Folgende Tagung hat die Forschungsstelle in den Jahren 2020-24 ausgerichtet:
Organisatoren: Prof. Dr. Ralf Junkerjürgen, Dr. Jan-Christoph Marschelke (beide Uni Regensburg)
Veranstalter: Forschungsstelle Kultur- und Kollektivwissenschaft
Zeit: Fr, 08.11.2024, 9:30 s.t. - ca. 18 h
Ort: Altes Finanzamt, Landshuter Str. 4, 93047 Regensburg, Seminarraum 319
Anmeldung: kostenlos, bitte bis 29.10.24 an jan.marschelke[at]ur.de
Session 1: Die Kunst der Kollektivität
Session 2: Jenseits des Geniekults – ‚individuelle Kunst‘ als kollektives Produkt?
Session 3: Kollektivität als Gegenstand von Kunstproduktion und -konsum
Organisatoren: Prof. Dr. Heike Delitz (Uni Regensburg)
Förderung: Diese Veranstaltung ist Teil des DFG-Projektes "Architektonische Modi kollektiver Existenz"
Beteiligte Institutionen: DFG-Projektes "Architektonische Modi kollektiver Existenz", Forschungsstelle Kultur- und Kollektivwissenschaft, AK Architektursoziologie (in den Sektionen Kultursoziologie sowie Stadt- und Regionalsoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziogie, DGS)
Zeit: Mi/Do, 11./12.09.2024
Ort: Altes Finanzamt, Landshuter Str. 4, 93047 Regensburg, Seminarraum 319
Anmeldung: nach Möglichkeit bitte bis 01.08.24 an heike.delitz[at]ur.de
Programm/Flyer: bitte hier herunterladen
Mittwoch, 11.09.24
Donnerstag, 12.09.24
Organisation: Prof. Dr. Heike Delitz
Kooperation: mit der Sektion Kultursoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS)
Datum: 18./19.03.2024
Ort: Altes Finanzamt (ALFI), Raum 319, Landshuterstr. 4, 93047 Regensburg
Unter dem Titel eines „ontological turn“ des anthropologischen Denkens geht es Autoren wie Philippe Descola und Eduardo Viveiros de Castro um die Blickwendung ihrer Disziplin, der Kultur- und Sozialanthropologie, zum Vergleich von Ontologien. Unter Ontologie wird dabei die Konzeption der beiden Bereiche von Natur und Kultur verstanden; und die entscheidende Operation, der turn besteht darin, in den Vergleich nun die eigenen Grundbegriffe, die eigene Ontologie einzubeziehen.
Diese Denkbewegung ist paradox, da die eigene Ontologie im selben Zug gleichwohl grundlegend bleibt, in dem sie Gegenstand des Vergleichs wird; und sie verändert nicht nur die Begriffe von Natur und Kultur. Weitere, zentrale Begriffe der Kultur- und Gesellschaftstheorie (des Menschen, der Person und des Subjekts; des Sozialen und des Politischen, der Gesellschaft und des Kollektivs ) werden insofern andere, als die je ‚eigenen‘ Begriffe nun neben die anderer, außereuropäischer Denktraditionen gestellt werden.
