Gastbeitrag von Stefan Lange (M. A.) in Zusammenarbeit mit dem CoVoC-T
Sie als Lehrkraft kennen es nur allzu gut. Elterngespräche gehören zu Ihrem Alltag. Von lockeren, unverfänglichen Themen in angenehmer, beschwingter Gesprächsatmosphäre bis hin zu Gesprächen über den kritischen Leistungsstand eines Schülers, einen drohenden Schulwechsel oder über Fehlverhalten im Unterricht.
Innere Haltung und Gesprächserfolg hängen eng zusammen
Nicht selten macht sich bereits vor herausfordernden oder schwierigen Elterngesprächen ein angespanntes Gefühl in uns breit. Wir stehen entsprechend bereits vorab gedanklich und auch ganzkörperlich „unter Strom“, gehen mit einem unguten Gefühl, mit einer inneren Verteidigungshaltung oder sogar in Angriffsstellung in das Gespräch. Dadurch verhalten wir uns häufig sowohl in unserer verbalen Kommunikation als auch hinsichtlich unseres Körperausdrucks (Mimik und Gestik) sowie in Bezug auf unseren Stimmklang angespannter als wir es in einer anderen Situation täten. Meist verläuft das Gespräch dadurch deutlich schlechter als beabsichtigt. Zudem gelingt es uns nur bedingt, souverän durch das Gespräch zu führen.
Diese gedankliche und körperliche Anspannung ist oftmals die Folge der inneren Grundhaltung, mit der wir in das Gespräch gehen. Kommunikationspsychologische Modelle ermöglichen hierbei einen guten Einblick, durch welche innere Gedankengänge wir uns (und den Eltern) derartige Gespräche unter Umständen unnötig erschweren. Und sie bieten erstaunlich einfache und nachvollziehbare Lösungsideen, die uns das, was wir anstreben, ermöglichen: In einen bereichernden und konstruktiven Austausch mit den Eltern zu treten, gemeinsam an einem Strang zu ziehen und das Gespräch mit dem Gefühl zu verlassen, dass der Weg in die richtige Richtung geht.
Ein sehr hilfreiches Modell ist hierfür das Modell der Functional Fluency von Susannah Temple, das eine Weiterentwicklung des Modells der Transaktionsanalyse von Eric Berne darstellt. Im Folgenden finden Sie eine Erläuterung des Modells sowie konkrete Möglichkeiten der Umsetzung in Elterngesprächen.
„Ich bin OK. Du bist OK.“ – Gelingende Kommunikation durch eine positive Grundhaltung
Das Modell der Transaktionsanalyse nach Eric Berne beruht zunächst auf der Frage, mit welcher inneren Einstellung wir unserem Gegenüber begegnen.
Gerade in Situationen, in denen wir verärgert oder frustriert über das Verhalten anderer sind und in denen wir uns im Recht fühlen, rutschen wir schnell in eine Haltung von „Ich (als Lehrkraft) verhalte mich richtig und bin OK. Dein Verhalten (als Schülerin/Schüler oder als Elternteil) ist jedoch nicht OK. Und auch Du als Person bist (folglich) nicht OK“. Unsichere Lehrkräfte hingegen, die auf selbstsichere Eltern treffen, können wiederum in eine Grundhaltung rutschen, die geprägt ist von „Ich (als Lehrkraft) bin nicht OK. Du (als Elternteil) bist OK und hast vermutlich Recht mit dem, was Du sagst“.
Auch Eltern gleiten in solchen Gesprächen manchmal in eine entweder unterwürfige oder überlegene Haltung ab.
Diese Asymmetrie führt in Gesprächen schnell in eine Sackgasse aus gegenseitigen Vorwürfen, Rechtfertigungen, (Gegen-)Argumenten und Widerständen. Dabei wäre Kommunikation auf Augenhöhe, das was sich beide Parteien wünschen, denn beide haben das gleiche Ziel: sie wollen das Beste für das Kind.
