Nachfolgend finden Sie Informationen zu den Fellows der Forschungsstelle (in alphabetischer Reihenfolge) und zu ihren Forschungsprojekten.
Betreuer: Prof. Dr. Christian Neuhäuser (Technische Universität Dortmund)
Fachbereich: Philosophie
Kontakt: daniel2.beck@tu-dortmund.de
In zunehmend pluralistischen, hochindividualisierten Gesellschaften scheint es immer schwieriger zu werden, sich auf gemeinsame Ziele und Regeln des öffentlichen Lebens zu einigen. Theorien des Liberalismus wie der Politische Liberalismus von John Rawls nehmen sich dieser Problemstellung an und adressieren die Frage nach der Stabilität solcher Gesellschaften. Sie versuchen, die dem politischen Gemeinwesen zugrundeliegenden Prinzipien neutral, d.h. unabhängig von gruppenspezifischen Ideen davon zu formulieren, was es bedeutet, ein gutes Leben zu führen. So soll die Zustimmung aller Bürger:innen für diese Prinzipien ermöglicht werden, deren Begründung auf freistehender Basis nun für alle vernünftigen Mitglieder der Gesellschaft – unabhängig ihrer individuellen Überzeugungen hinsichtlich eines guten Lebens – prinzipiell nachvollziehbar sein soll.
Die dritte Dimension des im Titel angelegten Nexus „Liberalismus, Pluralismus, Kollektivität“ erfährt dabei zu wenig Beachtung. Für die Verwirklichung des Liberalismus notwendige Einstellungen der Bürger:innen wie gegenseitiger Respekt und der Wille zur Partizipation am demokratischen Gemeinwesen sind das Resultat der Sozialisierung in bestimmten Kollektiven. Liberale Theorien sollten sich deswegen im Sinne des Erhalts des Liberalismus auch damit beschäftigen, wann und wie es angemessen ist, solche Kollektive zu fördern, die Individuen derlei Einstellungen vermitteln, denn: die breite Akzeptanz und Unterstützung von liberalen Staaten beruht nicht allein auf den abstrakten Begründungsprinzipien des Liberalismus, sondern bedarf einer lebensweltlichen Anknüpfung in Form von Sozialisierung in darauf ausgerichteten Kollektiven.
In der Arbeit werde ich argumentieren, dass ein auf (relationaler) Autonomie basierender perfektionistischer Liberalismus dafür eine bessere Grundlage bietet.
Hinweis: Da Frau Domscheit über eine Stelle verfügt, beschränkt sich die Förderung seitens Forschungsstelle und Hansen-Stiftung auf die wissenschaftliche Begleitung ihres Promotionsvorhabens, was insbesondere die Teilnahme an den Sommerworkshops und Jahrestreffen der Forschungsstelle bedeutet.
Betreuer: Prof. Dr. Frank Nikulka (Universität Hamburg)
Fachbereich: Vor- und frühgeschichtliche Archäologie
Ein besonderes Phänomen der jüngeren Bronze- und älteren vorrömischen Eisenzeit Mitteleuropas ist darin zu beobachten, wie unterschiedliche archäologische Kulturen ihre Gräber nach dem immer gleichen Prinzip anordneten. Dieses Gleichverhalten findet ihren Ausdruck durch sogenannte Belegungsgruppen, die sich zumeist durch die mehrfach gruppenweise Anordnung von Gräbern auf einem Gräberfeld auszeichnen. Oft, über mehrere Jahrhunderte hinweg, entstanden auf diese Weise deutlich voneinander abgegrenzte Gruppierungen von Gräbern, die als Hinweis auf einzelne unterschiedliche Kollektive innerhalb einer übergeordneten Bestattungsgemeinschaft verstanden werden können. Wird die Art dieser Kollektive häufig in einem verwandtschaftlichen Kontext gedeutet, konnten bisher keine Studien vorgelegt werden, welche die Ursachen und die Funktion von Belegungsgruppen ausreichend diskutieren. So wären neben familiären Strukturen auch andere soziale Gruppierungen, gesellschaftliche Unterschiede oder religiösen Anschauungen als abgrenzende Faktoren zwischen den einzelnen Belegungsgruppen und somit Kollektiven vorstellbar.