In den Schlüsseltexten dieser vergleichenden, das europäische Denken dezentrierenden Theorieoperation werden vier divergente „Ontologien“ oder „Identifikationsmodi“ von Menschen und Nichtmenschen gegenübergestellt (Descola); oder es werden zwei ‚umgekehrt symmetrische‘ Ontologien in Bezug gesetzt (Viveiros de Castro): Der europäische „Multikulturalismus“ wird aus dem Blick des amerindianischen „Multinaturalismus“ auf neue Weise sichtbar: als Ausgang von der Universalität der Natur und der ausschließlich menschlichen Vielfalt des Kulturellen, neben dem umgekehrten Ausgang von einer allgemeinen Menschlichkeit oder Kultur (auch ‚Nichtmenschen‘ haben Kultur) und einer Vielfalt der Naturen oder der Körper. Weitere Arbeiten sind zu erwähnen, die ihrerseits darum ringen, die europäischen Grundbegriffe und Konzepte auszusetzen, um dem außereuropäischen Denken gerecht zu werden. „Wissenschaftlerinnen der westlichen Tradition können nicht erwarten, dass andere die metaphysischen Probleme des westlichen Denkens lösen“, schreibt 1988 Marylin Strathern in Gender of the Gift; und weiter: die Begriffspaare von Individuum-Gesellschaft und Natur-Kultur sind auszusetzen, um die „distinkte Natur der melanesischen Sozialität“ und ihrer Subjekte (‚Dividuum‘) denken zu können. Zu nennen ist auch Eduardo Kohn, dem es anders als Descola und Viveiros de Castro (in Wie Wälder denken) indes buchstäblich um eine Ontologie, um eine – mit den Mitteln der Anthropologie erstellte – Aussage über das ‚Sein‘ oder über Seinsarten geht.
Im Hintergrund des (durchaus umstrittenen) ontological turn liegt eine bereits vorher einsetzende Wendung der Disziplin: der ‚reflexive turn‘, oder die Writing Culture Debatte der 1980er. In Folge dieser Debatte, die eine postkoloniale Selbst-Kritik in die Kultur- und Sozialanthropologie eingeführt hat, wird jede Vorstellung eines ‚anderen Denkens‘ und ‚anderer Kulturen‘ als Projektion der eigenen Kultur, als Essentialismus und als Othering kritisiert. Im theoriegeschichtlichen Hintergrund liegt zugleich – nun positiv, als Wegbereiter und Vorgänger, das Werk von Claude Lévi-Strauss. Im ontological turn handelt es sich in der Tat – und im Anschluss an deren Schlüsselbegriff der „Transformation“ – um eine Radikalisierung der strukturalen Anthropologie.
Für die Kultursoziologie als allgemeine Theorie von Gesellschaft – als allgemeine soziologische Theorie, die kulturtheoretisch argumentiert – ist diese Theoriedebatte der Nachbardisziplin vielfach interessant.Anschluss an deren Schlüsselbegriff der „Transformation“ – um eine Radikalisierung der strukturalen Anthropologie.
Für die Kultursoziologie als allgemeine Theorie von Gesellschaft – als allgemeine soziologische Theorie, die kulturtheoretisch argumentiert – ist diese Theoriedebatte der Nachbardisziplin vielfach interessant.
Es geht erstens um außereuropäische Gesellschaften, die von Soziologinnen nicht nur klassischer Weise als ‚vormodern‘ oder ‚archaisch‘ verstanden, sondern weiter theoretisch und empirisch ignoriert werden. Insgesamt fehlt ein Interesse an der Theoriearbeit und den Forschungen in der Anthropologie. In diesem Fall erlaubt diese Theoriearbeit eine erhebliche Erweiterung des Begriffs der „Kultur“ (auch Tiere oder Pflanzen haben Kultur) und der Nachbarbegriffe (Mensch, Subjekt, Person, Akteur usw.); sie erlaubt eine allgemeine Theorie von Gesellschaft (die andere Kultur- und Gesellschaftstheorien ernst nimmt und deren Grundbegriffe einbezieht).
Zugleich wird auch die Frage der kolonialen Effekte auf außereuropäische Bedeutungssysteme bearbeitbar (die untersuchten Kultur- und Gesellschaftstheorien werden als Gegen-Anthropologien lesbar, als solche, die koloniale Erfahrungen verarbeiten). Nicht zuletzt geht es in diesen Werken auch um eine politische Ökologie, um andere Natur-Kultur-Verhältnisse und Behandlungen der Naturwesen (diese Lektüre scheint bisher im Vordergrund zu stehen, wobei Descola zudem mit Bruno Latour gelesen, und auch diesem ein ontological turn unterstellt wird). Es gibt neuere, empirische Forschungsrichtungen der Anthropologie, die an den ontological turn anschließen (z.B. eine ‚Monster-Anthropologie‘, die empirische Untersuchung der imaginären Gestalten, in die jeweils zeitgenössische Ängste projiziert werden). Ebenso lassen sich für die Kultursoziologie empirische und konzeptionelle Anschlüsse vorstellen, etwa die vergleichende Frage nach dem ontologischen Status von Artefakten und den Konsequenzen für das kollektive Leben.
