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2020

Folgende Tagung hat die Forschungsstelle im Jahr 2020 ausgerichtet:


20solidaritaet Tagung Flyer S1
Online-Konferenz

Einer für alle, alle für einen? Solidarität, Loyalität und andere affektive Kräfte und ihr Verhältnis zu rationalen Kollektivierungsgründen

Organisatoren: Dr. Danaë Simmermacher (Uni Halle/Saale), Dr. Jan-C. Marschelke (Uni Regensburg)

Zeit: Mi, 23.09.-Fr, 25.09.2020

Ort: Online (Zoom)

Hinweis: Öffentlich sind die Plenen und die Sessions, nicht aber die Werkstatt-Sitzungen (s.u. Programm)

Tagungsflyer zum Download: hier


Konzept

Menschliches Miteinander, Sozialität, Kollektivität – das funktioniert nicht, wenn jede*r nur an sich selbst denkt, wenn niemand bereit, ist Opfer zu bringen bzw. Beiträge zu leisten, ohne dafür unmittelbar belohnt zu werden. Wie aber dann? Kaum ein Wort wird zur Umschreibung der notwendigen Opferbereitschaft so häufig verwendet wie „Solidarität“ – in der Corona-Krise ist es nahezu allgegenwärtig. Warum aber sollte sich jemand solidarisch mit (oder loyal zu) anderen verhalten, wenn nicht zum eigenen Vorteil? Eine mögliche Antwort wäre: Aus einem Gefühl der Zugehörigkeit oder Verbundenheit heraus. Indes sind diese Affekte häufig sehr partikularistisch: Menschen bevorzugen Familie und Freund*innen, viele auch Landsleute oder Glaubensgenoss*innen usw. Solche Partikularismen werden sogar allgemein anerkannt: Enge Verwandte genießen Zeugnisverweigerungsrechte, und der Wohlfahrtsstaat verteilt zwar nicht exklusiv, aber doch bevorzugt an Staatsbürger*innen. Mit universalistischen Gerechtigkeitsprinzipien scheint das indes schwerlich vereinbar – und das macht Phänomene wie Solidarität und Loyalität so brisant.

Die zugrundeliegende Frage lautet: Inwiefern lassen sich Kollektivierung und kollektives Handeln rational erklären, inwieweit beruhen sie auf affektiven Prinzipien? Ihre Beantwortung hat weitreichende Implikationen für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Politik und Moral – etwa für die andauernde Debatte um gesellschaftliche Integration, die Frage nach Möglichkeiten politischer Mobilisierung oder nach Ursachen für Klientelismus und Korruption.Im Zentrum der Tagung steht der Versuch, affektive Phänomene wie Solidarität, Loyalität etc. systematisch zu bestimmen. Sind es Emotionen, Stimmungen, Dispositionen, Zustände, Ereignisse, Handlungen, Praktiken, Beziehungen, Netzwerkmechanismen, Werte oder gar Tugenden, Haltungen, sind es situative oder langfristige Phänomene etc.? In welchem Verhältnis stehen sie einerseits zu kognitiven Erklärungen und rationalen Begründungen und andererseits zu affektiven Kräften? Welche Funktionen und Konsequenzen haben sie für Kollektivierung und kollektives Handeln, welche für die Akteur*innen? Schaffen sie Integration, Kohäsion, Kooperation oder Konflikte, Dilemmata, Fragmentierung?


Programm

Mittwoch, 23. September 2020

  • 15:30–16:00:  Plenum: Begrüßung und Einführung durch die Organisierenden
  • 16:00–16:45:  Plenum: Digitales Kaffeetrinken in Kleingruppen
  • 17:00–18:00:  Plenum: Keynote 1 
    „Kollektive als soziale Formen wechselseitiger Affizierung“
    (Christian von Scheve, Berlin)

Donnerstag, 24. September 2020

Session 1: (Moralische) Pflichten und die affektiven Elemente von Kollektivität

  • 09:00–09:15:  „Soziale Beziehungen und moralische Pflichten – Zum normativen Status von Solidaritäts- und Loyalitätsverhältnissen“
    (David P. Schweikard, Flensburg)
  • 09:15–09:30:   „Moralische Pflichten gegenüber Gruppen“
    (Maike Albertzart, Berlin)
  • 09:30–10:00:  Diskussion
  • 10:00–10:30:  Pause
  • 10:30–10:45:  „Zwischen Identität und Diskurs: Wege zur Gemeinschaft“
    (Matthias Kaufmann, Halle/Saale)
  • 10:45–11:00:   „Zur Rationalität der Gerechtigkeit als erweiterte Loyalität.“
    (Danaë Simmermacher, Halle/Saale)
  • 11:00–11:30:  Diskussion
  • 11:30–11:45:  Pause
  • 11:45–13:15:  Werkstatt zu Session 1 – Diskussion und Festhalten der wichtigsten Ergebnisse und Fragestellungen aus Vorträgen und Diskussionen
  • 13:15–16:30:  Mittagspause
  • 16:30–17:45:  Plenum zu Session 1: Werkstattbericht und Diskussion
  • 18:00–19:00:  Plenum: Keynote 2
    „Zur leiblichen Konstitution von Kollektivität. Zugehörigkeits- und gemeinsame Gefühle in der Krise“
    (Hilge Landweer, Berlin)

