Die sündhafte Frucht aus dem Garten Eden befeuerte die Phantasie in den nachfolgenden Jahrhunderten und regte zu Legenden an, die eine Verbindung von Altem und Neuem Testament im Bild des Paradiesapfels suchten. Der Paradiesapfel wurde nicht mehr nur als Frucht der Sünde, sondern auch als Symbol der Verheißung auf Erlösung gesehen. Der Apfel als Relikt des Paradieses wird zur bildhaften Schnittstelle von Altem und Neuem Testament.
Die sogenannte Seth- oder Kreuzholzlegende hat nicht nur in der Vorstellung der Menschen, sondern auch in der Ikonographie tiefe Spuren hinterlassen.
Als Quellen dienten neben Adamsviten vor allem das apokryphe Nikodemus-Evangelium, die Apokalypse des Mose und die Legenda aurea des Jacobus de Voragine. Als Adam im Sterben lag, bat er seinen dritten Sohn Seth, das Paradies aufzusuchen und ihm das Öl des Erbarmens zu bringen, um ihn zu heilen. Dieses wird jedoch Seth verweigert mit dem Hinweis, dass erst nach Ablauf einer langen Frist dieses erlösende Öl durch den Sühnetod Jesu Christi den Nachfahren Adams zuteilwerden soll. Nach unterschiedlicher Tradierung gibt ein Engel Seth stattdessen drei Samen vom Baum der Erkenntnis oder ein Reisig. Seth legt die Samen dem toten Adam in den Mund bzw. pflanzt den Ableger auf sein Grab, da sein Vater bei seiner Rückkehr bereits verstorben war. Daraus entwickelt sich ein großer Baum, aus dessen Holz schließlich das Kreuz Christi gezimmert werden sollte.
Weitere Spielarten der Legende berichten davon, dass aus dem Holz dieses Paradiesbaums, der durch Seth in die Hemisphäre der Menschheit gebracht worden war, der meerteilende Stab Moses geschnitzt wurde und der Tempel in Jerusalem erbaut wurde. Ebenso weiß Origines in seinem Kommentar zu Mt 27,22 zu berichten, dass sich das Grab Adams mit dem Abkömmling des Paradiesbaumes auf einem Berg befunden hätte. Als das Kreuz Christi auf dem Berg Golgota (Schädelhöhe nach Übersetzung von Mt.) aufgerichtet werden sollte, förderte man aus der Grube für die Verankerung des Kreuzes den Schädel und die Gebeine Adams zutage. Der Baum des Lebens wird nach Auslegungen zum Baum des Todes, der jedoch auf dürrem Holz eine einzige Frucht, nämlich den Erlöser, trägt.
Diese Erzählung wurde ikonographisch in der spätmittelalterlichen Kreuzigungsszene wiederaufgegriffen: Unter dem Kreuz sind der Schädel Adams und seine Gebeine dargestellt. Die theologische wie künstlerische Verbindung zwischen Adam und Christus war durch Bibelstellen, vor allem in den Paulusbriefen, wie z. B. 1 Kor 15,22 motiviert: Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht und 1 Kor 15,45: Adam, der Erste Mensch, wurde ein irdisches Lebewesen. Der Letzte Adam wurde lebendigmachender Geist. Die Typologie Alter Adam/Neuer Adam fand solche Verbreitung, dass sie über die religiöse Kunst hinaus Vorstellungen und Darstellungsweisen anderer Disziplinen beeinflusste, wie das Kräuterbuch des Hieronymus Bock beweist:
Analog zu dem Adam-Christus-Diskurs findet auch Eva ihr Pendant in Maria. Bereits Ignatius von Antiochien (2. Jh. n. Chr.) hatte den Beginn der Heilgeschichte in der jungfräulichen Empfängnis gesehen, die in der Geburt Christi und dessen Erlösungstod vollendet werden sollte. Der Märtyrer Justin (2. Jh. n. Chr.) setzte Eva und Maria in enge Beziehung: Wir wissen, dass Er durch die Jungfrau zu Mensch geworden ist, damit auf dem gleichen Wege, auf dem die durch die Schlange verursachte Sünde ihren Anfang nahm, die Sünde auch aufgehoben wurde. Denn Eva, welche eine unverdorbene Jungfrau war, gebar, nachdem sie das Wort der Schlange empfangen hatte, Sünde und Tod. Die Jungfrau Maria dagegen war voll Glaube und Freude, als der Engel des Herrn ihr die frohe Botschaft brachte. (Dial. 100,5; zit. n. Marienlexikon S. 420). Das Bild von Maria als Knotenlöserin brachte Irenäus von Lyon auf, indem Maria durch ihren Gehorsam gewissermaßen den Ungehorsam Evas aufhob oder, bildlich gesprochen, der zweite Knoten die Lösung des ersten bewirkte.
Die Alte Eva und die Neue Eva werden als bildliches Thema in der Kunst gerne aufgegriffen. Eine besonders schöne Darstellung findet sich aus der Hand des Regensburger Malers Berthold Furthmeyr in dem Salzburger Missale. Eva und Maria stehen unter einem Baum in einem paradiesischen Garten. Während Eva Äpfel der Sünde vom Baum pflückt und somit das Verderben an andere weiterreicht, greift Maria nach Hostien und setzt als Mutter Gottes den Anfang der Heilsgeschichte und die Erlösung der Menschheit von der ewigen Schuld. Damit lassen sich auch zwei weitere Symbole aus der Baumkrone erklären: Auf der Seite Mariens verkündet der Gekreuzigte in seiner Eigenschaft als neuer Adam das Leben, während bei Eva ein Schädel als Zeichen der Vergänglichkeit und als Verweis auf den alten Adam die Sterblichkeit mit sich bringt.
Botticelli, Hans Holbein der Jüngere und Matthias Grünewald, um nur einige Künstler zu nennen, inszenieren den Granatapfel als mystisches Pfand der Erlösung zwischen der Mutter Gottes und Christus. Der Granatapfel als Zeichen der Macht muss von jedoch von dem biblischen Bezug losgelöst betrachtet werden, wie z. B. in dem Bildnis von Kaiser Maximilian I. von Albrecht Dürer. (Weiteres zu dem Symbol des Apfels: Marienlexikon und Guldan.)