Die Frühjahrstagung der Sektion Kultursoziologie 2024 wird als Lektüre-Werkstatt stattfinden: Jeder Teilnehmer, jede Teilnehmerin liest im Vorfeld die von uns zur Verfügung gestellten Auszüge aus den zentralen Texten (oder mehr, natürlich); und stellt dann zum gemeinsamen close reading je einen Text kurz vor.
Literaturgrundlage (Auswahl):
Claude Lévi-Strauss, Das wilde Denken (1962) und Mythologica I (1971)
Philippe Descola: Jenseits von Natur und Kultur, dt. 2011 (2005); ders., „Transformation transformed“, Hau 2016; In the Society of Nature, 1996 (1986) oder andere Texte
Eduardo Viveiros de Castro: From the Enemy’s Point of View, 1996; ders., Kannibalische Metaphysiken, dt. 2019 (2009), oder andere Texte
Marilyn Starthern: The Gender of the Gift, 1988; “No Nature, No Culture: The Hagen Case”, 1980
Eduardo Kohn: Wie Wälder denken, dt. 2023
(und weitere, z.B.: Roy Wagner,
Beginn: Mo, 18.03.24, 13:30 h
Ende: Di, 19.03.24, 14:00 h
Kritik:
Sekundärliteratur:
Sekundärliteratur:
Organisatoren: Prof Dr. Mark-Oliver Carl (Uni Oldenburg), Dr. Jan-C. Marschelke (Uni Regensburg)
Veranstalter: Forschungsstelle Kultur- und Kollektivwissenschaft
Zeit: Freitag, 10.11.2023, 09:30-18:00 h
Ort: Haus der Begegnung, Hinter der Grieb 8, 93047 Regensburg
Anmeldung: bitte bis spätestens 02.11.2023 an jan.marschelke@ur.de. Die Teilnahme ist kostenlos.
Die Intensivkonferenz lotet Schnittmengen, Synergien und Reibungsflächen zwischen Kognitiver Schematheorie und dem Kollektivparadigma aus. Die kognitive Schematheorie, erstmals umrissen in Kants Kritik der reinen Vernunft und ausformuliert durch den Pädagogen Piaget, gehört inzwischen zum theoretischen Inventar so unterschiedlicher Disziplinen wie der Künstlichen Intelligenzforschung, der kognitiven Anthropologie, der Lese- und Entwicklungspsychologie und diversen Literatur-, Medien- und Kulturtheorien. Eng verwandte theoretische Konzepte sind das sozial- und politikwissenschaftliche Frame-Konzept sowie das Konzept des Stereotyps. Das Zusammenspiel von Schemata und (bei der Rezeption aufgebauten oder im Gedächtnis gespeicherten) Repräsentationen einzelner Texte wurde schon in den 1930er-Jahren von Bartlett untersucht und bildet das Fundament einer lesepsychologischen Forschungstradition in der Nachfolge von van Dijk / Kintsch, die nicht nur die Critical Linguistic Studies, sondern auch viele Fachdidaktiken und ihre konstruktivistischen Modelle des Verstehen-Lernens geprägt hat. Kulturelle Varianz kognitiver Schemata steht seit dem „cultural turn“ in der Schematheorie in den 1980ern im Mittelpunkt. Eine explizite Inbezugsetzung von Kollektivparadigma und Schematheorie ist bisher jedoch kaum versucht worden.
