In früheren Zeiten bedeuteten Schneemassen vor allem für die Landbevölkerung Abgeschiedenheit und einen Engpass in der Lebensmittelversorgung. Die Kalenderminiaturen in spätmittelalterlichen Stundenbüchern geben eindrucksvoll das damalige Leben in Schnee und Kälte wieder. Um überzähliges Vieh nicht über den Winter durchfüttern zu müssen, wurde der Bestand verringert, zumal die Bevorratung von Fleisch und Wurst bei niedrigen Temperaturen für einen längeren Zeitraum unproblematisch war. So verwundert es nicht, dass in die Ikonographie der Kalenderausstattung für den Monat Dezember die Schlachtung von Vieh bei Schneetreiben Eingang fand.
Eine geschlossene Schneedecke kann aber auch für die Versorgungssituation hilfreich sein: Die Pflanzen werden vor Frost geschützt und verräterische Spuren im Schnee zeigen Jägern wie Hunden die Fährte auf.
Die Winterszeit wird und wurde genutzt, Waldarbeiten durchzuführen, da ein gefrorener Boden die Befahrbarkeit erleichtert. Ein Abtransport von gefällten Baumstämmen mittels eines Schlitten war an abschüssigen Hängen gefährlich, wie auch ein Bespiel aus dem Regensburger Umland belegt.
Marterlsprüche, die heute in ihrer sprachlichen Verdichtung und Direktheit oftmals kurios erscheinen, zeugen von der Gefährlichkeit der Lawinen in alpinen Regionen:
Der eine fällt von einem Fels hinunter,
(Paganini: S. 104)
der andre findt‘ in einem Bach sein Grab,
es kommt der Tod, er scheut kein Zeit und Ort,
uns riß die Lawine fort.
Hier ruht der Anton Kofner,
(Paganini: S. 123)
Die Lawine traf ihn halt,
jetzt ist er kalt.
Letztendlich ist das Verhalten des komplex gebauten Schneekristalls innerhalb einer Schneedecke verantwortlich, dass Schnee zur existentiellen Bedrohung durch Lawinen oder Ablösung von Schneebrettern werden kann.
Die losen Kristallaggregate, die durch Anfrieren oder Verhaken an den Dendriten Schneeflocken entstehen lassen, bewirken die lockere Struktur des Schnees, die Kinder einlädt, sich begeistert fallen zu lassen und auf diese Weise eine künstliche Verdichtung herbeizuführen. Erreicht Schnee durch natürliche oder mechanische Einwirkung eine höhere Dichte, so ändert sich die Struktur des Schneekristalls: Die Dendriten brechen durch Druck und es wachsen eher rundliche Kristalle zusammen, die den Schnee festigen. Aus Neuschnee wird Altschnee, aus Altschnee Firn und schließlich (Gletscher-)Eis, wobei in letzter Stufe nur noch einfache Kristallmorphologien vorkommen.
Neuschnee enthält bis zu 95% Luft, Firn hingegen 45%. Treffen nun zwei Schichten Schnee in unterschiedlicher Beschaffenheit aufeinander, kann der Neuschnee nur losen Zusammenhalt durch peripheres Zusammenwachen bieten: Er kann keine stabile Verbindung zu älteren Schneeschichten aufbauen.
Ebenso kann auch eine Kristallneuausformung die Lawinen- oder Schneebrettgefahr erhöhen: In einer Schneedecke sind unterschiedliche Temperaturen zu verzeichnen. Bodennah herrschen konstant Null Grad, während die Oberfläche durch Abstrahlung und eisigen Wind wesentlich kälter ist. Der Temperaturgradient bewirkt, dass in den Poren Wasserdampf aufsteigt und die Schneekristalle ihre Form, die sie in den Wolken ausgebildet haben, aufgeben und sich durch Sublimation nach unten wachsende Kristalle, sog. Becherkristalle, bilden. Diese bieten durch ihre Struktur kaum Möglichkeiten für einen stabilen Verbund, so dass auch hier eine Schwachschicht entsteht. Da infolge dieser Metamorphose der Kristall nach oben sublimiert, liefert er Wassserdampf für neue Kristallumbildungen nach oben: Schleichend verändert sich die Mikrostruktur einer Schneedecke.
Der Zusammenhalt von Schneekristallen kann aber auch jede Menge Freude bereiten: Selbst wenn uns bildliche Darstellungen erst seit dem 15. Jahrhundert überliefert sind, dürfen wir annehmen, dass das Vergnügen an einer Schneeballschlacht schon wesentlich länger währt. Der Zusammenhalt von Schneekristallen resultiert nicht, wie einst früher vermutet, durch eine „Druckschmelze“, sondern durch einen Sinterungsprozess, in dem die Kristalle ohne Schmelzprozess zusammenwachsen können. Da der Sinterungsprozess etwas unter Null Grad abläuft, lassen sich die Schneekristalle am besten bei Temperaturen um den Gefrierpunkt zu einer Kugel pressen. Bei tiefen Temperaturen kann man diesen Sinterungsprozess bei beschleunigen, indem durch Wärmezufuhr (also Handschuhe ausziehen) die Schneekristalle schneller zum Sinterungspunkt gebracht werden. Zudem verleiht die dabei entstehende hauchdünne Eisschicht dem Schneeball Stabilität. Eine thermo-physikalische Überlegung, die flämische Kinder im 16. Jahrhundert sicherlich nicht anstellten, aber dennoch praktisch anzuwenden wussten ...