Die Forschungsstelle veranstaltet regelmäßig Fachveranstaltungen (Konferenzen, Workshops, etc.).
Eine Besonderheit ist insofern die seit 2015 im Rahmen des Jahrestreffen der Forschungsstelle stattfindende Intensivkonferenz. Ziel dieses Formats ist es, den auf wissenschaftlichen Tagungen üblich gewordenen Vortragsmarathon zu reduzieren - mit Rücksicht auf die thematische Kohäsions- und die teilnehmerische Konzentrationsfähigkeit.
Für 2024 sind folgende Veranstaltungen geplant:
Organisatoren: Prof. Dr. Ralf Junkerjürgen, Dr. Jan-Christoph Marschelke (beide Uni Regensburg)
Veranstalter: Forschungsstelle Kultur- und Kollektivwissenschaft
Zeit: Fr, 08.11.2024, 9:30 s.t. - ca. 18 h
Ort: Altes Finanzamt, Landshuter Str. 4, 93047 Regensburg, Seminarraum 319
Anmeldung: kostenlos, bitte bis 29.10.24 an jan.marschelke[at]ur.de
Session 1: Die Kunst der Kollektivität
Session 2: Jenseits des Geniekults – ‚individuelle Kunst‘ als kollektives Produkt?
Session 3: Kollektivität als Gegenstand von Kunstproduktion und -konsum
Organisatoren: Prof. Dr. Heike Delitz (Uni Regensburg)
Förderung: Diese Veranstaltung ist Teil des DFG-Projektes "Architektonische Modi kollektiver Existenz"
Beteiligte Institutionen: DFG-Projektes "Architektonische Modi kollektiver Existenz", Forschungsstelle Kultur- und Kollektivwissenschaft, AK Architektursoziologie (in den Sektionen Kultursoziologie sowie Stadt- und Regionalsoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziogie, DGS)
Zeit: Mi/Do, 11./12.09.2024
Ort: Altes Finanzamt, Landshuter Str. 4, 93047 Regensburg, Seminarraum 319
Anmeldung: nach Möglichkeit bitte bis 01.08.24 an heike.delitz[at]ur.de
Programm/Flyer: bitte hier herunterladen
Mittwoch, 11.09.24
Donnerstag, 12.09.24
Organisation: Prof. Dr. Heike Delitz
Kooperation: mit der Sektion Kultursoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS)
Datum: 18./19.03.2024
Ort: Altes Finanzamt (ALFI), Raum 319, Landshuterstr. 4, 93047 Regensburg
Unter dem Titel eines „ontological turn“ des anthropologischen Denkens geht es Autoren wie Philippe Descola und Eduardo Viveiros de Castro um die Blickwendung ihrer Disziplin, der Kultur- und Sozialanthropologie, zum Vergleich von Ontologien. Unter Ontologie wird dabei die Konzeption der beiden Bereiche von Natur und Kultur verstanden; und die entscheidende Operation, der turn besteht darin, in den Vergleich nun die eigenen Grundbegriffe, die eigene Ontologie einzubeziehen.
Diese Denkbewegung ist paradox, da die eigene Ontologie im selben Zug gleichwohl grundlegend bleibt, in dem sie Gegenstand des Vergleichs wird; und sie verändert nicht nur die Begriffe von Natur und Kultur. Weitere, zentrale Begriffe der Kultur- und Gesellschaftstheorie (des Menschen, der Person und des Subjekts; des Sozialen und des Politischen, der Gesellschaft und des Kollektivs ) werden insofern andere, als die je ‚eigenen‘ Begriffe nun neben die anderer, außereuropäischer Denktraditionen gestellt werden.
In den Schlüsseltexten dieser vergleichenden, das europäische Denken dezentrierenden Theorieoperation werden vier divergente „Ontologien“ oder „Identifikationsmodi“ von Menschen und Nichtmenschen gegenübergestellt (Descola); oder es werden zwei ‚umgekehrt symmetrische‘ Ontologien in Bezug gesetzt (Viveiros de Castro): Der europäische „Multikulturalismus“ wird aus dem Blick des amerindianischen „Multinaturalismus“ auf neue Weise sichtbar: als Ausgang von der Universalität der Natur und der ausschließlich menschlichen Vielfalt des Kulturellen, neben dem umgekehrten Ausgang von einer allgemeinen Menschlichkeit oder Kultur (auch ‚Nichtmenschen‘ haben Kultur) und einer Vielfalt der Naturen oder der Körper. Weitere Arbeiten sind zu erwähnen, die ihrerseits darum ringen, die europäischen Grundbegriffe und Konzepte auszusetzen, um dem außereuropäischen Denken gerecht zu werden. „Wissenschaftlerinnen der westlichen Tradition können nicht erwarten, dass andere die metaphysischen Probleme des westlichen Denkens lösen“, schreibt 1988 Marylin Strathern in Gender of the Gift; und weiter: die Begriffspaare von Individuum-Gesellschaft und Natur-Kultur sind auszusetzen, um die „distinkte Natur der melanesischen Sozialität“ und ihrer Subjekte (‚Dividuum‘) denken zu können. Zu nennen ist auch Eduardo Kohn, dem es anders als Descola und Viveiros de Castro (in Wie Wälder denken) indes buchstäblich um eine Ontologie, um eine – mit den Mitteln der Anthropologie erstellte – Aussage über das ‚Sein‘ oder über Seinsarten geht.
