Auf die Frage, welche Farbe der Schnee hatte, wird man am häufigsten die Antwort „weiß“ erhalten, die sicherlich in der subjektiven Wahrnehmung richtig ist. Die Literatur und Kunst halten hingegen eine breite Palette an Farbvarianten bereit. Physikalisch betrachtet, muss man zu einem anderen Ergebnis kommen:
Schneekristalle sind aus Wasserdampf resublimierte Eiskristalle, die wie Eiszapfen oder Wasser farblos sind. Für das andersartige Erscheinen sorgt jedoch der Aufbau des Schneekristalls: Das Licht tritt auf der einen Seite des Kristalls ein und wird mehrfach durch seine komplexe Struktur gebrochen, so dass das Licht in all seinen Spektralfarben zerlegt (wie bei einem Prisma) wiederaustritt. Da alle Farbspektren gleichermaßen reflektiert werden, erscheint die Summe dieser einzelnen Farben für unser Auge weiß.
Je frischer und feiner der Schnee ist, umso mehr Brechungen und Ablenkungen des Lichts finden innerhalb eines Kristalls statt, bevor es wieder austritt. Dies ist auch der Grund, warum Neuschnee weißer wirkt als Altschnee, bei dem sich die Kristalle sind durch Gewicht und Sinterungsprozesse verändern und eine „rundere“, gröbere Struktur einnehmen, die nicht mehr eine derart große Vielfalt an Lichtbrechungen zulassen. (Dieses Phänomen kann auch wetterunabhängig z. B. bei Zucker beobachtet werden: Puderzucker reflektiert durch seine staubartige Konsistenz das Licht besser als der gröbere Kristallzucker, der bei genauem Hinsehen aus durchsichtigen Teilchen besteht. Haben Sie darüber schon einmal beim Plätzchenbacken nachgedacht?)
Das hohe Reflexionsvermögen des Schnees ist dafür verantwortlich, dass die Gefahr eines Sonnenbrands oder einer Schädigung des Auges recht hoch ist. Meteorologen messen das Rückstrahlvermögen des Schnees in Albedo, an seiner „Weißheit“, wie der Name der Norm verrät.
Auch für die weiße Farbe der Wolken sorgen die Schneekristalle: Eine Wolke bietet in ihren höheren Regionen die tiefste Kälte, so dass dort die vorhandenen Eiskristalle das Licht weiß zurückwerfen. Die Unterseite einer Wolke ist deshalb dunkel, weil sie sich zum einen im eigenen Schatten befindet, zum anderen sich dort auch mit zunehmender Temperatur sublimierte Wassertröpfchen sammeln, die weniger Streuvermögen als die Kristalle besitzen.
Die besondere Kristallstruktur des Schnees erklärt ebenfalls ein Lichtbrechungsphänomen – ähnlich dem des Regenbogens: den Halo.
Scheint auf eine geschlossene Schneedecke die Sonne, so wird unser Auge neben der „weißen“ Pracht ein Funkeln und Glitzern wahrnehmen, das bisweilen einzelne Spektralfarben annehmen kann. Einzelne Schneekristalle sind innerhalb der lockeren Schneedecke so in ihrer Fläche ausgerichtet, dass sich das auftreffende Sonnenlicht für den Betrachter wie in einem Spiegel reflektiert. Diese optimale Ausrichtung für einen Glitzereffekt nehmen nur einzelne Kristalle für den Betrachter in einer Schneedecke ein. Da diese jedoch aus einer Vielzahl von Kristallen besteht, finden sich genügend Kristalle, die diese Voraussetzung erfüllen – und mit jeder Positionsänderung des Betrachters bieten wiederum andere Kristalle diesen Effekt.
Es mag nun wie ein Widerspruch zum vorher Beschriebenen anmuten, wenn Schneelöcher oder tiefe Gletscherspalten das Eis, das einst Schnee war, leuchtend blau erscheinen. Der Grund ist in den chemischen Bindungen des Kristallgitters zu suchen. Diese reflektieren nicht mehr gleichmäßig wie feiner Pulverschnee das Licht, sondern wirken durch ihre höhere Dichte wie ein Farbfilter, der nur mehr das kurzwellige blaue Licht zurückwirft, während alle anderen Spektralfarben resorbiert werden. Dieser Effekt verstärkt sich, wenn die Sonnenstrahlen nicht mehr direkt eindringen können. Es handelt sich daher nicht um eine echte Färbung des Schnees, sondern um eine selektive Absorption des Lichts.
Um echte Einfärbungen handelt es sich, wenn in der Natur Flecken von gelbem, rotem und grünem Schnee auftreten, die von Schneealgen herrühren. Aufregung haben die Einzeller (Chlamydomonas nivalis) verursacht, die sekundäre Carotinoide (Astaxanthin) bilden, um sich vor starker UV-Strahlung auf den Gletschern zu schützen. Mit ihren zwei Geißeln schwimmen sie bei Schneeschmelze im Frühjahr in die obersten Eisschichten und sterben dort nach der Absonderung von Sporen ab, die den Schnee rosa bis rot färben. Diese Sporen können bis -196°C überwintern und treten daher auch in tiefsten arktischen Regionen auf. Diese Überlebenskünstler liefern mit ihren Sporen Nahrung für Bakterien, andere Einzeller, Pilze oder den Gletscherfloh und bilden so den Anfang der Nahrungskette in dem eisigem Lebensraum. Die roten Flecken regten die Phantasie von unerfahrenen Bergsteigern an, die in dem „Blutschnee“ ein Indiz für ein Verbrechen sahen.
Als weitere natürliche Einfärbungen des Schnees sind ferner nicht-biologische Ursachen wie Vulkanasche oder roter Wüstenstaub zu nennen.
Die Oberpfälzer haben sich jenseits einer naturwissenschaftlichen Erklärung, warum der Schnee weiß aussieht, eine eigene märchenhafte Wahrheit zurecht gelegt:
Als Gott die Welt erschuf, machte er als Letztes den Schnee. Da bereits alle Farben besetzt waren, schickte er den Schnee los, um sich selbst eine Farbe suchen. Schließlich „fresse er ja alles“. Die Blumen und Gläser wollten jedoch nicht mit dem Schnee ihre Farbe teilen. Traurig setzte sich der Schnee neben ein Schneeglöckchen und klagte sein Leid: Er möchte nicht, dass sich die Menschen vor ihm ängstigen, weil er unsichtbar wie der Wind sei. Da hatte das Schneeglöckchen Mitleid und bot ihm seine Blütenfarbe an. Der Schnee ist seitdem allen anderen Blumen und Gräsern feindselig gesonnen, nur dem lieben Schneeglöckchen nicht ...