Eric Berne betonte daher, dass es sehr entscheidend ist, seine innere Grundhaltung vor (und während) Gesprächen zu hinterfragen: Nur, wenn es uns gelingt, die Person des Gegenübers als gleichwertig und somit als „grundsätzlich OK“ zu sehen, besteht die Chance auf ein gelingendes, konstruktives Gespräch, das von allen Beteiligten als bereichernd empfunden wird. Diese Haltung von „Du bist als Person grundsätzlich OK“ kann auch hierbei auch eingenommen werden, wenn unerwünschte Verhaltensweisen oder Meinungsverschiedenheiten bestehen (die nicht gleichzusetzen sind mit der generellen Gesamtperson des Gegenübers).
Aber was tun, wenn Eltern auf Krawall gebürstet sind oder uns verunsichert entgegentreten? Bereits unsere Grundhaltung von „Ich bin OK. Du bist OK“ wird den Gesprächsverlauf entscheidend (positiv) beeinflussen. Diese Haltung aufrechtzuerhalten, kann zunächst durchaus herausfordernd sein, besonders bei viel Gegenwind. Die Emotion des Gegenübers zuzulassen und gleichzeitig innere Stabilität zu bewahren („Ich bin OK. du bist OK.“), ist jedoch eine echte Chance für einen positiven Gesprächsausgang. Ein Baum der sich flexibel im Wind biegt, übersteht den Sturm eher als der starre und spröde Baum, der der Windkraft trotzt und schließlich bricht oder entwurzelt wird. Übernehmen Sie nur die Verantwortung für sich selbst und Ihre eigenen Reaktionen und lassen Sie die Reaktion des Gegenübers bei ihm. Versuchen Sie stattdessen das Bedürfnis hinter der Reaktion zu ergründen, denn jeder Mensch hat für sein Verhalten einen für sich guten Grund.
Das Functional Fluency Modell: eine Hilfestellung zur Vorbereitung, Durchführung und Reflexion
Aus der oben beschriebenen Grundhaltung „Ich bin OK. Du bist OK.“ leitete der kanadisch-US-amerikanische Psychiater Eric Berne in den 1950er- und 1960er-Jahren das Kommunikationsmodell der Transaktionsanalyse (TA) ab. Es ermöglicht sowohl die Reflexion der eigenen inneren Grundhaltung, die wir im Kontakt zu anderen einnehmen (unterschiedliche „Ich-Zustände“) als auch die Analyse der Interaktion zwischen zwei oder mehreren Personen (Was geschieht zwischen den beteiligten Personen während der Kommunikation?). Eine Erläuterung des Modells findet sich unter anderem unter www.youtube.com/watch.
Eine Weiterentwicklung des klassischen TA-Modells stellt das Modell der Functional Fluency von Susannah Temple dar. Hierbei werden innere Grundhaltungen und Verhaltensweisen skizziert (sogenannte „Modi“), die entweder als hinderlich eingestuft werden können (rote Bereiche) oder aber Grundhaltungen und Verhaltensweisen, die einen konstruktiven und (für alle Beteiligten) bereichernden Verlauf des Gesprächs fördern (grüne Bereiche). Es ist erkennbar, dass die roten Bereiche jeweils die negative Übertreibung der grünen Bereiche darstellen. Im Umkehrschluss sind die grünen Bereiche die positiven Verhaltensausprägungen der roten Bereiche. Das Ziel ist es also mithilfe der positiven Grundhaltung ausgeglichen im grünen Bereich handeln zu können.
Der Begriff „Functional Fluency“ verdeutlicht, dass wir in der jeweiligen Situation „fließend“ und je nach Erforderlichkeit innerhalb des Gesprächs flexibel auf das eingehen, was im gemeinsamen Austausch entsteht und was in der Situation und im Prozess stimmig und hilfreich erscheint. Hierzu nutzen wir gezielt die grünen und blauen Bereiche (Modi) und bemühen uns, nicht in die roten Modi zu rutschen.
