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Methoden und Projekte der AG Psychosoziale Stress- und Schmerzforschung

Quantitative sensorische Testung

Als quantitative sensorische Testung (QST) wird die standardisierte Erweiterung der klinisch-neurologischen Sensibilitätsprüfung bezeichnet. QST stellt eine standardisierte und validierte Methode dar, anhand verschiedener Subtests unterschiedliche Modalitäten der Schmerzempfindung zu messen und somit anatomische und neurophysiologische Zusammenhänge der peripheren und zentralen Schmerzleitung und -verarbeitung zu erforschen. Bei der Methode werden kalibrierte Reize auf die Haut oder tiefer liegendes Gewebe aufgebracht, um mittels thermischer und mechanischer Reize die Wahrnehmungs-, Schmerz- oder Schmerztoleranzschwellen zu bestimmen. QST erlaubt eine vollständige Erfassung der Funktion (Funktionsverlust/Funktionszunahme) aller somatosensibler Submodalitäten – von der Funktion einzelner Nervenfasertypen in der Haut (C-, Aδ- und Aβ-Fasern) bis hin zu einer zentral veränderten Schmerzverarbeitung in Rückenmark und Gehirn. In den letzten Jahren wurde deutschlandweit an verschiedenen wissenschaftlichen Zentren eine standardisierte QST-Testbatterie etabliert. Unser Labor bietet als eines der wenigen psychiatrischen Zentren in Deutschland eine komplette Messmethodik in einem eigens dafür eingerichteten Labor.

Aktuell untersuchen wir die Mechanismen der Schmerzverarbeitung bei Patienten mit somatoformen Schmerzen und psychosomatisch verwandten Störungsbildern, wie dem sog. Reizdarmsyndrom, sowie bei Schlafstörungen, depressiven Störungen und dem Burnout-Syndrom.

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Quantitativ sensorisches Testen: Darstellung einzelner Messverfahren

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Quantitativsensorisches Testen: Erhebung der Daten im Labor


Vagusnervstimulation

Neben der Möglichkeit einer medikamentösen Therapie chronischer Schmerzen haben in den letzten Jahren verschiedene sog. neurostimulatorische Verfahren therapeutisch wirksame Effekte bei betroffenen Patienten zeigen können. Hierbei werden einzelne Nerven in ihrem peripheren Verlauf elektrisch aktiviert. Bei der sog. transkutane Stimulationstechnik (t-VNS) werden afferente Fasern des Nervus vagus (R. auricularis n. vagi) im Bereich der Ohrmuschel (Cymba conchae, an der Innenseite des Tragus) stimuliert.

Derzeit untersuchen wir, ob sich durch eine zeitlich definierte transkutane Vagusstimulation das Schmerzempfinden signifikant verändert. In der Stimulationsgruppe sollen verschiedene Stimulationsparameter (Frequenzen, Intensitäten) einschließlich einer Schein-Stimulation miteinander verglichen werden. Geplant ist der probatorische Einsatz bei verschiedenen Formen von Schmerzen. Die Ergebnisse aus den derzeit laufenden Grundlagenarbeiten könnten möglicherweise die Rationale liefern für den unterstützenden klinischen Einsatz bei Patienten mit chronischen Schmerzen.

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Vagusnervstimulation: Stimulator und Ort der Stimulation

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Vagusnervstimulation: Laborplatz


Biofeedback

Bei chronischen somatoformen Schmerzen konnte in den letzten Jahren eine große klinische Überlappung mit Stress-assoziierten Störungsbildern gezeigt werden. Patienten mit chronischen Schmerzen leiden häufig unter Stimmungsschwankungen, einer raschen Erschöpfbarkeit, sowie einer erhöhten Stressreagibilität. Die Wahrnehmung von Schmerzen führt bei Betroffenen darüber hinaus oftmals zu  erhöhten physiologisch messbaren Stresssymptomen, bspw. einer erhöhten Schweißsekretion, Muskelspannung, Gefäßverengung, Herzfrequenz oder einer verschiedentlich veränderten Atmung. Die Untersuchung des autonomen Nervensystems ist daher zum besseren Grundlagenverständnis der Schmerzerkrankung äußerst wichtig. Darüber hinaus ergibt sich durch eine gezielte therapeutische Einflussnahme auf das vegetative Nervensystem die Möglichkeit einer positiven Beeinflussung des Schmerzerlebens.