Mein Forschungsvorhaben widmet sich diesen Faktoren und den daraus resultierenden Fragestellungen, wie etwa der Frage nach Kommunikation und Interaktion zwischen den verschiedenen Akteuren über den zeitlichen Verlauf der Belegung hinweg. Als Fallbeispiel dienen der Dissertation die beiden Gräberfelder Pinnow und Groß Siemz in Mecklenburg-Vorpommern.
Betreuer: Prof. Dr. Ralf-Peter Fuchs (Universität Duisburg-Essen)
Fachbereich: Geschichtswissenschaft (Neue Kulturgeschichte)
Kontakt: dominik.greifenberg@uni-due.de
Das Forschungsvorhaben befasst sich mit spätmittelalterlichen Stadtgemeinden und ihrem Umgang mit Belagerungen als Krisensituationen. Seit dem Hochmittelalter konnte sich im Zuge der sogenannten Kommunalisierung die Stadtgemeinde (lateinisch communitas) vielerorts als politischer Akteur etablieren. Die sich formierende Bürgerschaft beanspruchte zunehmend politische, rechtliche und soziale Kompetenzen, etablierte eigene Verfassungsstrukturen und verdrängte so sukzessive die eigentlichen adeligen oder geistlichen Stadtherren teilweise oder gänzlich aus ihrer Funktion. So konnte sich ein für die Zeit radikal-neuartiges Verfassungssystem entwickeln, das mit innovativen Lösungsansätzen in Politik, Recht und Verwaltung aufwarten konnte. Damit ging die Herausbildung einer spezifischen Kultur und Identität einher, die ganz erheblich von dem Bewusstsein geprägt war, als Kollektiv selbstbestimmt und erfolgreich die Geschicke der eigenen Stadt zu lenken und das Angebot von Sicherheit(en), welches die Stadtherren bis dato exklusiv gewährleisten konnten, nun vollständig selbst schultern zu können. Im späten Mittelalter – die Forschung hat vor allem das 15. Jahrhundert als ‚Zeit der Krisen‘ charakterisiert – wurde das System der communitas in vielfacher Hinsicht auf den Prüfstand gestellt. Militärisch etwa gerieten die unabhängigen Stadtgemeinden immer wieder ins Visier adeliger Akteure. Krisensituationen wie Belagerungen erforderten die Umsetzung vorher (bewusst wie unbewusst) durchdachter und entwickelter Reaktionsmuster unter Einsatz spezifischer Kulturtechniken. Dabei stellten militärische Konflikte im Spätmittelalter aufgrund technischer Innovationen (vor allem der Etablierung von Feuerwaffen) und militärischer Reformen (Fürsten stellen erste stehende Heere auf) fundamental neue Herausforderungen an das Kollektiv der Stadtgemeinde.
Die Untersuchung soll anhand einzelner Belagerungsszenarien von Städten am Niederrhein und in Westfalen im 15. und 16. Jahrhundert den Umgang einzelner Kollektive mit der existentiellen Krisensituation der Belagerung ergründen. Dabei steht weniger die pragmatische Seite des Krisenmanagements im Vordergrund, sondern vielmehr die deutlich weniger erforschte psychosoziale Dimension. Im Zentrum steht die Frage, welche Bedeutung und Funktion kollektivem Bewusstsein, kollektivem Handeln, kollektiver Identität und Solidarität bei der Bewältigung der Belagerungssituation einerseits beigemessen wurden und andererseits tatsächlich zugefallen sind. Ferner soll aufgezeigt werden, inwiefern die Krisen und deren Reflexion die Identität der Stadtgemeinden nachhaltig geprägt haben.