Freitag, 25. September 2020

Session 2: Zwischen Ritual und Strategie: Affektivität und rationales Handeln

  • 09:00–09:15:  „Affektive Kollektivierungen und die Schwellen ‚rationaler‘ Modulationen“
    (Christian Helge Peters, Halle/Saale)
  • 09:15–09:30:   „Praxeologische Perspektiven auf den Nexus von Affektivität und Kollektivität
    (Jan-Christoph Marschelke, Regensburg)
  • 09:30–10:00:  Diskussion
  • 10:00–10:30:  Pause
  • 10:30–10:45:  „Rituelle Grundlagen rationaler Solidarität“
    (Ulf Tranow, Düsseldorf)
  • 10:45–11:15:  Diskussion
  • 11:15-11:30:  Pause
  • 11:30–13:00:  Werkstatt zu Session 2 – Diskussion und Festhalten der wichtigsten Ergebnisse und Fragestellungen aus Vorträgen und Diskussionen
  • 13:00–15:30:  Mittagspause
  • 15:30–16:45:  Plenum zu Session 2: Werkstattbericht und Diskussion
  • 17:00–18:00:  Plenum: Keynote 3
    „Das Ich im Wir. Solidarität nach dem Neoliberalismus“
    (Heinz Bude, Kassel)


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Intensivkonferenz 2020

Wissenschaftssprachen und Kollektivität – Fragen an die Sprachlichkeit von Wissenschaft in Zeiten der Globalisierung

Veranstalter: Forschungsstelle Kultur- und Kollektivwissenschaft in Kooperation mit dem Zentrum für Europäische Bildung (Universität Zagreb, Kroatien, Prof. Dr. Siegfried Gehrmann)

Zeit: 20.11.2020

-> entfällt wegen COVID-19


Konzept

Sollte Englisch die globale Sprache der Wissenschaft sein, oder ist die Mehrsprachigkeit von Wissenschaft beizubehalten bzw. wiederherzustellen? Diese Frage wird kontrovers diskutiert.

Tatsächlich ist die Anglophonisierung der Wissenschaft bereits weit vorangeschritten. In zahlreichen wissenschaftlichen Disziplinen, etwa den Naturwissenschaften, den technischen Wissenschaften, der Ökonomie und der Medizin ist es geradezu zu einem anglophonen Sprachwechsel gekommen, in denen Nationalsprachen als Publikations- und Kommunikationssprachen kaum noch eine Rolle spielen. Nicht muttersprachlich anglophone Forschende, die diesen Sprachwechsel vollziehen, versprechen sich internationale Sichtbarkeits-, Partizipations- und Rezeptionsgewinne sowie Zugang zu einem weltumspannenden Wissenschafts- und Publikationsmarkt. Vorangetrieben wird diese wissenschaftssprachliche Entwicklung durch die Herausbildung der „unternehmerischen Universität“ und einer marktorientierten Restrukturierung des akademischen Feldes. Systemisch steuert diese Entwicklung auf Englisch als einzige Wissenschaftssprache zu, weil andere Sprachen die internationale Sichtbarkeit und damit auch die Markt-, Gewinn- und Aufstiegschancen im globalen Ranking der Universitäten um ein Vielfaches verringern würden. Wesentliches Steuerungsinstrument dieser anglophonen Neuausrichtung der Universität ist die Vermessung der Qualität von Wissenschaft nach Höhe ihres Impacts auf Basis von anglophon dominierten Zitationsindizes und Rankingsystemen. Den vorläufigen Schlusspunkt dieser Entwicklung bildet die zunehmende Anzahl englischsprachiger Studiengänge außerhalb des muttersprachlich englischen Sprachraums.

Dementsprechend ist ein zentrales Argument der Befürworter der Anglophonisierung die Notwendigkeit, sich an die internationalen Rahmenbedingungen einer global wettbewerbsfähigen Wissenschaft anzupassen. Schon 1986 hat Hubert Markl, der damalige Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, diesen Zusammenhang wie folgt formuliert: „Die Spitzenforschung spricht Englisch“, eine nationalsprachig verfasste Wissenschaft sei international nicht mehr wettbewerbsfähig. Daneben finden sich aber auch universalistisch gesinnte Argumente für das Englische, ermögliche es doch schon jetzt de facto auf globaler Ebene Kommunikation und Verständigung, bis hin zu der Überlegung, ob seine globale Verbreitung es nicht bereits zu kulturneutralen lingua franca gemacht habe. Zudem würden durch eine einheitliche Wissenschaftssprache solche Forschungsergebnisse allgemein sichtbar, die Mehrsprachigkeit für viele Forschenden bisher unzugänglich gemacht hätte.