Im Hintergrund des (durchaus umstrittenen) ontological turn liegt eine bereits vorher einsetzende Wendung der Disziplin: der ‚reflexive turn‘, oder die Writing Culture Debatte der 1980er. In Folge dieser Debatte, die eine postkoloniale Selbst-Kritik in die Kultur- und Sozialanthropologie eingeführt hat, wird jede Vorstellung eines ‚anderen Denkens‘ und ‚anderer Kulturen‘ als Projektion der eigenen Kultur, als Essentialismus und als Othering kritisiert. Im theoriegeschichtlichen Hintergrund liegt zugleich – nun positiv, als Wegbereiter und Vorgänger, das Werk von Claude Lévi-Strauss. Im ontological turn handelt es sich in der Tat – und im Anschluss an deren Schlüsselbegriff der „Transformation“ – um eine Radikalisierung der strukturalen Anthropologie.
Für die Kultursoziologie als allgemeine Theorie von Gesellschaft – als allgemeine soziologische Theorie, die kulturtheoretisch argumentiert – ist diese Theoriedebatte der Nachbardisziplin vielfach interessant.Anschluss an deren Schlüsselbegriff der „Transformation“ – um eine Radikalisierung der strukturalen Anthropologie.
Für die Kultursoziologie als allgemeine Theorie von Gesellschaft – als allgemeine soziologische Theorie, die kulturtheoretisch argumentiert – ist diese Theoriedebatte der Nachbardisziplin vielfach interessant.
Es geht erstens um außereuropäische Gesellschaften, die von Soziologinnen nicht nur klassischer Weise als ‚vormodern‘ oder ‚archaisch‘ verstanden, sondern weiter theoretisch und empirisch ignoriert werden. Insgesamt fehlt ein Interesse an der Theoriearbeit und den Forschungen in der Anthropologie. In diesem Fall erlaubt diese Theoriearbeit eine erhebliche Erweiterung des Begriffs der „Kultur“ (auch Tiere oder Pflanzen haben Kultur) und der Nachbarbegriffe (Mensch, Subjekt, Person, Akteur usw.); sie erlaubt eine allgemeine Theorie von Gesellschaft (die andere Kultur- und Gesellschaftstheorien ernst nimmt und deren Grundbegriffe einbezieht).
Zugleich wird auch die Frage der kolonialen Effekte auf außereuropäische Bedeutungssysteme bearbeitbar (die untersuchten Kultur- und Gesellschaftstheorien werden als Gegen-Anthropologien lesbar, als solche, die koloniale Erfahrungen verarbeiten). Nicht zuletzt geht es in diesen Werken auch um eine politische Ökologie, um andere Natur-Kultur-Verhältnisse und Behandlungen der Naturwesen (diese Lektüre scheint bisher im Vordergrund zu stehen, wobei Descola zudem mit Bruno Latour gelesen, und auch diesem ein ontological turn unterstellt wird). Es gibt neuere, empirische Forschungsrichtungen der Anthropologie, die an den ontological turn anschließen (z.B. eine ‚Monster-Anthropologie‘, die empirische Untersuchung der imaginären Gestalten, in die jeweils zeitgenössische Ängste projiziert werden). Ebenso lassen sich für die Kultursoziologie empirische und konzeptionelle Anschlüsse vorstellen, etwa die vergleichende Frage nach dem ontologischen Status von Artefakten und den Konsequenzen für das kollektive Leben.
Die Frühjahrstagung der Sektion Kultursoziologie 2024 wird als Lektüre-Werkstatt stattfinden: Jeder Teilnehmer, jede Teilnehmerin liest im Vorfeld die von uns zur Verfügung gestellten Auszüge aus den zentralen Texten (oder mehr, natürlich); und stellt dann zum gemeinsamen close reading je einen Text kurz vor.
Literaturgrundlage (Auswahl):
Claude Lévi-Strauss, Das wilde Denken (1962) und Mythologica I (1971)
Philippe Descola: Jenseits von Natur und Kultur, dt. 2011 (2005); ders., „Transformation transformed“, Hau 2016; In the Society of Nature, 1996 (1986) oder andere Texte
Eduardo Viveiros de Castro: From the Enemy’s Point of View, 1996; ders., Kannibalische Metaphysiken, dt. 2019 (2009), oder andere Texte
Marilyn Starthern: The Gender of the Gift, 1988; “No Nature, No Culture: The Hagen Case”, 1980
Eduardo Kohn: Wie Wälder denken, dt. 2023
(und weitere, z.B.: Roy Wagner,
Beginn: Mo, 18.03.24, 13:30 h
Ende: Di, 19.03.24, 14:00 h
Kritik:
Sekundärliteratur:
Sekundärliteratur: