Folgende wissenschaftliche Veranstaltungen hat die Forschungsstelle in den Jahren 2015-2019 ausgerichtet:
Organisator: PD Dr. Jörg Scheffer (Universität Passau)
Veranstalter: Forschungsstelle Kultur- und Kollektivwissenschaft
Zeit: 08.11.2019, 9:00-18:00 h
Ort: Universität Regensburg, Altes Finanzamt (Landshuter Str. 4, 93047 Regensburg), R 319 (ALFI 319)
Mit der digitalen Vernetzung korrespondiert die Hoffnung auf soziale Teilhabe: Jenseits des üblichen Wohnumfeldes werden Bezüge zu geographisch fernen Orten möglich, anonyme Kommunikationsformen entwerten die exkludierende Bedeutung des kulturellen Kapitals und soziale Netzwerke liefern milieufremde Anregungen.
Im Gegensatz zum Realraum, der in Abhängigkeit vom Wohnumfeld und der milieuabhängigen Alltagspraktiken eine spezifische Gelegenheitsstruktur vorgab, weitet der Cyberspace die Handlungsoptionen raumübergreifend aus. Zentrale Bedeutung kommt in diesem Prozess neuen digitalen Kollektiven zu, die sich auf zahlreichen Plattformen tagtäglich neu bilden. Sie sind kostenlos und ubiquitär erreichbar, zeichnen sich durch Offenheit und fehlende Hierarchien aus und versorgen ihre Mitglieder mit Wissen und wertvollen Kontakten. So ist der Erwerb von Sozialkapital etwa bei Facebook in zahlreichen Untersuchungen herausgestellt worden.
Während sich die unterschiedlichen Formen digitaler Kollektivität damit auf der einen Seite als Chance zur Teilhabe und zum sozialen Aufstieg verfechten lassen, betonen Kritiker auf der anderen Seite die sozial wirksamen Reglementierungen der Plattformbetreiber. Sie heben hervor, dass mit der Nutzung digitaler Informationen höchst einseitige Sozialisationseinflüsse verbunden sind, die den ökonomischen Regeln der Algorithmen der virtuellen Welt folgen. Kollektivität wird dabei von außen vorstrukturiert. Da tendenziell jede Internetaktivität eines Nutzers gespeichert und in passgenaue, personenbezogene Angebote umgewandelt wird, scheint die Kollektivzugehörigkeit in der virtuellen Welt immer mehr den individuellen Merkmalen des Nutzers zu entsprechen. Diese Einflüsse wirken auf das Handeln in physischen und sozialen Räumen zurück und könnten soziale Unterschiede und Zugehörigkeiten eher festschreiben.
Im Rahmen der Intensivkonferenz gilt es die Diskrepanz dieser zwei Ansätze herauszuarbeiten, deren Implikationen gegenwärtig auch in die politischen Diskurse um die Digitalisierung prägen. Im Mittelpunkt steht dabei die konkrete Frage, wie sich Kollektive virtuell konstituieren und welchen Nutzen der Einzelne aus ihnen ziehen kann.
Vormittag:
Nachmittag:
Organisator: Prof. Dr. David P. Schweikard (Universität Flensburg)
Veranstalter: Forschungsstelle Kultur- und Kollektivwissenschaft
Zeit: 09.11.2018, 9:00-17:30 h
Ort: Universität Regensburg, Altes Finanzamt (Landshuter Str. 4, 93047 Regensburg), R 319 (ALFI 319)
Fragen zu den Grundlagen und Formen kollektiven Erinnerns, dem Charakter des kollektiven Gedächtnisses und zu den politischen Disputen um Erinnerungspraxen innerhalb sozialer Gemeinschaften bilden seit Jahrzehnten zentrale Themen der Kulturwissenschaften. Die Themenstellung und die programmatische Ausrichtung dieser Tagung gehen vor allem von zwei Befunden aus.
Erstens findet sich kaum intensive Interaktion, geschweige denn Integration von kognitionswissenschaftlicher und sozial- bzw. kulturwissenschaftlicher Erinnerungsforschung. Zwar ist in Rechnung zu stellen, dass die genannten, sehr vage umschriebenen Theoriefelder teils stark divergierende Erkenntnisinteressen verfolgen und sehr verschiedene Methoden einsetzen, doch wäre es – so eine Hypothese für die Tagung – produktiv zu diskutieren, wo bezüglich des breiten Spektrums der Phänomene Berührungspunkte, gemeinsames Vokabular und eventuell ähnliche Argumente für einzelne Positionen entwickelt werden.