Die Grundhaltungen und Verhaltensweisen des „Functional Fluency – Modells“ in Anlehnung an Eric Berne, Susannah Temple u. Jutta Kreyenber
dominierender Modus
| überfürsorglicher Modus
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überangepasster Modus
widerspenstiger Modus
| unreifer Modus
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strukturgebender Modus
| unterstützend-fürsorglicher Modus
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kooperierender Modus
| spontaner Modus
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Das Gegenüber und den gemeinsamen Gesprächsverlauf wahrnehmend. Angemessen, achtsam und flexibel auf das Gegenüber und die Erfordernisse der Situation eingehend. |
Als Lehrkraft haben Sie basierend auf dem Modell die Möglichkeit, sich bereits vor dem Gespräch in eine Haltung des „Ich bin OK. Du bist OK“ zu begeben und sich während des Gesprächs in den grün markierten Bereichen (Modi und Verhaltensweisen) zu bewegen. Auch nach dem Gespräch können Sie für sich reflektieren, in welchen Modi Sie sich bewegt haben und ob Sie nur im „grünen“ Bereich geblieben oder vielleicht doch in den „roten“ Bereich gerutscht sind und ob ein anderer Modus hilfreicher gewesen wäre. Damit bereiten Sie sich automatisch auf jedes weitere Gespräch vor – auch mit anderen Gesprächspartnern – und wissen wie Sie es beim nächsten Mal machen wollen.
Das Modell zeigt eine Vielzahl an hochflexiblen Verhaltensoptionen (grüne Bereiche) auf, die allesamt gelungene Elterngespräche fördern und erfahrungsgemäß die Zufriedenheit mit den Ergebnissen des Gesprächs auf allen Seiten erhöhen: aus Sicht der Lehrkraft, der Eltern und der Schülerinnen/Schüler. Der reflektierte Umgang mit den Modi und ihren Verhaltensweisen hilft dabei konstruktiv, klar, direkt und gleichzeitig offen, zugewandt und wertschätzend in Austausch treten. Zudem eröffnen die grünen Modi die Chance auf einen Perspektivwechsel aller Beteiligten:
Und noch ein Hinweis: Die Grundhaltungen und Modi lassen sich 1:1 auf jede sonstige Kommunikationssituation übertragen und somit auch auf die Gespräche zwischen Ihnen als Lehrkraft und Ihren Schülerinnen und Schülern.
Die Theorie in die Praxis umsetzen – fünf konkrete Tipps!
Weiterführendes zur Vertiefung:
Einführungsvideo: www.youtube.com/watch
Website: https://functionalfluency.com/
Literatur:
Kreyenberg, J. (2013). Ich-Zustände - vertraut und doch fremd. Ich-Zustände und Funktional Fluency. In H. Raeck (Hrsg.), Menschenbilder. Das Fremde und das Vertraute. Lengerich: Pabst.
Meier, T. (1994). Anwendung der Transaktionsanalyse (TA), Theorie und Praxis in der Schule. Zürich: Verlag Lehrerinnen und Lehrer der Schweiz (LCH).
Stewart, I. & Joines, V. (2000). Die Transaktionsanalyse. Eine Einführung. Breisgau: Herder.
Temple, Susannah, 2002, Functional Fluency, Zeitschrift für Transaktionsanalyse 4/2002, S. 251 – 269
Temple, Susannah, 2007, Das Functional-Fluency-Modell in der Pädagogik, Zeitschrift für Transaktionsanalyse 1/2007, S. 76 – 88
Temple, S. (2015). Celebrating Functional Fluency and Its Contribution to Transactional Analysis Theory. Transactional Analysis Journal, 45 (1), 10-22.
Temple, S. (1999). Functional Fluency for Educational Transactional Analysts. Transactional Analysis Journal, 29, 164-174.