Sie nimmt wichtige Fragen aus neuer Perspektive in den Blick: Lässt sich das kollektivwissenschaftliche Konzept der ‚Standardisierung‘ kognitionspsychologisch als Schemaetablierung bzw. kulturellen Modellaufbau fassen? Welchen Beitrag können die Kollektivwissenschaften dann zum Verständnis des individuellen Erwerbs kultureller Modelle und dessen sozialer und institutioneller Prägung leisten? Schließlich sind es regelmäßig kollektive Settings in denen Lernen im Allgemeinen und Schemaerwerb insbesondere stattfindet: Sei es die Familie, die Schulklasse oder das Seminar. Noch grundsätzlicher könnte man fragen: Welchen Beitrag leistet Kollektivität zu menschlichem Erkennen? Der Einfluss von Kollektivität ist einerseits offensichtlich, andererseits fehlt es aber an einer systematischen Auseinandersetzung damit. Ältere sozialpsychologische Ansätze wie das Konformitätsexperiment von Simon Asch wären hier ebenso konsultierbar wie die community-of-practice-Beiträge von Lave/Wenger, gerade auch in ihren aktualisierten, praxeologischen Varianten.
Bei der Diskussion dieser Fragen darf nicht vergessen werden, dass Schemata nicht unmittelbar zwischen Menschen ausgetauscht, gelehrt oder gelernt werden, sondern nur vermittels (jeweils erst zu konstruierender) Repräsentationen von Kommunikationsgegenständen, weshalb die Kommunikations- und Medienwissenschaften und ihre eigenen Kultur- und Verstehenstheorien ebenfalls in die Diskussion mit einzubeziehen sind. Gerade diese mediale Ebene scheint in den aktuellen kollektivwissenschaftlichen Publikationen noch nicht systematisch berücksichtigt worden zu sein. Noch weitergehend geht es auch um die Frage, inwieweit Kollektivität nicht selbst etwas ist, das in Form kognitiver Schemata erlernt und dann praktisch angewandt wird. Wobei Kollektivität – man denke etwa an das Zusammenspiel in Sportmannschaften – womöglich auch in einer Weise erlernt werden kann, die so körperlich ist, dass die dezidiert kognitive Schemaperspektive ergänzt werden müsste. Inwiefern dies durch Konzepte der embodied cognition in einer für die Kollektivwissenschaften sinnvoll nutzbaren Weise gefasst werden kann, ist ebenfalls zu diskutieren.
Diese Diskussionen sollen auf der Tagung im interdisziplinären Dialog zwischen Philosoph*innen, Literaturwissenschaftler*innen und -didaktiker*innen, Soziolog*innen, Kultur-, Kommunikations- und Kollektivwissenschaftler*innen geführt werden. Dabei werden in aufeinander folgenden Zeitblöcken die Themenschwerpunkte „Kollektivität und Erkenntnis“, „Schemata und Repräsentationen von Kollektiven“ sowie „Lernkollektive“ verhandelt.
(Jürgen Grimm, Wien)
Organisatoren: Prof. Dr. Frank Adloff/Dr. Philipp Degens (Uni Hamburg)
Veranstalter: Forschungsstelle Kultur- und Kollektivwissenschaft
Zeit: 18.11.2022, 09:00-18:00 h
Ort: Altes Finanzamt, Landshuter Str. 4, 93047 Regensburg, R 319
Anmeldung: Teilnahme ist kostenlos, bitte Anmeldung bis 11.11.2022 an jan.marschelke@ur.de
Hinweis: Das (zweite) konivivalistische Manifest kann hier kostenlos heruntergeladen werden.