Die Vortragenden werden dazu eingeladen, aus der Perspektive ihrer jeweiligen Disziplin in die Diskussion über diese und ähnliche Fragen einzusteigen.
Zweitens liefert der interdisziplinäre Zuschnitt der Kollektivwissenschaft das am besten geeignete Forum, einen integrativen Diskurs über die genannten Fragen anzuleiten. Es gilt hier zu sehen, welche Grundbegriffe und Methoden die kollektivwissenschaftliche Theoriebildung schon bereitstellt und welche sich aus ihren Grundlagen zum Themengebiet der Tagung ergeben.
Vormittag:
Nachmittag:
Organisator: Prof. Dr. Boike Rehbein (HU Berlin)
Veranstalter: Forschungsstelle Kultur- und Kollektivwissenschaft
Zeit: 10.11.2017
Ort: Universität Regensburg, Haus der Begegnung, Hinter der Grieb 8, 93047 Regensburg
Die Soziologie der Gruppe und des Kollektivs war eine wichtige Unterdisziplin der Sozialwissen-schaften von Durkheim und Tönnies bis zum Zweiten Weltkrieg. Seither ist das Thema in den Hinter-grund gerückt – und mit ihm eine ganze Subdisziplin. Gleichzeitig ist die Frage nach dem Kollektiv in vielen Gesellschaften des globalen Südens höchst aktuell. Einerseits provoziert der Auf- und Ausbau nationalstaatlicher Institutionen die Abgrenzung und Mobilisierung von Minderheiten innerhalb des Nationalstaats, andererseits spielen ältere, lokale Formen des Kollektivs eine wichtige Rolle.
Die Tagung soll eine Brücke zwischen der europäischen Gruppensoziologie und der Erforschung von Kollektiven im globalen Süden schlagen. Dabei steht die Frage nach dem Verhältnis zwischen einem allgemeinen Gruppenbegriff und lokalen Formen des Kollektivs im Vordergrund. Gibt es allgemeine Charakteristika von Kollektiven? Wie verhalten sich die sozialen Ontologien der Regionen zu den tatsächlichen Strukturen? Ändern sich die Formen der Selbstdefinition und Abgrenzung mit den gesellschaftlichen Strukturen? Sind alle Formen des Kollektivs letztlich nur kontextuell zu verstehen?
Vormittag:
Nachmittag:
Organisatoren: Dr. Jan-Christoph Marschelke, Dr. Martin Weichold, Dr. Peter Wiersbinski, Dr. Falk Hamann
Ausrichter: Forschungsstelle Kultur- und Kollektivwissenschaft und Lehrstuhl für Praktische Philosophie in Kooperation mit dem Jungen Forums Rechtsphilosophie (JFR)
Datum: 13.-15. September 2017
Ort: Universität Regensburg, Haus der Begegnung, Hinter der Grieb 8, 93047 R
Teilnahme: kostenlos, Anmeldung bitte bis 01.09.2017 an martin.weichold(at)ur.de
Aus Sicht des sogenannten practice turn sind Recht und Moral ausschließlich oder primär soziale Praktiken. Eine entscheidende Innovation besteht darin, den Menschen nicht länger abstrakt als autonomes, vernünftiges Subjekt mit innerem moralischen Kompass zu begreifen, sondern als körperliches Wesen, das auf habituelle Weise mit lokalen sozialen und materiellen Umwelten interagiert. Hinter dem practice turn stehen verschiedene Arbeiten, z.B. von Foucault, Butler, Bourdieu, Taylor, Schatzki und Brandom. Für die Anwendung praxeologischer Konzeptionen auf Recht und Moral könnte man folgende Argumente anführen: Indem der Mensch als körperliches und habituelles Wesen begriffen werde, komme die Erklärung von Recht und Moral ohne substantielle metaphysische Vorannahmen aus. Sowohl tradierte Rechts- und Moralvorstellungen als auch traditionelle Konzeptionen von Normativität ließen sich auf dieser Grundlage kritisieren. Nicht zuletzt versprechen Praxeologien, zwischen scheinbaren Gegensätzen zu vermitteln, etwa zwischen Individuum und Kollektiv, Handlung und institutioneller wie ökonomischer Struktur, zwischen Geist und Körper.
