Themenfindung und Vorschläge für Master-Arbeiten im Bereich "Perimortale Bildung und Pädagogik"
1. Zur Orientierung
Unter „Bildung“ werden Konzepte, Programme, Angebote, Maßnahmen, Interventionen usw. verstanden, die für die Auseinandersetzung und den Umgang mit Sterben, Tod und Trauer förderlich sind.
„Pädagogik“ bezieht sich auf die wissenschaftliche Reflexion und Durchdringung dieser Bildungsprogramme in historischer, systematischer und empirischer Perspektive.
In der Praxis perimortaler Bildung werden „Sterben“, „Tod“ und „Trauer“ oft in einem Atemzug genannt. Dennoch stehen sie (zunächst) für sich bzw. bilden Unterpaare.
1) „Sterben“ bezeichnet die Tatsache, dass alle Menschen sterben werden. Mit „Sterben“ wird der eigene Sterbeprozess ausgedrückt sowie der anderer Menschen.
2) „Tod“ als Ergebnis des Sterbens ist das medizinische, physische, geistige, seelische, soziale und rechtliche Ereignis, das die gestorbenen Menschen von den Lebenden trennt. Die erkenntnis- und forschungstheoretische Schwierigkeit besteht darin, dass der Tod unfassbar bleibt.
3) „Trauer“ ist die Reaktion auf den Verlust. Sie setzt ggf. schon im Sterbeprozess (auch im eigenen) ein und kulminiert nach dem Ereignis „Tod“. Trauer ist als die Aufgabe zu begreifen, den Toten loszulassen und zugleich den Tod des Verstorbenen in das eigene Leben zu integrieren.
2. Mögliche Forschungsfragen
A Sterben und Tod
Bereich Bildungskonzepte/-programme/-maßnahmen zur Förderung des Umgangs mit Sterben und Tod
- Historisch: Welche Bildungskonzepte/-programme/-maßnahmen zur Förderung des Umgangs mit dem Sterbenmüssen in der Vergangenheit bis zur Gegenwart sind relevant? An welchen Diskursen, Quellen usw. lässt sich dies zeigen? Welche Disziplinen sind beteiligt (Theologie, Philosophie, Soziologie, Pädagogik etc.)? Welche Zielgruppen (Kinder, Jugend- liche, Erwachsene, Senioren), welche Formen (formelle und informelle Angebote) und wel- che Medien, Sozialformen und Orte sind im Blick?
- Systematisch: Welche Themen und Fragen werden gegenwärtig besonders diskutiert? Lassen sich gemeinsame Tendenzen oder Spannungen zwischen den Akteuren des Diskurses feststellen?
- Empirisch: Welche Lernprozesse, Lerneffekte, Wirkungen etc. lassen sich untersuchen? Welche Fragestellungen, welche Untersuchungsinstrumente sind geeignet?
B Tod und Trauer
Bereich Bildungskonzepte/-programme/-maßnahmen zur Förderung des Umgangs mit Tod und Trauer
- Historisch: Welche Bildungskonzepte/-programme/-maßnahmen zur Förderung des Umgangs mit Trauer in der Vergangenheit bis zur Gegenwart sind relevant? An welchen Diskursen, Quellen usw. lässt sich dies zeigen? Welche Disziplinen sind beteiligt (Theologie/Seelsorge, Philosophie, Psychologie, Pädagogik, Soziologie etc.)? Welche Zielgruppen (Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Senioren), welche Formen (formelle und informelle An- gebote) und welche Medien und Sozialformen sind im Blick?
- Systematisch: Welche Themen und Fragen werden gegenwärtig besonders diskutiert? Lassen sich gemeinsame Tendenzen oder Spannungen zwischen den Akteuren des Diskurses feststellen?
- Empirisch: Welche Lernprozesse, Lerneffekte, Wirkungen etc. lassen sich untersuchen? Welche Fragestellungen, welche Untersuchungsinstrumente sind geeignet?
3. Beispiele für mögliche Themen von MA-Arbeiten
Konkrete Themen für MA-Arbeiten lassen sich aus den o.g. Fragen entwickeln. Interessierte werden gegeben, sich in dieses Raster hineinzudenken und eigene Themen zu generieren, die wir dann im gemeinsamen Gespräch weiter entwickeln können.
Mögliche Themen sind:
- Historische Untersuchung von Kinderbüchern zum Thema Sterben, Tod und Trauer
- Bedeutung von Friedhöfen für die perimortale Bildung (historisch, systematisch oder empirisch)
- Spirituelle und säkulare Bildungskonzepte für den Umgang mit Sterben / Tod / Trauer im Vergleich
- Perimortale Bildung im Internet
- Perimortale Bildungsprogramme für Berufsgruppen aus dem Bereich Sterben, Tod und Trauer (z.B. Hospizbegleiter, Trauerbegleiter, Bestatter usw.)
- Empirische Studien zu den Wirkungen von perimortale Bildungsprogrammen bzw. - angeboten
Konkretion
Bildungsangebot zur persönlichen Auseinandersetzung mit der Endlichkeit und Untersuchung seine Wirkung (Gruppendiskussion oder Einzelinterviews, N = 4)
Angebot (für Erwachsene)
a) begleitete Auseinandersetzung mit dem Buch Aisato, Lisa: Alle Farben des Lebens, Hamburg 2020, in dem das Leben von der Geburt bis zum Sterben in eindrücklichen und emotional stark wirkenden Bildern erzählt wird.
b) begleitete Auseinandersetzung mit der Endlichkeit durch die Visualisierung des eigenen Sterbens im Rahmen einer Zen-Meditation, siehe die drei Stufen bei El Souessi, Karim: Die Angst vor dem Tod überwinden. Sterbemeditation und Sterbebegleitung, Petersberg 2015, 126-137.
Angebot (für Kinder und Jugendliche)
c) Besuch bei einem Bestattungsunternehmen, dass kindgerecht zeigt, wie eine verstorbene Person versorgt und bestattet wird
d) Bildungsangebot auf einem Friedhof, das kindgerecht zeigt, wie die Lebenden und Toten trotz Getrenntheit miteinander verbunden sind.
Design:
- Prätest (1-2 Wochen vor dem Bildungsangebot): Teilnehmende Personen äußern sich vor dem Bildungsangebot über ihre eigene Einstellung zur Endlichkeit, auch dazu, ob sie den- ken, dass eine persönliche Auseinandersetzung ihre eigene Einstellung verändern kann.
- Bildungsangebot: begleitete Auseinandersetzung mit der Endlichkeit durch das o.g. Angebot
- Posttest (1-2 Wochen später): Teilnehmende Personen äußern sich nach Durchlaufen des Bildungsangebots über ihre eigene Einstellung zur Endlichkeit, auch dazu, ob sie denken, dass eine persönliche Auseinandersetzung ihre eigene Einstellung verändern kann.
Man könnte überlegen, ob man die vier Personen altenmäßig mischt oder bewusst gleich hält, z.B. alle zwischen 25-30 Jahren, also noch vor der Zeit, wo man sich „natürlich“ mit dem eigenen Sterben befasst.
Bisher vergebene empirische MA-Arbeiten:
- Andrea Jira: Zusammenhänge zwischen Bindungsverhalten, Inanspruchnahme von Trauer- begleitungsangeboten und Spiritualität (2022)
05.03.2023
Prof. Dr. Michael Fricke