Betreuer: Prof. Dr. Jochen von Bernstorff, LL.M. (Universität Tübingen)
Fachbereich: Rechtswissenschaften
Kontakt: markus.hasl(at)uni-tuebingen.de
Das Projekt identifiziert und analysiert einen zentralen Paradigmenwechsel im Verhältnis zwischen Völkerrecht und Zivilgesellschaft. Das klassische Leitbild für die Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure ist die internationale Nichtregierungsorganisation (NRO). Diese verkörpert das Ideal einer internationalen Zivilgesellschaft, basierend auf dem freiwilligen Zusammenschluss von Individuen, und zwar im Interesse des Gemeinwohls. Die Arbeit wird zeigen, dass dieses Leitbild des Gemeinwohlkollektivs seine Vormachtstellung insbesondere seit den 1990er Jahren in zunehmendem Maße zugunsten eines neuen Leitbilds einbüßt: dem des Betroffenenkollektivs. Dazu analysiert die Arbeit insbesondere Institutionen im System der Vereinten Nationen, aber etwa auch internationale Finanzinstitutionen wie die Weltbank, die sich immer stärker für die Selbstrepräsentation bestimmter Kollektivgruppen öffnen und in ihrer Beteiligungsarchitektur solche Betroffenenkollektive zum Teil sogar gegenüber Gemeinwohlkollektiven (also NROs) bevorzugen. Charakteristisch sind in allen Fällen Zugangsregeln und Mechanismen, die darauf hinwirken, dass die fraglichen Personengruppen bevorzugt durch solche Organisationen repräsentiert werden, die sich aus Menschen dieser Kollektivgruppe zusammensetzen und von solchen geführt werden. Beispielhaft genannt seien hier etwa indigene oder kleinbäuerliche Gemeinschaften genauso wie Menschen, die von HIV/ AIDS betroffen sind, oder Menschen, die mit einer Behinderung leben.
Trotz einer Verfestigung dieser Leitbildausdifferenzierung zwischen Gemeinwohl- und Betroffenenkollektiv in verschiedenen Teilbereichen des Völkerrechts, fehlt es der Rechtswissenschaft bisher an einer systematischen Erfassung und Einordnung. Dieser Aufgabe nimmt sich die Arbeit an und verschafft der Rechtswissenschaft damit einen neuen und empirisch fundierten analytischen Blick auf das Verhältnis zwischen Zivilgesellschaft und Völkerrecht. Der zentrale Forschungsbeitrag ergibt sich dabei insbesondere in Auseinandersetzung mit der aktuell dominierenden Diagnose, das Völkerrecht und dessen Institutionen seien gekennzeichnet durch eine defizitäre Verantwortlichkeitsbeziehung zwischen regulierenden Autoritäten und den davon Betroffenen: So werden sich Rückschlüsse für diese Problematik unmittelbar aus den Erkenntnissen dazu ergeben, wie und von wem Betroffenenkollektive über die Attribute ‚Betroffenheit‘ und ‚Selbstrepräsentation‘ bestimmt werden, als auch aus Einsichten über die Ausgestaltung des Verhältnisses zu anderen Kollektiven wie Staaten, NROs und internationalen Organisationen. Zusammen werden diese beiden Dimensionen deutlich machen, wie Leitmodelle über Inklusion und Exklusion im Völkerrecht bestimmen und unter welchen Umständen das neue Leitmodell der Betroffenenkollektive eine bessere Rückbindung völkerrechtlicher Entscheidungsfindung auch an marginalisierte und exkludierte gesellschaftliche Kollektive sorgen kann.
Betreuer: Prof. Dr. Mark Siebel (Universität Oldenburg)
Fachbereich: Philosophie
Kontakt: simon.kirchmann@uni-oldenburg.de
Betreuer: Prof. Dr. Joachim Rees (Universität Saarbrücken)
Fachbereich: Kunstgeschichte
Die Rezeption des sich häuslich selbststilisierenden, domophilen Künstlers befindet sich seit seinem Auftreten im 19. Jahrhundert im Spannungsfeld von absoluter Autonomie einerseits und soziohabitueller Assimilation andererseits. Dies verhinderte bislang eine eingehende Untersuchung des auf den ersten Blick widersprüchlichen Nebeneinanders von angestrebter Individualität bei gleichzeitiger Aufgliederung des Kollektivs domophiler Künstler in phänomenologisch distinktive Typen.
Auf der Grundlage einer Ausdeutung ihrer aus einer Vielzahl verschiedener Rollenbezüge eklektisch komponierten häuslichen Selbstinszenierungen als theatrale Verkörperungen einer multikollektivisch konstituierten Individualität soll ein Gleichgewicht zwischen den konträren Positionen von Individualität und Kollektivität erreicht werden.
Ziel des Projekts ist es, die typologische Vielfalt des Kollektivs domophiler Künstler anhand einer fallanalytischen Untersuchung ausgewählter domestischer Selbststilisierungen auf eine Kombination partieller Überschneidungen sowie Differenzen im subjektiven Multikollektivitätsprofil der Künstler zurückzuführen und so eine Basis für eine tiefergehende Erörterung künstlerischer Individualität zu erstellen.
2015-2018: M.A. Historisch orientierte Kulturwissenschaft (Universität Saarbrücken)
2011-2015: B.A. Historisch orientierte Kulturwissenschaft mit Nebenfach Nachhaltigkeitswissenschaft (Universität Saarbrücken)
Betreuer: Prof. Dr. Ulrich Haas (Universität Zürich)
Fachbereich: Rechtswissenschaften
Kontakt: niklas.luf(at)web.de
Die Verantwortlichkeit für Dritte stellt ein altbekanntes Rechtsproblem dar. In Ausnahme zur Grundregel, nur für eigenes Handeln verantwortlich zu sein, finden sich in der staatlichen Rechtsordnung zahlreiche Regelungen, die mittels der Rechtsfigur der Zurechnung die Verantwortlichkeit für Dritte anordnen. Zurechnungskonstellationen betreffen sowohl die Zurechnung von Umständen zwischen mehreren natürlichen Personen, als auch zwischen natürlichen Personen und Kollektiven in Form von juristischen Personen. Diese Regelungen sind je nach Rechtsgebiet und Regelungszweck uneinheitlich ausgestaltet, insbesondere die Behandlung von Kollektiven als Adressat der Zurechnung ist in der staatlichen Rechtsordnung uneinheitlich.
Vor dem Hintergrund der Ausgestaltung von Zurechnung in der staatlichen Rechtsordnung nimmt mein Promotionsvorhaben die Zurechnungsregelungen in den Disziplinarregelwerken der Sportverbände in den Blick. Auf Grundlage der verfassungsrechtlich garantierten Verbandsautonomie erlassen Sportverbände Regelungen, denen sich die Akteure im professionellen Sport unterwerfen. Diesen Regelungen kommt eine immense praktische Bedeutung zu. Allein in Deutschland treffen verbandsinterne Entscheidungskörper auf Grundlage dieser Regelungen mehre 100.000 Entscheidungen im Jahr, wobei ein beachtlicher Anteil dieser Entscheidungen auf Zurechnungskonstellationen entfällt. Vielfach werden die Regelungen in der Folge auch durch staatliche Gerichte und Schiedsgerichte angewendet und überprüft. Trotz der großen praktischen Bedeutung und der breiten Diskussion, die insbesondere die Konstellation der Zurechnung von Zuschauerverhalten gegenüber Fußballclubs einnimmt, fehlt es der (sport-)rechtswissenschaftlichen Diskussion bislang an einer dogmatischen Aufarbeitung der Zurechnungsregelungen in den Disziplinarregelwerken der Sportverbände.
Mein Promotionsvorhaben nimmt diesen Befund zum Anlass, die Disziplinarregelwerke der Sportverbände auf Zurechnungsregelungen zu untersuchen und erstmals ausführlich als Forschungsgegenstand aufzuarbeiten. Auf Grundlage der gemeinsamen Merkmale von Zurechnungsregelungen, die anhand der dogmatischen Grundlagen von Zurechnungsregelungen im staatlichen Recht ermittelt werden, wird zunächst anhand besonders praxisrelevanter Beispiele aufgezeigt, dass die Sportdisziplinarregelwerke Zurechnungsregelungen enthalten. Den Kern der Arbeit stellt sodann die Beantwortung der Frage dar, warum in den einzelnen Konstellationen eine Verantwortlichkeit für Dritte angeordnet wird. Dafür werden die Wertungen analysiert, die der jeweiligen Anordnung der Verantwortlichkeit für Dritte zugrunde liegen und diese sachlich legitimieren. Neben den Wertungen, die eine Zurechnung in der staatlichen Rechtsordnung rechtfertigen, soll anhand der Rechtsprechung von Verbandsgerichten, Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten aufgezeigt werden, welche sportspezifische Wertungen wie das Leistungsprinzip und die Chancengleichheit zur Legitimation von Zurechnungskonstellationen herangezogen werden können. Soweit die Verantwortlichkeit von Kollektiven für Dritte angeordnet wird, rücken insbesondere Fragen um das Erfordernis formaler Beziehungen zum Dritten in den Fokus. Daran schließt sich die Überprüfung der Zurechnungsregelungen auf ihre rechtliche Tragfähigkeit an. Ziel der Arbeit ist es damit, die Rechtsfigur der Zurechnung in den Regelwerken der Sportverbände aufzuzeigen, dogmatisch einzuordnen, die einzelnen Konstellationen auf die ihnen zugrunde liegenden Wertungen zu untersuchen und ihre rechtliche Tragfähigkeit zu überprüfen.
