Der Marburger Adam Lonitzer (1528-1586) lehrte als Professor zuerst Mathematik, bevor er nach einem Promotionsstudium der Medizin 1554 eine Stelle als Stadtphysikus in Frankfurt am Main annahm. Seine wissenschaftlichen Leistungen auf dem Gebiet der Naturkunde müssen vor dem Hintergrund der Frankfurter Verlagspraxis beurteilt werden. Lonitzer war der Schwiegersohn des Verlegers Egenolph, der zu jener Zeit in Ermangelung eines Urheberrechts ungeniert Abbildungen und Texte erfolgreicher Bücher gänzlich ohne oder nur mit geringfügiger Veränderung neu kombinierte und herausgab. Trotz eines verlorenen Verfahrens vor dem Reichskammergericht gegen seinen Konkurrenten Schott ließ sich der Frankfurter Verleger nicht wesentlich für die Zukunft beeindrucken. Der Verkaufserfolg „seiner“ Bücher im Vergleich zu den Produktionskosten war immens.
Dennoch wäre es zu einfach, Egenolph und seinen Nachfolger Lonitzer als gerissene Plagiatskünstler abzutun. Mit der neuartigen Kombination von Abbildungen und Texten kam man dem Durst des Lesers nach Aktualität entgegen und redigierte auf diese Weise erfolgreich Klassiker. Gelegentlich wurden sogar mehrere unterschiedliche Abbildungen pro Pflanze abgebildet. Letztendlich folgte Egenolph dem Erfolgsprinzip, dass die typisierenden Darstellungen vielseitiger als die individuell angefertigten wiederzuverwenden waren. Dass dabei so manche wissenschaftliche Genauigkeit im Einzelfall auf der Strecke blieb, versteht sich allerdings auch von selbst.
Lonitzer schuf nach dem Tod Egenolphs 1557 mit seinem Kräuterbuch einen wahren Volksklassiker in der bekannten Frankfurter Verlagsmanier: Teile des Rößlinschen Pflanzenbuch, kombiniert mit Brunschwigs Destillierbuch und Johannes de Cubas „Garten der Gesundheit“ (ca. 1484), wurden durch eigene aktuelle botanische Studien und neuartige Erkenntnisse ergänzt. Der Erfolg gab Lonitzer Recht: Sein Kräuterbuch verdrängte ältere Ausgaben vom Markt und wurde noch 300 Jahre lang nach seinem Tod in zwanzig Auflagen vertrieben.