Für andere indes führt eine Analyse von Recht und Moral als soziale Praxis in die Irre. Mit Argumenten ganz unterschiedlicher Positionen – z.B. Kant, Kelsen, Rawls oder Habermas – ließe sich kritisieren, dass sie zur sehr der Faktizität verhaftet bleibe. Praxeologische Ansätze vermengten Sein und Sollen und verlören so eine wesentliche Dimension von Recht und Moral aus dem Blick – ihre Normativität. Rechtliche und moralische Normen könnten zwar sozialtheoretisch verstanden, aber nicht mehr normativ begründet werden. Praxeologische Konzeptionen führten damit unweigerlich in den Relativismus und verlören jedes korrektive Potential. Zudem sei die Annahme eines autonomen Vernunftsubjekts unabdingbar, um an den bewährten Konzeptionen von Verantwortung und Zurechenbarkeit festhalten zu können. Das praxeologische Menschenbild tauge mithin nicht als Grundlage von Recht und Moral. Recht und Moral aus der Perspektive des practice turn: Ist das Durchbruch oder Verwirrung? Auf der Nachwuchskonferenz sollen beide Sichtweisen miteinander ins Gespräch gebracht und diskutiert werden, welche Chancen und Probleme praxeologische Zugänge zu Recht und Moral mit sich bringen. Wie genau sehen praxeologischen Konzeptionen von Recht und Moral aus? Wie lösen sie die genannten Probleme? Gibt es gute Gründe, an klassischen Positionen ganz oder partiell festzuhalten? Wir erbitten Einsendungen aus verschiedenen Disziplinen wie Rechtswissenschaft, Philosophie, Soziologie, Kulturwissenschaften, Ethnologie u.a.
Organisator: Prof. Dr. Oliver Nakoinz (Uni Kiel)
Veranstalter: Forschungsstelle Kultur- und Kollektivwissenschaft
Zeit: 18.11.2016, 10-17 h
Ort: Universität Regensburg, VG 0.04
In der Archäologie hat sich im letzten Jahrzehnt ein Paradigmenwechsel von der Archäologischen Kultur hin zum Netzwerkkonzept vollzogen. Gleichzeitig spielt der Begriff des „Kollektivs“ heute eine wichtige Rolle, allerdings losgelöst von Kulturkonzepten. Ich möchte diese Intensivkonferenz nutzen, um diesen forschungsgeschichtlichen Prozess zu hinterfragen und die Möglichkeit der Komplementarität der beiden Ansätze zu erkunden.
Netzwerke und Kollektive sind Modelle von Interaktionsstrukturen, die jeweils unterschiedliche Vereinfachungen wählen. Während manche Phänomene von beiden Modellen hinreichend abgebildet werden können, besitzt in vielen Fällen eines der Modelle deutliche Vorteile, da es dem Phänomen besser gerecht zu werden vermag. Die Modelle sind gleichermaßen substitutiv und komplementär. Einerseits kann man danach fragen, welches Konzept bestimmten Beobachtungen oder konzeptuellen Überlegungen besser angemessen ist. Andererseits bilden beide Modelle unterschiedliche Aspekte des gleichen Phänomens ab. Offensichtlich spielt der Gesichtspunkt und die Fragestellung einer Untersuchung eine zentrale Rolle bei der Auswahl des verwendeten Paradigmas, oder neutraler ausgerückt, Modells. Es ist also nicht die Frage, welches Modell moderner und zeitgemäßer ist oder in einer bestimmten Wissenschaftsgemeinschaft häufiger genutzt wird, sondern alleine, welches Modell bezüglich Fragestellung und Beobachtungen adäquater ist.
Die Komplementarität der Ansätze wird besonders bei komplexeren Interaktionsstrukturen wie Kollektivnetzen und Kollektivhierarchien deutlich, die durch Multikollektivität noch eine weitere Komplexitätssteigerung erfahren. Die kombinierte und gezielte Verwendung der beiden Grundmodelle Netzwerk und Kollektiv erschließt ein wesentlich differenzierteres Bild der Interaktionsstrukturen. Hier bahnt sich eine integratives Paradigma den Weg.
Im Feld der Begriffe „Netzwerk“ und „Kollektiv“ erscheint ein sehr wirkungsvoller und differenzierter Kulturbegriff, der sich vom traditionellen archäologischen Kulturbegriff erheblich unterscheidet und ein großes Potential für künftige Forschung birgt. Der Kulturbegriff kann somit erneut zu einem wertvollen Werkzeug der Archäologie werden.
Die, hier knapp skizzierten Fragen werden im Rahmen dieser Intensivkonferenz im Bereich der archäologischen Forschungstraditionen beziehungsweise Forscherkollektive „Steinzeit“ und „Eisenzeit“ thematisiert. Diskussionsimpulse werden sich nicht nur aus den theoretischen Standpunkten, sondern auch aus dem Gegensatz beider Forschungstraditionen, wie auch aus den archäologischen Fallstudien ergeben. Die erarbeiteten Positionen werden innerhalb der Archäologie, aber auch einem weiteren Kreis zur Diskussion gestellt.
