Auch die Regensburger konnten sich der Faszination der weißen Pracht nicht entziehen: Der touristische Skisport Niederbayerns und der Oberpfalz nahm seinen Anfang als Wochenendvergnügen unternehmungslustiger Städter noch vor dem Ersten Weltkrieg. Da das kontinentale Klima, insbesondere der „Böhmische Wind“ als eisiger Ostwind, zumindest damals für tiefe Temperaturen und reichlichen Schneefall sorgte, konnte man sich auf die Wettervorhersage verlassen: „Dreiviertel Jahr Winter und einviertel Jahr kalt, so ist das Leben im Bayerischen Wald“. (Gattermann: S. 14) Der Arber, der als sicheres „Schneeloch“ galt, zog als Hausberg die Skibegeisterten aus Regensburg und seiner Umgebung an. Das raue Klima des Bayerwalds, das für seine Bewohner früher existentielle Not und Abgeschiedenheit bedeutete, wurde durch den neuen Freizeitvertreib zum Garanten für florierenden Fremdenverkehr. Die einst gefürchteten Schneemassen wandelten sich zur willkommenen Notwendigkeit für den Sportbetrieb. Die winterliche Isolation entlegener Dörfer fand ihr Ende in dem Bestreben, Straßen schnee- und eisfrei zu halten, um die Touristen mit Omnibussen transportieren und deren leibliche Versorgung gewährleisten zu können.
Die Wurzeln des Skifahrens im Bayerischen Wald sind allerdings nicht in dem Sportfieber der Städter zu suchen, sondern in zaghaften und praktisch ausgerichteten Versuchen, sich einen schnelleren Weg durch die Schneemassen zu bahnen. Seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erreichten Deutschland immer wieder Berichte, dass nordische Völker auf Brettern durch den Schnee fahren. (Die Kunde von hölzernen Fortbewegungsmitteln gab es bereits schon zu früheren Zeiten, wurde jedoch durch das Fehlen weiterer Informationen und Anschauungsmaterialien missverständlich interpretiert.)
Im 19. Jahrhundert brachten norwegische Forststudenten ihre Skier mit, die mit großer Verwunderung bestaunt wurden. Die ersten Bemühungen um 1840/50 im Riesengebirge verhallten jedoch rasch. Obgleich für diese Zeit in Zwiesel ebenfalls norwegische Forststudenten auf Skiern belegt sind, zeigten sich als Erste sauerländische Förster um 1880 experimentierfreudig.
Der Glasfabrikant und Gutsbesitzer Reichsritter Ferdinand von Poschinger auf Buchenau erkannte den Nutzen dieser neuen Fortbewegungsart und bestellte 1890/91 in Kristiania (Oslo) für seine Förster und Jäger die 3,30m langen Skier, die damals als „Schneeschuhe“ bezeichnet wurden, was heutzutage bisweilen missverstanden wird. Vor der Verwendung eines Skis hatten sich die Bayerwaldbewohner mit sog. Schneereifen oder Trittlingen (seit 1585 für den Gebrauch im Bayerischen Wald belegt) beholfen. Diese konnten rund oder eckig und mit Leder oder Fell bespannt sein, also eher eine Art Schneeschuh nach unserem heutigen Sprachgebrauch. Diese „Hatschbrettl“ sollten noch lange von der Bevölkerung benutzt werden, war doch das gezielte Vorankommen mit den langen Skiern in bergigem Gelände nicht einfach. Ein Originalpaar dieser „Poschinger Brettln“ hat sich erhalten und ist im Passauer Oberhausmuseum zu bestaunen.