Die Tagung soll dazu dienen, die jüngeren Debatten um die politische Philosophie des Konvivialismus bzw. das Konzept der Konvivialität aufzugreifen und für die Analyse neu entstehender, nachhaltiger Kollektivformen fruchtbar zu machen (vgl. Konvivialistische Internationale 2020). Konvivialität bedeutet in einem weiten Sinne, nicht auf Kosten Anderer (seien es andere Menschen oder nicht-menschliche Entitäten) zu leben, also die Externalisierung negativer Handlungsfolgen zu vermeiden (Adloff 2020). Hier zeigt sich ein utopisches Moment umfassender Konvivialität, welches letztlich nie erreicht werden kann, aber stetig angestrebt wird. Es lässt sich normativ eine Art Stufenmodell der Konvivialität herausschälen, welches mehrere Dimensionen umfasst. Erstens erfordert Konvivialität die Einhaltung zivilgesellschaftlicher Minimalstandards der Gewaltlosigkeit und der Toleranz von Differenzen. Zweitens bezeichnet Konvivialität Interaktionsformen der wechselseitigen Anerkennung. Wechselseitige Stereotypisierungen, Verdinglichungen und verunglimpfende Zuschreibungen Anderer werden hierbei vermieden. Drittens betont Konvivialität zivilgesellschaftliche Motive von Gleichheit und Selbstorganisation und fordert nicht-hierarchische und demokratische Organisationsformen.
Konviviale Kollektivität lässt sich einerseits als utopischer Idealtyp verstehen. Andererseits findet sie sich in spezifischen gesellschaftlichen Räumen als „reale Utopie“ (E. O. Wright) bereits präfiguriert. Zudem versuchen Zivilgesellschaft und soziale Bewegungen Anstöße für eine Gesellschaftstransformation hin zu mehr Konvivialität zu geben. Auf der Tagung wollen wir sowohl existierende präfigurative Praktiken der Konvivialität als auch die Forderungen sozialer Bewegungen nach einer großen Transformation erörtern. Die Themen sollen in drei thematischen Blöcken diskutiert werden.
Erstens sollen existierende alternativ-ökonomische Praktiken, die sich in demokratischer Ausgestaltung dem Gemeinwohl verschreiben, untersucht werden (Degens/Lapschieß 2022). Zu denken ist hier etwa an stärker gemeinschaftsorientierte Formen wie das Zusammenleben in Ecovillages, Kommunen oder neuen Wohnformen. Betrachtet werden aber auch neue Formen gemeinschaftsgetragenen Wirtschaftens, etwa in Initiativen der solidarischen Landwirtschaft oder in Food Coops sowie von Akteuren der Gemeinwohlökonomie, innerhalb derer konviviale Beziehungen erprobt werden, die nicht notwendigerweise auf engen Vergemeinschaftungsprozessen basieren.
Zweitens soll die Frage nach der Zusammensetzung konvivialer Kollektivitäten mit Blick auf „neue Kollektive im Anthropozän“ (Schroer 2020) erörtert werden. Dabei werden symbiotische Formen, Beziehungen zwischen menschlichen und more-than-human-Entitäten zum Gegenstand der Betrachtung. Hier ist etwa an Arbeiten zu multi-species commons zu denken bspw. im Rahmen ökologischer Landwirtschaft oder der Tier- und Naturrechtsbewegung (Donaldson 2020).
Im dritten Themenblock möchten wir nicht bereits existierende Verbindungen von Konvivialität und Kollektivität analysieren, sondern soziale Bewegungen als Antreiber sozialen Wandels hin zu Konvivialität betrachten. Bekannte, teils transnationale Bewegungen wie Fridays for Future oder Extinction Rebellion, aber auch Akteure des globalen Südens wie La Via Campesina, versuchen etwa, eine sozial-ökologische Transformation zu Klimagerechtigkeit und Nachhaltigkeit einzufordern und voranzutreiben. Auch hier finden sich, so die Ausgangsüberlegung, Momente konvivialer Beziehungen zwischen den Mitgliedern. Es gilt zu untersuchen, inwieweit und in welchen Bündniskonstellationen tatsächlicher sozialer Wandel in solchen transnationalen Netzwerken errungen werden kann.