Vormittag:
Nachmittag:
Organisatoren: Harald Zintl, Prof. Dr. Klaus P. Hansen, Dr. Jan-Christoph Marschelke
Veranstalter: Friedrich-Ebert-Stiftung Regensburg, Forschungsstelle Kultur- und Kollektivwissenschaft
Zeit: 17.06.2016, 14-18:30 h
Ort: Universität Regensburg, P.T. 3.079
Politische Probleme finden schnell Schlagworte, die Lösungen suggerieren. Für die Flüchtlings- und Migrationsproblematik heißt das derzeitige Schlagwort „Integration“. Schlagworte sind stets auch Zauberworte, die die Welt einfacher darstellen möchten als sie ist. So auch der Begriff „Integration“: Er klingt positiv und einfach und muss sich deshalb einer genaueren Betrachtung stellen.
Integration beinhaltet drei Dimensionen: Integrationsziel, Integrationstiefe und Integrationsbalance. Meint Integration soziale Fürsorge oder freundliche, wenn nicht freundschaftliche Aufnahme? Integration sollte benennen, wohin integriert werden soll: In die Gesellschaft, in die Arbeitswelt, inein Stadtviertel, in eine Hausgemeinschaft? Integration handeln mindestens zwei gesellschaftliche Gruppen aus – dieIntegration Begehrenden und die Integration Gewährenden.Obwohl beide Parteien am Ende gewinnen, muss zuerst einPreis der Anpassung bezahlt werden. Genügt es, wenn nureine Partei das tut?
Diesen drei Fragen will sich die Veranstaltung widmen und dabei wissenschaftliche Theorie mit gesellschaftlicher Praxis verbinden.Bei der Tagung kommen vier Expert_innen zu Wort, die Migration und Integration aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten werden. Direkt nach jedem Vortrag können Verständnisfragen geklärt werden. Die Tagung endet mit einer abschließenden Podiumsdiskussion.
Organisator: Prof. Dr. Georg Trautnitz (Andrássy Uni Budapest)
Veranstalter: Forschungsstelle Kultur- und Kollektivwissenschaft
Zeit: 13.11.2015, 10-17 h
Ort: Universität Regensburg, VG 0.04
Das dominierende Paradigma der Sozialwissenschaften ist – zumindest dem Wortlaut nach – noch immer der methodische Individualismus: Sämtliche Phänomene der sozialen Welt sollen demnach erklärt werden durch die Aggregation der Entscheidungen von Individuen. Diese werden dabei als autonome Akteure vorausgesetzt.
Die Kritik an diesem Paradigma betrifft einerseits die Frage, inwieweit individuelle Akteure überhaupt als eigenständig vorausgesetzt werden dürfen bzw. ihrerseits von sozialen/kollektiven Phänomenen abhängig sind, und andererseits die Schwierigkeiten, die mit dem Verfahren der Aggregation bzw. der Reduktion verbunden sind. Die grundsätzlichen Antwortstrategien auf das mit diesen Fragen benannte Mikro-Makro-Problem können als konstitutiv für das Selbstverständnis der jeweiligen sozialwissenschaftlichen Ansätze und Strömungen angesehen werden.
Als systematischen Kristallisationspunkt der Auseinandersetzung möchte die geplante Tagung die Frage entwickeln und behandeln, welche Implikationen mit der Annahme der Möglichkeit einer Interaktion zwischen zwei Individuen verbunden sind: Können in atomistischer Vereinzelung gedachte Individuen sich überhaupt von sich aus aufeinander beziehen oder sind in dieser Bezugnahme bereits gedankliche Elemente enthalten, die sich nicht mehr als Abfolge von analytisch bestimmbaren Einzelhandlungen und -intentionen verstehen lassen? Muss also mit anderen Worten der methodische Individualismus durch ein anderes Paradigma ersetzt werden?
Die Tagung möchte zur Beantwortung dieser Frage die sozialphilosophischen Ansätze zur Interpersonalität aus der Tradition des deutschen Idealismus (insbesondere Fichte, Hegel, Husserl, Weber) in Beziehung setzten zu Ansätzen der „Kollektiven Intentionalität“, die eher in der Tradition der analytischen Philosophie verankert sind.
Aus der Auseinandersetzung zwischen beiden Argumentationssträngen sind für beide Seiten wichtige Einsichten zu erwarten. Als ideales Ziel der Tagung kann aber auch die Erarbeitung der Umrisse eines neuen kollektivwissenschaftlichen Paradigmas erhofft werden.
Vormittag:
Nachmittag: