Page 59 - Forschungsbericht 2015 bis 2018 Universtität Regensburg
P. 59
Jenseits des Kanons: Heterotopien religiöser
Autorität im spätantiken Christentum
Sprecher: Prof. Dr. Tobias Nicklas, Fakultät für Katholische Theologie, UR
Laufzeit: Oktober 2018 bis September 2022 (1. Förderperiode)
Foto © Jörg Frey
Äthiopische Handschrift mit St.-Georgs-Darstellung.
Der Kanon biblischer Schriften gilt im Christentum als grundlegende literarische Traditionen jenseits des biblischen Kanons, auf deren
Autorität. Auch nach seinem Abschluss und seiner weitgehenden vielfältige, oft materiale Ausdrucksformen und Ansatzpunkte in der
Anerkennung (im 4. Jh.) existieren und entstehen freilich weiter- »gelebten« und in der »popularen« Religion sowie auf ihre unter-
hin Traditionen, die jenseits des Kanons, teils sogar gegen darin schätzte Bedeutung im rituellen Leben der Kirchen. Dabei wird das
festgehaltene Texte gerichtet, teils aus ihnen auswählend und sie Konzept des »Denkraums Spätantike« im Sinne eines auch Dinge
fortschreibend, Autorität beanspruchen. In kreativer Aufnahme des und Praktiken umfassenden Diskursraums erweitert.
Foucault’schen Begriffes können diese gemeinhin als »apokryph« Neben Einsichten in die Mechanismen religiöser Kommunikation
bezeichneten Traditionen sowie deren Ausdrucksgestalt und Kom- und theologischer Erkenntnisbildung verspricht dieser Zugang auch
munikationszusammenhänge als Heterotopien, d. h. als »wirksame einen innovativen Beitrag zu übergeordneten Fragen kanonischer
Orte« in der Funktion von »Widerlagern«, im spätantiken Christen- Prozesse und alternativer Autoritäten, wie sie auch in anderen Kul-
tum verstanden werden. Diesen Überlieferungen und ihren Funk- tur- und Geisteswissenschaften diskutiert werden.
tionen in verschiedensten Kontexten religiösen Lebens widmet sich FOR 2770: http://gepris.dfg.de/gepris/projekt/392798726
die Kolleg-Forschungsgruppe 2770. Konkret richtet sie den Blick auf www.uni-regensburg.de/forschung/beyond-canon/index.html
57