In dem gleichen Jahrzehnt, als sich die Poschinger Förster auf den Brettln versuchten, experimentierten die „Väter des Skilaufs“ und stritten leidenschaftlich über die richtige Fahrtechnik sowie Ausrüstung: Wilhelm Offermann, Wilhelm Paulcke, Viktor Sohm, Max Kleinoscheg und der aufbrausende Mathias Zdarsky, der sich durch sein loses Mundwerk und seine Rechthaberei sogar eine Aufforderung zum Duell einhandelte. Weit verbreitet war der Einsatz eines Stocks, der sich alternativ nach unten ruderförmig verbreitern konnte (das sog. Skiruder). Daneben konnte der lange Stock mit einer Spitze aus Stahl und einem abnehmbaren Messer versehen sein, um Äste abzuschlagen. Immer wieder ist in Anleitungen aus dieser frühen Phase des Skilaufs zu lesen, dass man sich bei zu schneller Geschwindigkeit nach hinten auf den Stock zum Abbremsen setzen sollte, was den Skipionieren den Spott einbrachte, sie sähen wie besenreitende Hexen aus. Auch war es empfohlene Praxis, sich bei zu großer Geschwindigkeit zum Abbremsen in den Schnee zu werfen. Zdarsky punktete mit einer Schwungtechnik, um eine Abfahrt an steilen Hängen bewerkstelligen zu können: An Entschlossenheit und Mut stellt das Bogenfahren auf steilen, viele hunderte Meter hohen Hängen, besonders wenn auch Hindernisse vorhanden sind, die denkbar höchsten Anforderungen. Eine noch größere Mutprobe in sportlicher Beziehung ist mir nicht bekannt. Sobald wir diese Übung auf exponierten Stellen beherrschen, überfällt uns ein Freudenrausch.
(Zdarsky: S. 65.) Neben den Forstleuten übten sich auch etliche Postboten fleißig im Skilauf, die in einer Liste erfasst wurden, um nach starkem Schneefall unzugängliche Ort mit Nachrichten versorgen zu können.
Als 1891 Fridtjof Nansens Buch: „Auf Schneeschuhen durch Grönland“ 1891 in deutscher Übersetzung erschien, erreichte die Faszination für diese neue Fortbewegungsart die breite Masse. Hatten sich zuerst lediglich die Postboten, Forstleute, Jäger und Grenzsoldaten zur Bewältigung ihrer Aufgaben des neuen Fortbewegungsmittels bedient, boomte nun regelrecht das Interesse am Skilauf. Der Wagemut des Norwegers hatte bereits ein Jahr zuvor bei seiner Durchquerung Grönlands als mediales Ereignis weltweite Aufmerksamkeit erregt. Seine Empfehlung, die Kanten der Skibretter mit Eisen zu beschlagen, um die Abnutzung zu verringern und die Geschwindigkeit zu erhöhen, griff 1894 der Forstbeamte Hauenstein bei Herzogsreuth auf. Ebenso experimentierte dieser (wie viele andere, z. B. Zdarski) an einer für alpines Gelände tauglichen Bindung. Bereits im letzten Jahrzehnt vor der Jahrhundertwende stellten im Bayerischen Wald mehrere findige Wagnermeister eigene „Rutschbrettln“ her, die nur etwa ein Viertel der norwegischen Skier kosteten.
Auch das Militär hatte den Bewegungsvorteil auf Skiern erkannt und trieb die Beherrschung dieser gleitenden Fortbewegung zielgerichtet durch Kurse (z. B. in Zwiesel und Englmar) voran: So darf man als ersten Skikurs im Bayerwald wohl die Ausbildung des Jägerbataillons als Schneeschuhtruppe im Jahre 1900 in Zwiesel sehen. Parallel zu dieser militärischen Nutzung entdeckten sowohl abenteuerlustige Städter als auch aufgeweckte Einheimische, natürlich die Kinder allen voran, die Freude an dem neuen Sport. Hatte noch der Rabensteiner Förster Vill am 12. Februar 1892 den verschneiten Arber mit Skiern als Aufstiegshilfe erklommen, zogen die meisten das Vergnügen eines frischen Fahrtwinds vor: 1894 fand auf dem Taubenberg das erste Skirennen Deutschlands statt. Zwei Jahre später wurden die ersten Skivereine gegründet.
