkopf von der knöchernen Umfassung der Pfanne in die Zange genommen.
Dieses Zangenphänomen wird als PINCER Impingement (engl. PINCER = Beißzange) bezeichnet.
Bei einer unzureichenden Taillierung des Hüftkopf-Schenkelhals-Übergangs kommt es bei der Beugung des Gelenks zu einem Einpressen des entrundeten, nicht mehr kugelförmigen Hüftkopfes in die kugelförmige Hüftpfanne. Dieser Vorgang gleicht dem Prinzip einer mechanischen Nockenwelle und wird deshalb als CAM Impingement (engl. CAM = Nockenwelle) bezeichnet.
Häufig liegen beide Formstörungen vor, was das Problem noch verstärkt, und so können schon geringe Abweichungen von der Norm auf Dauer das Gelenk schädigen.
Das bedeutet, dass sich das Hüftgelenk im Laufe der Zeit selbst zerstört. Genau hier setzt unsere Therapie an.
Abb.: Sonografie: CAM-Impingement (rot), Idealkontur (blau)
Die ersten Hüftbeschwerden kündigen sich meist nur diskret an und sind oft nicht von langer Dauer. Bei genauer Befragung der Betroffenen haben die Beschwerden oft schon vor Jahren begonnen, wurden jedoch nicht mit dem Hüftgelenk in Verbindung gebracht. Meistens werden gerade bei jungen Patienten die Beschwerden als Muskel- oder Bänderzerrung, Schleimbeutelentzündung, als Bandscheibenvorfall oder Leistenbruch fehlgedeutet. Einige Patienten werden sogar mit der Verdachtsdiagnose eines Leistenbruchs oder einer Schleimbeutelentzündung ohne nennenswerten Erfolg operiert.
Bei der Untersuchung zeigt sich meist eine verminderte Innenrotation des betroffenen Beins, die meist seit der Jugend bekannt ist und mit der Zeit zugenommen hat. Durch eine Ultraschall-Untersuchung kann ein erster Verdacht auf ein FAI geäußert werden, der bei entsprechendem Befund durch eine Röntgenaufnahme bestätigt werden kann. Bei unklarem Befund kann zur Komplettierung der Diagnostik eine hochauflösende Kernspintomographie mit speziellen axialen Rekonstruktionen durchgeführt werden. Durch diese speziellen Rekonstruktionen lassen sich auch verdeckte Fehlbildungen darstellen. Bestätigt sich in der Bildgebung der Verdacht auf ein femoroacetabuläres Impingement und ist noch ausreichend Knorpelbeschichtung an den Gelenkpartnern vorhanden, so kann eine gelenkerhaltende Operation durchgeführt werden.
Der Arthroseprozess an der Hüfte kann nicht durch Medikamente oder Krankengymnastik aufgehalten werden. Die Ursache für die Arthrose kann ausschließlich durch eine Operation angegangen werden.
Der Patient wird in Seitenlage auf dem Operationstisch gelagert, die betroffene Seite zeigt zur Decke. Durch einen kurzen Hautschnitt von etwa 8 cm Länge wird die Muskellücke zwischen den vorderen und den hinteren Muskelgruppen aufgesucht. In dieser Muskellücke verlaufen keine großen Nerven oder Blutgefäße, so dass auf diese Weise die Gelenkkapsel gefahrlos erreicht werden kann. Der Raum über der Gelenkapsel wird mit zwei speziellen Haken aufgespreizt. Die Muskeln werden
zur Seite gehalten, nicht aber abgelöst oder durchtrennt. So öffnet sich dem Operateur ein Fenster. Es folgt dann die Längsspaltung der straffen Hüftbänder und eine teilweise Ablösung im Ansatzbereich. Zwei weitere Haken werden eingesetzt, so dass nun das Gelenk einsehbar ist. Über diesen Zugang erreicht man auf direktem Weg die Stelle, an der sich die schädigenden Formstörungen befinden.
Liegt ein Beißzangen-Phänomen vor, wird der Pfannenrand um wenige Millimeter verschmälert. In besonderen Fällen kann die Gelenklippe abgelöst, der knöcherne Pfannenrand reduziert und anschließend die Gelenklippe wieder angenäht werden.
