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2022

Folgende Tagung hat die Forschungsstelle im Jahr 2022 ausgerichtet:


Intensivkonferenz

Kollektivität und Konvivialität

Organisatoren: Prof. Dr. Frank Adloff/Dr. Philipp Degens (Uni Hamburg)

Veranstalter: Forschungsstelle Kultur- und Kollektivwissenschaft

Zeit: 18.11.2022, 09:00-18:00 h

Ort: Altes Finanzamt, Landshuter Str. 4, 93047 Regensburg, R 319

Anmeldung: Teilnahme ist kostenlos, bitte Anmeldung bis 11.11.2022 an jan.marschelke@ur.de

Hinweis: Das (zweite) konivivalistische Manifest kann hier kostenlos heruntergeladen werden.


Konzept

Die Tagung soll dazu dienen, die jüngeren Debatten um die politische Philosophie des Konvivialismus bzw. das Konzept der Konvivialität aufzugreifen und für die Analyse neu entstehender, nachhaltiger Kollektivformen fruchtbar zu machen (vgl. Konvivialistische Internationale 2020). Konvivialität bedeutet in einem weiten Sinne, nicht auf Kosten Anderer (seien es andere Menschen oder nicht-menschliche Entitäten) zu leben, also die Externalisierung negativer Handlungsfolgen zu vermeiden (Adloff 2020). Hier zeigt sich ein utopisches Moment umfassender Konvivialität, welches letztlich nie erreicht werden kann, aber stetig angestrebt wird. Es lässt sich normativ eine Art Stufenmodell der Konvivialität herausschälen, welches mehrere Dimensionen umfasst. Erstens erfordert Konvivialität die Einhaltung zivilgesellschaftlicher Minimalstandards der Gewaltlosigkeit und der Toleranz von Differenzen. Zweitens bezeichnet Konvivialität Interaktionsformen der wechselseitigen Anerkennung. Wechselseitige Stereotypisierungen, Verdinglichungen und verunglimpfende Zuschreibungen Anderer werden hierbei vermieden. Drittens betont Konvivialität zivilgesellschaftliche Motive von Gleichheit und Selbstorganisation und fordert nicht-hierarchische und demokratische Organisationsformen.

Konviviale Kollektivität lässt sich einerseits als utopischer Idealtyp verstehen. Andererseits findet sie sich in spezifischen gesellschaftlichen Räumen als „reale Utopie“ (E. O. Wright) bereits präfiguriert. Zudem versuchen Zivilgesellschaft und soziale Bewegungen Anstöße für eine Gesellschaftstransformation hin zu mehr Konvivialität zu geben. Auf der Tagung wollen wir sowohl existierende präfigurative Praktiken der Konvivialität als auch die Forderungen sozialer Bewegungen nach einer großen Transformation erörtern. Die Themen sollen in drei thematischen Blöcken diskutiert werden.

Erstens sollen existierende alternativ-ökonomische Praktiken, die sich in demokratischer Ausgestaltung dem Gemeinwohl verschreiben, untersucht werden (Degens/Lapschieß 2022). Zu denken ist hier etwa an stärker gemeinschaftsorientierte Formen wie das Zusammenleben in Ecovillages, Kommunen oder neuen Wohnformen. Betrachtet werden aber auch neue Formen gemeinschaftsgetragenen Wirtschaftens, etwa in Initiativen der solidarischen Landwirtschaft oder in Food Coops sowie von Akteuren der Gemeinwohlökonomie, innerhalb derer konviviale Beziehungen erprobt werden, die nicht notwendigerweise auf engen Vergemeinschaftungsprozessen basieren.

Zweitens soll die Frage nach der Zusammensetzung konvivialer Kollektivitäten mit Blick auf „neue Kollektive im Anthropozän“ (Schroer 2020) erörtert werden. Dabei werden symbiotische Formen, Beziehungen zwischen menschlichen und more-than-human-Entitäten zum Gegenstand der Betrachtung. Hier ist etwa an Arbeiten zu multi-species commons zu denken bspw. im Rahmen ökologischer Landwirtschaft oder der Tier- und Naturrechtsbewegung (Donaldson 2020).

Im dritten Themenblock möchten wir nicht bereits existierende Verbindungen von Konvivialität und Kollektivität analysieren, sondern soziale Bewegungen als Antreiber sozialen Wandels hin zu Konvivialität betrachten. Bekannte, teils transnationale Bewegungen wie Fridays for Future oder Extinction Rebellion, aber auch Akteure des globalen Südens wie La Via Campesina, versuchen etwa, eine sozial-ökologische Transformation zu Klimagerechtigkeit und Nachhaltigkeit einzufordern und voranzutreiben. Auch hier finden sich, so die Ausgangsüberlegung, Momente konvivialer Beziehungen zwischen den Mitgliedern. Es gilt zu untersuchen, inwieweit und in welchen Bündniskonstellationen tatsächlicher sozialer Wandel in solchen transnationalen Netzwerken errungen werden kann.

Diese Themenkomplexe befassen sich allesamt mit der Suche nach neuen Formen konvivialer Kollektivität im Zeitalter des Anthropozäns und lassen sich unter diese drei Überschriften bringen:

  1. Konviviale Ökonomie,
  2. Konvivialität über Speziesgrenzen hinaus,
  3. Konvivialität transnational.

Programm

  • 09:30 h: Begrüßung und Einführung
    (Frank Adloff, Philipp Degens, Hamburg)

Session 1: Konviviale Ökonomie

  • 10:00 h: Neue Beziehungsmuster auf dem Prüfstand. Kooperation und Partizipation als Markenzeichen der Gemeinwohl-Ökonomie
    (Cornelia Kühn, Berlin)
  • 10:45 h: Tee- und Kaffeepause
  • 11:00 h: Konviviale Strukturen in der Solidarischen Ökonomie
    (Philipp Degens, Hamburg)
  • 11:45 h: „Vertrag kommt von vertragen“ – Kritik und Praxis der Vertragsförmigkeit in Alternativökonomie und Wohnprojekten
    (Bettina Barthel, HU Berlin)
  • 12:30 h: Mittagspause

Session 2: Konvivialität über Speziesgrenzen hinaus

  • 14:00 h: Natur als Partnerin? Konvivialität über Speziesgrenzen hinaus
    (Frank Adloff, Hamburg)
  • 14:45 h: Den Konvivialismus kompostieren: Gut zusammen leben, sterben und töten
    (Katharina Hoppe, Frankfurt/M.)
  • 15:30 h: Tee- und Kaffeepause

Session 3: Konvivialität transnational

  • 15:45 h: Konvivialität unter Bedingung von Transnationalisierung
    (Magdalena Nowicka, Berlin)
  • 16:30 h: Un/doing collectivity. Konvivialität und das Spiel mit den Gemeinsamkeiten
    (Jan-Christoph Marschelke, Regensburg)
  • 17:15 h: Abschlussdiskussion


  1. FAKULTÄT FÜR SPRACH-/LITERATUR-/KULTURWISSENSCHAFT

Forschungsstelle Kultur- und Kollektivwissenschaft

Altes Finanzamt (ALFI)
Landshuterstr. 4
VR 07
93047 Regensburg


+ 49 941 943-53 00
forschungsstelle.kollektiv
[at]ur.de