Als der Pfarrvikar (Kooperator) Hermann 1899 nach Englmar versetzt wurde, lieh er sich beim Förster Skier aus, um die Seelsorge trotz der Schneemassen jenes Winters bewerkstelligen zu können. Eifrig übte er sich in der weißen Kunst und begeisterte bald Honoratioren wie Kinder gleichermaßen zur Nachahmung. Sein Einfluss erwies sich als nachhaltig: Obschon er bereits 1901 nach Kelheimwinzer versetzt wurde, wurde 1902 das erste Jugendrennen am Predigtstuhl veranstaltet. In Englmar wurden im Auftrag des damaligen Lehrers Ferstl 30 Paar Skier für seine Schüler gefertigt, die in der neuen, wenn auch nicht offiziellen, Schulsportart unterrichtet wurden. Die Förderung des Skilaufs beruhte allerdings auf der Initiative des jeweiligen Lehrers und wurde daher nicht flächendeckend betrieben. Erst gegen Ende der 20er Jahre und vor allem zu Beginn der 30er Jahre nahmen sich immer mehr Lehrer der Unterweisung ihrer Schüler im Skifahren an. Die Gründung von Skilagern und die großzügige Bezuschussung durch die Schulgemeindekasse ermöglichten auch finanziell schlechter gestellten Kindern, an schulisch organisierten Skikursen teilzunehmen.
Der Erste Weltkrieg führte zu einer vorübergehenden Unterbrechung der Skifreuden. Als den heimkehrenden Gebirgsjäger ihre Skiausrüstung für private Zwecke überlassen wurde, boten sie Skikurse an, die auch einmal über 100 lernwillige Teilnehmer haben konnten. Der Skisport wurde nun zum Massenphänomen.
Die ersten geplanten Sportreisen in den Bayerischen Wald wurden 1907 von Pilsen nach Bayerisch Eisenstein in Form von Sonderzügen angeboten. Am 03. Januar 1909 wurde von der Königlichen Eisenbahnverwaltung der erste Wintersportzug von Regensburg ins Arbergebiet eingesetzt. Mit Zwischenhalten in Straubing, Plattling und Deggendorf konnten weitere Fahrgäste aufgenommen werden. Den ca. 150 Wintersportlern stand ein zweistündiger Aufstieg zum Arberhaus bevor, nach einer Rast wurde in weiteren 1,5 Stunden schließlich der Gipfel erklommen.
Spaziergänger und Rodler nahmen den Rückweg vom Gipfel zum Arbersee zurück, während Skifahrer dank neuer Pistenmarkierung über Althütte und Rabenstein nach Zwiesel oder über den Brennes nach Eisenstein eine lange Abfahrt genießen konnten. Um fünf Uhr abends brachte ein Zug die in Zwiesel Angekommenen nach Eisenstein. Dort konnte in beiden Wartesälen des Bahnhofs eine Brotzeit eingenommen werden, bevor es wieder nach Regensburg zurückging.
Die Begeisterung war so groß, dass das Schneefieber in den Städten grassierte. Im Rahmen eines kleinen Grenzverkehrs wurde auch das bayerische Skigebiet von böhmischer Seite aus zunehmend befahren. Ein angehängter Tanzwagen sorgte für eine gute Stimmung auf der Heimreise. Immer mehr Skigebiete wurden erschlossen und Straßen befahrbar gehalten, so dass bald ein Omnibus den Sportlern zumindest teilweise den beschwerlichen Aufstieg abnehmen konnte. Damit das Seelenheil an Sonn- und Feiertagen nicht vernachlässigt wurde, wurde in größeren Orten entlang der Bahnlinien eine Messe für Skifahrer abgehalten.