In unserem Biofeedback-Labor werden die Hautleitfähigkeit als Maß für die adrenerge und somit sympathisch vermittelte Schweißsekretion, die oberflächliche Muskelspannung im Elektromyogramm, die Hauttemperatur als Maß für den peripheren Gefäßtonus, der Blutvolumenpuls als Maß für die periphere Durchblutung und die Herzfrequenz bzw. Herzratenvarianz erfasst. Die Messung der genannten Parameter erfolgt mittels geeigneter Messfühler und Elektroden einer hierfür konzipierten Apparatur. Die vegetativen Parameter werden akustisch über einen Kopfhörer bzw. visuell über einen Monitor an den Patienten „zurückgegeben“. Anschließend versucht der Patient mit Hilfe kognitiver Strategien oder Entspannungstechniken auf die psychophysiologischen Parameter Einfluss zu nehmen und bspw. erhöhten Stresstonus zu senken.

Aktuell untersuchen wir verschiedene Atemtechniken auf die Schmerzwahrnehmung. So konnten wir jüngst zeigen, daß eine bestimmte Form der Tiefenatmung eine schmerzlindernde Wirkung hat. Das Ziel ist durch die weitere Erforschung dieser und anderer behavioraler Techniken das Schmerzerleben positiv zu verändern.

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Biofeedback: Aufzeichnung vegetativer Körperfunktionen

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Biofeedback: Wiedergabe der Körperfunktionen über einen Videomonitor und Versuch einer gezielten Beeinflussung.


Facial emotional recognition

Die Ätiopathogenese chronischer Schmerzen ist komplex und noch wenig verstanden. Störungen in der Emotionsverarbeitung scheinen jedoch eine wesentliche Rolle zu spielen. Durch psychometrische undn bildgebende Verfahren versuchen wir daher Einblicke in die emotionale Verarbeitung bei Patienten mit chronischen Schmerzen zu gewinnen. Sie sollen zum besseren Vertändnis der Ätiopathogenese beitragen, sowie zu einer Individualisierung und Optimierung einer entsprechenden Therapie.

Eine dysfunktionale emotionale Verarbeitung wird seit langen bei somatoformen Schmerzstörungen berichtet. Früh gestörte soziale Bindungen scheinen eng mit einer dysfunktionalen emotionalen Verarbeitung im Sinne einer Alexithymie verknüpft zu sein. Hierbei handelt es sich um ein Persönlichkeitsmerkmal, bei dem die Wahrnehmung und Ausdrucksfähigkeit von Emotionen gestört ist. Dies hat u.U. negative Auswirkungen auf das Erleben und den Umgang mit Schmerzen. Ferner interessiert uns der Zusammenhang einer solchen emotionalen Verarbeitungsstörung mit der biographischen Erfahrung frühkindlicher Vernachlässigung bzw. Traumatisierung.

In mehreren Studien untersuchen wir zur Zeit die Ausprägung der Alexithymie bei Schmerzpatienten mit verschiedenen Methoden. Neben einer psychometrischen, fragebogen-gestützten Erfassung stehen uns dabei auch Verfahren zur Verfügung, bei welchen wir Patienten bzw. Probanden bitten, verschiedene emotionale Gesichtsausdrücke anhand über einen Videomonitor präsentierter Gesichter zu beurteilen (facial emotional recognition). Hier zeigen sich erfahrungsgemäß mehr oder weniger deutliche Unterschiede zu gesunden Normalprobanden. Die Ergebnisse können dazu dienen, in der Therapie auf Aspekte der emotionalen Verarbeitung von belastenden Begleitsumständen besondere Rücksicht zu nehmen.

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Facial Emotional Recognition: Aufzeichnung korrekt identifizierter emotionaler Gesichtsausdrücke (FEEL-Test)



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