Abb.: Weit umfassende Aufwulstung des Knochens am Übergang von Oberschenkelhals zum Kopf
Die Formstörung am Schenkelhals kann mit speziellen,
gebogenen Meißeln Stück für Stück bearbeitet werden. Da
das Operationsfenster meistens kleiner als die knöcherne
Veränderung ist, muss die Problemzone durch Drehung
am Bein in das Sichtfeld des Operateurs gebracht werden.
Abb.: Gezielt wird der Knochenwulst am Schenkelhals abgetragen. Diese wichtige Aufgabe übernimmt einer der 2 Assistenten, der damit dem Operateur die Möglichkeit gibt, den vollen Umfang der Veränderung zu korrigieren.
Abb.: Nach der Operation wiederhergestellte Idealkontur
Am Ende der Operation werden noch einmal Bewegungen in der Hüfte simuliert. Dabei wird überprüft, ob noch Kollisionen zwischen den Gelenkpartnern auftreten. Schließlich wird die Knochenoberfläche geglättet. Um Blutergüsse zu vermeiden wird eine Drainage eingelegt, die für mindestens 12 Stunden belassen werden sollte.
Abb. oben: Röntgenbild vor der Operation: (A) Pfannenrand-Osteophyt, (B) Schenkelhals-Osteophyt
Abb. unten: Röntgenbild nach Operation
Nach dem Abklingen der Betäubung des Beines wird der Patient von unserer Überwachungsstation, auf der er nach der Operation für einige Stunden betreut wurde, auf Normalstation gebracht. Die erste Mobilisation an Gehhilfen erfolgt noch am Abend des Operationstages.
Durch das Abtragen der „Nockenwelle“ kommt es zu einer Schwächung des Schenkelhalses, weshalb eine 6-wöchige Teilbelastung des operierten Beines mit 20 kg nötig ist. Von Impaktsportarten und schockartiger Belastung wird für den
Zeitraum von 3 Monaten dringend abgeraten. Obligatorisch ist die medikamentöse Prophylaxe gegen eine unerwünschte Gewebeverkalkung für 2-3 Wochen und gegen Thrombose solange Gehstützen benutzt werden. Nach der Operation ist eine intensive Nachbehandlung nötig. Zum einen müssen Sie als
Patient selbstständig täglich Übungen durchführen, die dann durch krankengymnastische Übungsbehandlungen und ggf. durch eine ambulante Anschlussheilbehandlung komplettiert werden.
Nach der OP müssen Sie selbst mindestens 5 x täglich für 5 Wochen maximale Bewegungsübungen machen.
Abb. 1: Hüftbeugung, Knie maximal ranziehen.
Abb. 2: Außenrotation (Knie zeigt nach außen), unterstützt
durch die gleichseitige Hand
Abb. 3: Erhalt der Außenrotation, Fußsohlen aneinander,
Knie auseinader fallen lassen.
Abb. 4: Erhalt der Überstreckbarkeit, Hüftstreckung.
Abb. 5 und 6: Scheibenwischer-Übung für Innen- und Außenrotation,
Lockerung der LWS. Becken möglichst auf dem Boden, Knie erst nach rechts, dann nach links fallen lassen.
Wenn der Gelenkverschleiß schon zu weit fortgeschritten ist, um noch eine gelenkerhaltende Operation durchführen zu können, ist ein künstliches Hüftgelenk ein Segen. Ein künstliches Hüftgelenk ist ein sicherer Weg, rasch und dauerhaft beschwerdefrei zu werden. In unserem Hause kommen nur hochwertige Prothesen zum Einsatz, welche weltweit auf dem Markt sind und mit denen die besten
Langzeitergebnisse erzielt werden. Da die Gelenkumformung die Ursache der Arthroseentstehung angeht, aber nicht den Knorpelschaden rückgängig machen kann, kann es auch nach erfolgreicher Umformung des Hüftgelenks zu erneuten Beschwerden kommen. Zu diesem späteren Zeitpunkt muss schließlich über ein künstliches Hüftgelenk nachgedacht werden. Es ist hervorzuheben, dass die Operation der Hüftumformung kein Hindernis für einen späteren, möglicherweise notwendigen Gelenkersatz darstellt.
Sollte es für eine gelenkerhaltende Operation aufgrund der fortgeschrittenen Arthrose zu spät sein, die Beschwerden jedoch noch tolerabel, so ist es wichtig durch Krankengymnastik die hüftstabilisierenden Muskeln zu kräftigen und die Beweglichkeit zu erhalten.
Abb.: verschiedene Hüftgelenk-Prothesen (Foto: Fa. DePuy)