Der Nationalsozialismus fand im Skisport eine „gesunde“ und „krafterhaltende“ Betätigung für das deutsche Volk, die zudem für die nötige Zerstreuung sorgte. Nach 1933 wurden „Kraft durch Freude“-Züge von München und Nürnberg in den Bayerischen Wald eingesetzt. Parteimitglieder wurden durch kräftige Rabattierung der Fahrkarten begünstigt. Der Skilauf erfuhr durch den Nationalsozialismus eine zweifache Aufmerksamkeit: einmal als gesundheitserhaltende und sportliche Ertüchtigung der Jugend in Hinblick auf den Kriegseinsatz und zum anderen zur Professionalisierung, um in sportlichen Wettbewerben den Gedanke der arischen Elite zu bestätigen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die Bundesbahn den Betrieb der Wintersportzüge wieder auf, ein Tanzwagen namens „Donauwellen“ sollte in den Jahren 1951-1954 für einen beschwingten Ausklang des Skitages sorgen. Am 17. September 1949 wurde der Arberlift mit Sesseln aus der Messerschmitt-Flugzeugproduktion (Jagdflugzeug Me 109) in Betrieb genommen – in gleicher Streckenführung, wie sie heute durch einen modernen Nachfolger vorgenommen wird. In zahlreiche Annoncen wurden in den Regensburger Zeitungen Sonderfahrten für Skifahrer beworben: Wachsender Beliebtheit erfreuten sich in den 50er Jahren Wochenend- und Feiertagsfahrten mit Übernachtung in den Bergen. Vor allem Brückentage und der Jahreswechsel eigneten sich für längere Aufenthalte zum Sporteln und Erholen. Neben des Abfahrtslaufs bereicherten Langlauf, Wandertouren und geführte Spaziergänge das Naturerleben. Auch das Vergnügen kam nicht zu kurz: Ein buntes Faschingstreiben auf dem Arber, angeführt von dem Faschingsprinzenpaar, wurde von der Bahn mit Unterhaltungswagen nach Bayerisch Eisenstein angeboten.
Die Hotelbetriebe priesen Kurleistungen neben einem „Bohnenkaffee-Frühstück“ an. Pauschalreisen sorgten für einen günstigen Gesamtpreis und Reiseleiter für eine problemlose Abwicklung sowie eine kulturelle Note. 1952 wurden erste Rekordmeldungen in den Zeitungen veröffentlicht: Mehr als 250 Regensburger drängten an einem Sonntag in den Bayerwaldzug, die später zugestiegenen Straubinger und Deggendorfer fanden keinen Sitzplatz mehr. Der Lusenwirt stellte fest, dass jeder dritte Gast aus München stamme und sogar Urlauber aus Stuttgart, Hamburg und Berlin den Bayerwald wegen seiner weißen Pracht aufsuchten.
Doch die Höhe der Begeisterung war noch nicht erreicht: In den Tagen des Jahreswechsels 1952/53 transportierte der Bayerwaldzug mehr als 1.500 Wintersportler, was zu einer Aufstockung im neuen Jahr um einen weiteren Tanzwagen führte. Eine „Glücksspurfahrt“ als Freifahrt wurde vom Betreiber geschäftstüchtig in Aussicht gestellt, wenn die Nummer des Tickets sich als Gewinnnummer in der Tombola erweisen sollte. Zudem lockten sportliche Veranstaltungen Zuschauerlustige in den Bayerwald: 1952 wurden die Bayerwald-Meisterschaften in Bodenmais ausgetragen und der seit 1927 beliebten Sprungwettkampf in Bayerisch Eisenstein. Weitere Gebiete sollten für den Wintertourismus erschlossen werden wie das Skigebiet des Pröllers und des Dreisesselgebiets.
Für Familien und klamme Geldbeute wurden stadtnahe Alternativen angeboten, die mit flacheren aber nicht weniger schönen Pisten warben: Rehtal, Lorenzen, Keilberg, Pentling, Adlersberg, Wenzenbach, Unterlichtenwald, Hohengebraching, Matting, Bergmatting, Alling, Wolfsegg, Vorwald: Bernhardswald, Kürn, Brennberg, Thiergarten und Falkenstein.
Die Stadtkinder entdeckten in der Altstadt die buckligen und abschüssigen Gässchen, die auf die Kepler- und Goldene-Bären-Straße hinunterführen, als ideale Rodelstrecke. Besonders die Bahn hinter dem Rathaus über den Roten Herzfleck entlang der Silbernen-Kranz-Gasse war besonders beliebt. Ebenso hofften die Regensburger Kinder auf eine vereiste Donau am Protzenweiher zum Schlittschuhlaufen.
Ein Regensburger Modehaus erkannte den saisonalen Trend und warb am 1. Dezember 1953 unter dem Aufmacher „Was ER sich wünscht“ mit einem wärmenden Skihemd aus Flanell, gemustert oder einfarbig, als ideales Weihnachtsgeschenk für junge Herren.