Betreuer: Dr. Guido Kirsten (Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf)
Fachbereich: Filmwissenschaften
Mit der „Krise der Sorgearbeit“ sind die Bedeutung von geschlechtsspezifischer Reproduktionsarbeit, ihre Ausbeutungsformen und ihre Einbettung in Klassenverhältnisse wieder ins Blickfeld gerückt. Treibende Kraft dieser erneuten Aufmerksamkeit sind feministische Proteste, Arbeitskämpfe und neue Formen von Streiks, die von transnationalen Bewegungen geführt werden und die sich oftmals auf die geschlechtsspezifischen Kämpfe der 1960er und 1970er Jahre beziehen. Das Dissertationsprojekt greift diese Kämpfe auf und untersucht historisch die materiellen Voraussetzungen, Praktiken und Aushandlungsprozesse der kollektiven Filmproduktion der frühen 1970er Jahre.
Ziel des Projektes ist es, mithilfe einer Filmdiskursanalyse verschiedene Bildrepertoires feministischer Klassenkämpfe in kollektiv produzierten europäischen Filmen der frühen 1970er Jahren zu untersuchen. Das Promotionsprojekt beleuchtet drei unabhängige Dokumentar-/Hybridspielfilme, die im Kontrast zu traditionellen, hierarchischen Formen des Filmemachens stehen: Nightcleaners (UK, 1972-1975) des Berwick Street Film Collective, Marin Karmitz’ Coup pour Coup (FR, 1972) und den Kurzfilm Für Frauen – 1. Kapitel (BRD, 1971) von Cristina Perincioli. Anhand dieser drei unabhängig produzierten Filmbeispiele wird das widerständige und widersprüchliche Potenzial der kollektiven Filmarbeit diskutiert. Zur Auswertung der Analyseergebnisse wird der Arbeitsbegriff der „relationalen Bildpolitiken“ genutzt, um den spezifischen Dialog zwischen kollaborativer Filmproduktion und filmischer, formalästhetischer Darstellungsform zu beschreiben.
Betreuer: Prof. Dr. Wolfgang Muno (Universität Rostock)
Fachbereich: Politikwissenschaften
Kontakt: anna.specht@uni-rostock.de
Am 3. Juni 2015 demonstrierten in Buenos Aires und anderen Städten Argentiniens mehr als 200.000 Menschen unter dem Leitsatz "Ni una Menos", um auf sexualisierte Gewalt und Femizide aufmerksam zu machen. Durch die Massivität dieser Demonstrationen markiert das Datum eine neue Ära der feministischen Bewegung in Argentinien, die seitdem ihre Sichtbarkeit und Handlungsfähigkeit kontinuierlich steigern konnte und sich eines breiten Spektrums an Strategien für kollektive Aktionen bedient. Hierbei fallen vor allem die Kreativität und Fröhlichkeit auf, mit denen der öffentliche Raum okkupiert wird. Diesem empirischen Phänomen Rechnung tragend, rückt diese Forschung Künstlerinnenkollektive aus Argentinien in den Mittelpunkt, die sich an der Schnittstelle von künstlerischem Aktivismus und Feminismus verorten. Mit Interventionen im öffentlichen Raum leisten sie einen wichtigen Beitrag, geschlechtsspezifische Diskriminierung und Gewalt sichtbar zu machen, kreieren aber auch einen Safer Space, der Handlungsfähigkeit ermöglicht.
Ausgehend von einer ethnografischen Feldforschung sollen diese Aktionen als künstlerisch-ästhetische und feministisch-politische Praxis analysiert werden sowie die kollektiven Strukturen, die dieser Praxis zu Grunde liegen. Auf diese Weise soll ein Beitrag zur Analyse feministischer Protestkultur geleistet und die genderpolitschen Auswirkungen dieser politischen Partizipationsform aufgezeigt werden.