Gegner verweisen auf die Hegemonialität sowohl des dieser Entwicklung zugrunde liegenden ökonomischen (und damit auch: gesellschaftstheoretischen) Modells als auch seiner regionalen bzw. nationalen Provenienz: Englisch sei alles andere als kulturneutral. Darüber hinaus werden aber u.a. auch gnoseologische Argumente vorgetragen, die – im Kontext der These von der linguistic relativity – darauf verweisen, dass Sprache mit Weltzugängen und damit Erkenntnisweisen gekoppelt sei: Einsprachigkeit bedeute eine Verknappung der Erkenntnisdimensionen, um nicht zu sagen: ihre Eindimensionalität. Schließlich sei die gesellschaftliche Frage zu stellen, wie die Kommunikation zwischen Wissenschaft und regional- bzw. nationalsprachlichen Öffentlichkeiten noch herstellbar seien, wenn jene sich endgültig anglophonisiere. Vertreter dieser Position setzen sich daher nachdrücklich für den Erhalt und die Förderung einer mehrsprachigen Wissenschaft ein.

Soweit der Istzustand des Themas. Die ihn prägenden Argumente will die Konferenz sichten und einen bisher vernachlässigten Aspekt hinzufügen, nämlich den, dass die involvierten Kollektive an den prognostizierten Entwicklungen unterschiedlich teilhaben und der Grad ihrer Betroffenheit variiert. Welche Kollektive sind das und über wie viel Handlungsmacht verfügen sie, um als Gewinner und Verlierer aus dem Ganzen hervor zu gehen? Wie ist ihr Selbstverständnis und wie argumentieren sie ihre Ansprüche?

An erster Stelle steht wohl das Kollektiv der Wissenschaftler, das in verschiedenartige Segmente aufzuteilen ist. Zu nennen wären Natur-, Geistes- und technologische Wissenschaften; Ordinarien und Mitarbeiter; Dozenten und Studierende; Herausgeber führender wissenschaftlicher Zeitschriften und Sammelwerke und über Sein und Nicht-Sein urteilende Peers. Je nach Segment und Disziplin ist man entweder Akteur oder Opfer unterschiedlicher Versprachlichungsstrategien wissenschaftlicher Publikationen – bzw. beides gleichzeitig –, wobei die Positionen entweder karrierebezogen, disziplinär oder epistemologisch begründet werden. Ein einheitlicheres Kollektiv bilden Verlagshäuser und Privatunternehmen, die Rankings und Indizes auf Basis anglophon dominierter Datenbanken erstellen, sowie Hochschulleitungen, die auf Basis dieser Daten die Internationalisierung ihrer Institutionen vorantreiben. Das mehrfach subdifferenzierte Kollektiv der Politiker spielt ebenfalls eine nicht unerhebliche Rolle, wenn es um die Sprachlichkeit der Wissenschaft resp. die Erhaltung einer nationalsprachlich verfassten gegenüber einer anglophonen Wissenschaft geht. Auch hier gehen die Bruchlinien quer durch alle Parteien und politische Ausrichtungen. Für alle diese Kollektive dürfte sich der Primat des Englischen als Weltwissenschaftssprache in den einzelnen Ländern unterschiedlich auswirken.

Die Tagung wird in folgende vier Themenblöcke unterteilt sein:

  • Bildungsökonomie und die Sprache der Wissenschaft
  • Englisch als „Lingua franca“ einer globalisierten Wissenschaft
  • Englisch als Sprache der akademischen Lehre in Deutschland
  • Mehrsprachigkeit in der Wissenschaft und Sprachenpolitik

Programm

Referenten (alphabetisch):

  • Prof. Dr. Pavo Barišić (Universität Zagreb, Kroatien)
  • Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Finke (ehem. Universitäten Bielefeld und Witten-Herdecke)
  • Prof. Dr. Gerhard Fröhlich (Universität Linz, Österreich)
  • Prof. Dr. Siegfried Gehrmann (Universität Zagreb, Kroatien)
  • Prof. Dr. Uwe Koreik (Universität Bielefeld)
  • Prof. Dr. Phillipe van Parijs (Kath. Universität Louvain, Belgien)
  • Prof. Dr. Paul Rössler (Universität Regensburg)
  • Prof. Dr. Winfried Thielmann (TU Chemnitz)


  1. FAKULTÄT FÜR SPRACH-/LITERATUR-/KULTURWISSENSCHAFT

Forschungsstelle Kultur- und Kollektivwissenschaft

Altes Finanzamt (ALFI)
Landshuterstr. 4
VR 07
93047 Regensburg


+ 49 941 943-53 00
forschungsstelle.kollektiv
[at]ur.de