Diese Themenkomplexe befassen sich allesamt mit der Suche nach neuen Formen konvivialer Kollektivität im Zeitalter des Anthropozäns und lassen sich unter diese drei Überschriften bringen:
Organisator: Prof. Dr. Volker Depkat (Uni Regensburg)
Veranstalter: Forschungsstelle Kultur- und Kollektivwissenschaft
Zeit: Fr, 19.11.21, 09:00-18:00 h
Ort: Universität Regensburg, Altes Finanzamt, R 319 sowie via Zoom (Hybridformat)
m Zuge der theoretischen Errungenschaften des "spatial turn" haben wir gelernt, Räume nicht einfach nur als physikalisch-materiell gegebene Realität zu begreifen, die den Hintergrund umreißt, vor dem soziale Interaktion stattfindet. Vielmehr sehen wir Räume inzwischen immer auch als auf reale Orte bezogene gesellschaftliche Konstruktionen an, die aus interessegeleiteten und stets kontroversen Prozessen sozialer Sinnstiftung hervorgehen.
Damit wird "Raum" zu einem Schichtungsphänomen, in dem sich naturräumlich-physikalische, politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Dimensionen komplex überlagern. Als ein solches ist Raum dann nicht länger nur der passive Hintergrund sozialer Interaktion, sondern er bringt diese immer auch ein stückweit mit hervor. Raum wird gewissermaßen zu einem Akteur eigenen Rechts, der mit dazu beiträgt, das Handeln von Individuen und Gruppen anzuleiten, zu motivieren und zu strukturieren.
Als auf 'reale' geographische Orte bezogene gesellschaftliche Sinnstiftung und kollektive Imagination wird Raum in besonderem Maße anschlussfähig an Fragestellungen der Kollektivwissenschaft. Kollektive verorten sich in Räumen, imaginieren sich als Gemeinschaft immer auch durch Räume, und beziehen ihr Handeln auf Räume. Räume werden so einerseits durch das Handeln von Kollektiven konstruiert, andererseits strukturieren sie eben dieses Handeln auch.
Im Zentrum der eintägigen Intensivkonferenz stehen Identifikationsräume gesellschaftlicher Kollektive. Sie fragt zum einen danach, welche 'realen' Räume gesellschaftliche Kollektive als Identifikationsraum reklamieren, wie sie diese als Identifikationsräume konstruieren, visualisieren und auf orientierungsgebenden „mental maps“ verorten. Zum anderen fragt die Konferenz danach, wie die als identitätsrelevant konstruierten Räume das Handeln von Kollektiven prägen.
Die Vorträge der Tagung könnten Themen behandeln wie zum Beispiel
Vormittag:
Nachmittag:
Organisatoren: Dr. Danaë Simmermacher (Uni Halle/Saale), Dr. Jan-C. Marschelke (Uni Regensburg)
Zeit: Mi, 23.09.-Fr, 25.09.2020
Ort: Online (Zoom)
Hinweis: Öffentlich sind die Plenen und die Sessions, nicht aber die Werkstatt-Sitzungen (s.u. Programm)
Tagungsflyer zum Download: hier
Menschliches Miteinander, Sozialität, Kollektivität – das funktioniert nicht, wenn jede*r nur an sich selbst denkt, wenn niemand bereit, ist Opfer zu bringen bzw. Beiträge zu leisten, ohne dafür unmittelbar belohnt zu werden. Wie aber dann? Kaum ein Wort wird zur Umschreibung der notwendigen Opferbereitschaft so häufig verwendet wie „Solidarität“ – in der Corona-Krise ist es nahezu allgegenwärtig. Warum aber sollte sich jemand solidarisch mit (oder loyal zu) anderen verhalten, wenn nicht zum eigenen Vorteil? Eine mögliche Antwort wäre: Aus einem Gefühl der Zugehörigkeit oder Verbundenheit heraus. Indes sind diese Affekte häufig sehr partikularistisch: Menschen bevorzugen Familie und Freund*innen, viele auch Landsleute oder Glaubensgenoss*innen usw. Solche Partikularismen werden sogar allgemein anerkannt: Enge Verwandte genießen Zeugnisverweigerungsrechte, und der Wohlfahrtsstaat verteilt zwar nicht exklusiv, aber doch bevorzugt an Staatsbürger*innen. Mit universalistischen Gerechtigkeitsprinzipien scheint das indes schwerlich vereinbar – und das macht Phänomene wie Solidarität und Loyalität so brisant.
