Auch wenn sich die Maria-Schnee-Legende nicht in der Oberpfalz zugetragen hat, zeugt das Patrozinium für acht Kirchen und Kapellen im Bistum Regensburg für die außerordentliche Beliebtheit der wundersamen Geschichte.
Im vierten Jahrhundert weihten der römische Patrizier Johannes und seine Frau ihr ganzes Vermögen der Mutter Gottes, da sie keine Kinder bekommen konnten. In der Nacht zum 5. August erhörte die Jungfrau die Bitten des Ehepaars und erschien beiden im Traum: Sie sollten an der Stelle eine Kirche errichten, an der Schnee gefallen wäre. Das Wunder trug sich auf dem Esquilin zu, der trotz großer Sommerhitze teilweise von Schnee bedeckt war. Der römische Bürger berichtete Papst Liberius von seinem Traum und dem Schneewunder. Jenem hatte in der Nacht Maria den gleichen Auftrag erteilt. Er suchte also die schneebedeckte Stelle auf und steckte den Platz für eine Kirche ab, die von dem Ehepaar errichtet werden sollte. Später wurde der ursprünglich Bau von Sixtus III. in Form einer bedeutenden Basilika erneuert, die unter dem Namen Santa Maria Maggiore bekannt ist.
In der römischen Patriachalbasilika Maria Maggiore wurde diese Legende in einem Gemälde von Masolino da Panicale (1383-ca. 1440), das Teil des Polyptychons (Pala Colonna) war und sich heute im Museo di Capodimonte in Neapel befindet, dargestellt. Noch heute führt die Basilika den Namen „Santa Maria ad Nives“, obgleich die wunderbare Erzählung durch archäologische Befunde historisch nicht haltbar ist. Papst Benedikt XIV. wollte daher die Maria-Schnee-Legende als dritte Lesung für den 5. August aus dem Brevier streichen, was allerdings erst nach dem 2. Vatikanischen Konzil realisiert wurde. An dem Gedenktag von Maria Schnee fallen noch heute in Maria Maggiore weiße Blüten während der zweiten Vesper von Decke herunter: Dieser frühchristliche Brauch, an Gedenktagen Blüten zu streuen, führte vermutlich im Mittelalter in Unkenntnis über den Ursprung dieses „Blütenschnees“ dazu, dass die Maria-Schnee-Legende entstand.
Unter dem Patrozinium „Maria Schnee“ sind im Bistum Regensburg acht Kirchen und Kapellen zu anzuführen. Am bekanntesten ist sicherlich die Wallfahrtskirche Maria Schnee in Aufhausen und die Kapelle Maria Schnee in der Heiliggeistgasse, Regensburg. Wie in den meisten der 300 Maria Schnee-Kirchen und -Kapellen Europas ist das Gnadenbild aus Maria Maggiore (sog. „Salus populi Romani“ in der Cappella Paolina, das von dem Evangelisten Lukas gemalt sein soll), oder ein Gemälde des Schneewunders auf dem Esquilin nicht anzutreffen.
Irrtümlich wurde durch eine Votivtafel aus dem Ersten Weltkrieg („Ebert’sche Votivtafel“) in Aufhausen die Wiederholung des Schneewunders vermutet. Aus Dank, dass ein plötzlicher Schneesturm das Trommelfeuer an der deutsch-französischen Front verhindert hatte, stiftete ein Überlebender in Dankbarkeit eine Votivtafel, auf der unter der Darstellung der Aufhausener Madonna dichtes Schneetreiben zu sehen ist.
Tatsächlich sind aber Hinweise auf die römische Legende in der Oberpfälzer Wallfahrtskirche zu finden: Eine Votivtafel und ein Kuppelgemälde zeigen die Lukas-Madonna von Maria Maggiore. Auf der zentralen Deckenkuppel ist das römische Stifterehepaar mit dem Bauplan für die Aufhausener Kirche zu sehen. Mit Fantasie lässt sich der silberne Wolkenkranz zu Füßen des Aufhausener Gnadenbilds als Schnee deuten.
Als Motivation, das Marianische Haus unter das Patrozinium der Maria Schnee zu stellen, nennt der Aufhausener Pfarrer Johann Georg Seidenbusch (1641-1729) drei Gründe:
Erstens: Wie der Patrizier Johannes verwendete Seidenbusch auch sein Vermögen zur Errichtung der Kirche.
Zweitens: Da sich die erste Verehrungsstätte des Aufhausener Gnadenbilds an der Stelle einer Krippe in einem hölzernen Stallanbau befunden hatte, zog Seidenbusch die Analogie zu dem Beinamen der Basilika Maria Maggiore „Santa Maria ad praesepe“, wo in einem Reliquienschrein Überreste der Krippe verehrt werden.
Drittens: Wie in Rom befindet sich in Aufhausen die Verehrungsstätte auf einem Hügel.