Die zugrundeliegende Frage lautet: Inwiefern lassen sich Kollektivierung und kollektives Handeln rational erklären, inwieweit beruhen sie auf affektiven Prinzipien? Ihre Beantwortung hat weitreichende Implikationen für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Politik und Moral – etwa für die andauernde Debatte um gesellschaftliche Integration, die Frage nach Möglichkeiten politischer Mobilisierung oder nach Ursachen für Klientelismus und Korruption.Im Zentrum der Tagung steht der Versuch, affektive Phänomene wie Solidarität, Loyalität etc. systematisch zu bestimmen. Sind es Emotionen, Stimmungen, Dispositionen, Zustände, Ereignisse, Handlungen, Praktiken, Beziehungen, Netzwerkmechanismen, Werte oder gar Tugenden, Haltungen, sind es situative oder langfristige Phänomene etc.? In welchem Verhältnis stehen sie einerseits zu kognitiven Erklärungen und rationalen Begründungen und andererseits zu affektiven Kräften? Welche Funktionen und Konsequenzen haben sie für Kollektivierung und kollektives Handeln, welche für die Akteur*innen? Schaffen sie Integration, Kohäsion, Kooperation oder Konflikte, Dilemmata, Fragmentierung?
Mittwoch, 23. September 2020
Donnerstag, 24. September 2020
Session 1: (Moralische) Pflichten und die affektiven Elemente von Kollektivität
Freitag, 25. September 2020
Session 2: Zwischen Ritual und Strategie: Affektivität und rationales Handeln
Veranstalter: Forschungsstelle Kultur- und Kollektivwissenschaft in Kooperation mit dem Zentrum für Europäische Bildung (Universität Zagreb, Kroatien, Prof. Dr. Siegfried Gehrmann)
Zeit: 20.11.2020
-> entfällt wegen COVID-19
Sollte Englisch die globale Sprache der Wissenschaft sein, oder ist die Mehrsprachigkeit von Wissenschaft beizubehalten bzw. wiederherzustellen? Diese Frage wird kontrovers diskutiert.
Tatsächlich ist die Anglophonisierung der Wissenschaft bereits weit vorangeschritten. In zahlreichen wissenschaftlichen Disziplinen, etwa den Naturwissenschaften, den technischen Wissenschaften, der Ökonomie und der Medizin ist es geradezu zu einem anglophonen Sprachwechsel gekommen, in denen Nationalsprachen als Publikations- und Kommunikationssprachen kaum noch eine Rolle spielen. Nicht muttersprachlich anglophone Forschende, die diesen Sprachwechsel vollziehen, versprechen sich internationale Sichtbarkeits-, Partizipations- und Rezeptionsgewinne sowie Zugang zu einem weltumspannenden Wissenschafts- und Publikationsmarkt. Vorangetrieben wird diese wissenschaftssprachliche Entwicklung durch die Herausbildung der „unternehmerischen Universität“ und einer marktorientierten Restrukturierung des akademischen Feldes. Systemisch steuert diese Entwicklung auf Englisch als einzige Wissenschaftssprache zu, weil andere Sprachen die internationale Sichtbarkeit und damit auch die Markt-, Gewinn- und Aufstiegschancen im globalen Ranking der Universitäten um ein Vielfaches verringern würden. Wesentliches Steuerungsinstrument dieser anglophonen Neuausrichtung der Universität ist die Vermessung der Qualität von Wissenschaft nach Höhe ihres Impacts auf Basis von anglophon dominierten Zitationsindizes und Rankingsystemen. Den vorläufigen Schlusspunkt dieser Entwicklung bildet die zunehmende Anzahl englischsprachiger Studiengänge außerhalb des muttersprachlich englischen Sprachraums.
Dementsprechend ist ein zentrales Argument der Befürworter der Anglophonisierung die Notwendigkeit, sich an die internationalen Rahmenbedingungen einer global wettbewerbsfähigen Wissenschaft anzupassen. Schon 1986 hat Hubert Markl, der damalige Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, diesen Zusammenhang wie folgt formuliert: „Die Spitzenforschung spricht Englisch“, eine nationalsprachig verfasste Wissenschaft sei international nicht mehr wettbewerbsfähig. Daneben finden sich aber auch universalistisch gesinnte Argumente für das Englische, ermögliche es doch schon jetzt de facto auf globaler Ebene Kommunikation und Verständigung, bis hin zu der Überlegung, ob seine globale Verbreitung es nicht bereits zu kulturneutralen lingua franca gemacht habe. Zudem würden durch eine einheitliche Wissenschaftssprache solche Forschungsergebnisse allgemein sichtbar, die Mehrsprachigkeit für viele Forschenden bisher unzugänglich gemacht hätte.
Gegner verweisen auf die Hegemonialität sowohl des dieser Entwicklung zugrunde liegenden ökonomischen (und damit auch: gesellschaftstheoretischen) Modells als auch seiner regionalen bzw. nationalen Provenienz: Englisch sei alles andere als kulturneutral. Darüber hinaus werden aber u.a. auch gnoseologische Argumente vorgetragen, die – im Kontext der These von der linguistic relativity – darauf verweisen, dass Sprache mit Weltzugängen und damit Erkenntnisweisen gekoppelt sei: Einsprachigkeit bedeute eine Verknappung der Erkenntnisdimensionen, um nicht zu sagen: ihre Eindimensionalität. Schließlich sei die gesellschaftliche Frage zu stellen, wie die Kommunikation zwischen Wissenschaft und regional- bzw. nationalsprachlichen Öffentlichkeiten noch herstellbar seien, wenn jene sich endgültig anglophonisiere. Vertreter dieser Position setzen sich daher nachdrücklich für den Erhalt und die Förderung einer mehrsprachigen Wissenschaft ein.
Soweit der Istzustand des Themas. Die ihn prägenden Argumente will die Konferenz sichten und einen bisher vernachlässigten Aspekt hinzufügen, nämlich den, dass die involvierten Kollektive an den prognostizierten Entwicklungen unterschiedlich teilhaben und der Grad ihrer Betroffenheit variiert. Welche Kollektive sind das und über wie viel Handlungsmacht verfügen sie, um als Gewinner und Verlierer aus dem Ganzen hervor zu gehen? Wie ist ihr Selbstverständnis und wie argumentieren sie ihre Ansprüche?
An erster Stelle steht wohl das Kollektiv der Wissenschaftler, das in verschiedenartige Segmente aufzuteilen ist. Zu nennen wären Natur-, Geistes- und technologische Wissenschaften; Ordinarien und Mitarbeiter; Dozenten und Studierende; Herausgeber führender wissenschaftlicher Zeitschriften und Sammelwerke und über Sein und Nicht-Sein urteilende Peers. Je nach Segment und Disziplin ist man entweder Akteur oder Opfer unterschiedlicher Versprachlichungsstrategien wissenschaftlicher Publikationen – bzw. beides gleichzeitig –, wobei die Positionen entweder karrierebezogen, disziplinär oder epistemologisch begründet werden. Ein einheitlicheres Kollektiv bilden Verlagshäuser und Privatunternehmen, die Rankings und Indizes auf Basis anglophon dominierter Datenbanken erstellen, sowie Hochschulleitungen, die auf Basis dieser Daten die Internationalisierung ihrer Institutionen vorantreiben. Das mehrfach subdifferenzierte Kollektiv der Politiker spielt ebenfalls eine nicht unerhebliche Rolle, wenn es um die Sprachlichkeit der Wissenschaft resp. die Erhaltung einer nationalsprachlich verfassten gegenüber einer anglophonen Wissenschaft geht. Auch hier gehen die Bruchlinien quer durch alle Parteien und politische Ausrichtungen. Für alle diese Kollektive dürfte sich der Primat des Englischen als Weltwissenschaftssprache in den einzelnen Ländern unterschiedlich auswirken.
Die Tagung wird in folgende vier Themenblöcke unterteilt sein:
Referenten (alphabetisch):