Deutsch
Promotionsprojekt
Verwendung der Fotografie bei astronomischen Expeditionen deutscher Institutionen, 1871-1918
Die allmähliche Einführung der Fotografie in der Astronomie führte im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert zu einer grundlegenden Veränderung der Arbeitsweise an Sternwarten. Das von der DFG geförderte Projekt "Das Glassarchiv der Astronomie: Fotografische Praktiken an der Sternwarte, 1850-1950" untersucht diese Entwicklung. Astronomische Fotografie wurde aber nicht nur in Sternwarten praktiziert, sondern auch außerhalb, nämlich von Astronomen die Expeditionen unternahmen. Als Teil des DFG-Projekts untersuche ich in meinem Promotionsprojekt die photographischen Praktiken deutscher Astronomen bei Expeditionen zur Beobachtung von totalen Sonnenfinsternissen oder Venustransiten.1
Mein Fokus liegt dabei auf den Praktiken und Materialien der astronomischen Glasplattenfotografie unter Feldbedingungen: Wie wurden die fotografischen Materialien hergestellt oder vom Expeditionspersonal ausgewählt und gekauft? Wie legten Astronomen die technischen Einzelheiten des fotografischen Prozesses fest? Wie schufen sie in ihren provisorischen Lagern die passenden Bedingungen, um zufriedenstellende Ergebnisse bei der fotografischen Arbeit zu erzielen? Wie transportierten sie die erforderliche Ausrüstung an ihre Zielorte und richteten ihre Lager ein? Welche fotografischen Verfahren verwendeten sie genau, und wie wurden Belichtung und Entwicklung der Platten organisiert? Was geschah nach der Rückkehr der Expeditionen, als die Platten vermessen und analysiert wurden?
In meinem Projekt analysiere ich astrophotographische Expeditionen, die von deutschen Institutionen während des Deutschen Kaiserreichs (1871 bis 1918) durchgeführt wurden. Dabei handelt es sich um Sonnenfinsternisexpeditionen der Sternwarten Hamburg, Göttingen und Potsdam, sowie um die zentral organisierten Expeditionen zur Beobachtung des Venustransits 1874. Quellengrundlage sind veröffentlichte Berichte, Archivalien u.a. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz, der Sternwarte Hamburg-Bergedorf, des Staatsarchivs Hamburg und des Bundesarchivs, sowie in einigen Fällen erhaltene Fotoplatten.
Neben der Rekonstruktion der technischen Aspekte der astrophotographischen Arbeit wird diese Arbeit Verbindungen von Astronomie und Kolonialismus/Imperialismus aufzeigen: Ressourcen und Infrastrukturen, die mit dem Kolonialismus/Imperialismus verschiedener europäischer Nationen in Verbindung standen, waren Voraussetzung für die tägliche Arbeit der Expeditionen. In meinem Projekt versuche ich auch, die Verteilung der Handlungsmacht zwischen den Astronomen, die versuchten, die Technologie der Fotografie nach ihren Willen nutzbar zu machen, und dem fotografischen Material, das bestimmte Anforderungen stellte, zu beschreiben. Darüber hinaus werde ich zeigen, dass fotografische Arbeit in der Astronomie mit der Entwicklung der Bilder nicht beendet war: Die Platten wurden vermessen, die gewonnenen Daten mathematisch ausgewertet und die Ergebnisse in Form von Tabellen, Diagrammen, Graphen oder schriftlichen Beschreibungen präsentiert, während die Reproduktionen der fotografischen Bilder in den Veröffentlichungen eine bemerkenswert geringe Rolle spielen.
FOOTNOTE/EXPLANATION:
1Sonnenfinsternisse haben einen schmalen Bereich der Totalität, von dem aus die äußeren Teile der Sonnenatmosphäre sichtbar werden. Ein Venustransit findet statt, wenn Venus die Erde auf ihrer Umlaufbahn überholt und zwischen Erde und Sonne vorbeizieht, wobei sie als kleiner schwarzer Punkt vor der Sonne sichtbar wird. Von verschiedenen Orten aus getätigte Beobachtungen können kombiniert werden, um die Entfernung zwischen Sonne und Erde zu bestimmen.
Siehe auch das DFG Projekt
English
The gradual introduction of photography to astronomy in the late 19th and early 20th century fundamentally changed the working practices in observatories. The DFG-funded project “Astronomy’s Glass Archive: Photographic Practices at the Observatory, 1850-1950” examines this development. Astronomical photography, however, was not only practiced at the observatory, but also in the field, by astronomers who were on expedition. In my doctoral project, which is part of the DFG-project, I will examine how German astronomers took photography abroad when they conducted expeditions for the observation of total solar eclipses or a transit of Venus.1
My focus lies on the practices and materials of astronomical glass-plate photography under field conditions: How were materials for photography produced or chosen and bought by expedition staff? How did astronomers decide on the technical specifics of the photographic process? How did they create, in their temporary camps, the environment necessary for photographic work to yield satisfying results? How did they transport all the necessary equipment to their destinations and set their camps up? What photographic processes exactly did they use, and how were exposure and development of the plates organised? What happened after the return of the expeditions, when the work of measuring and analysing the plates started?
My study is based on astrophotographic expeditions conducted by German institutions during the time of the German Empire, 1871 to 1918. These are solar eclipse expeditions carried out by the observatories in Hamburg, Göttingen and Potsdam, and the centrally organised expeditions for the observation of the transit of Venus 1874. From these expeditions, published reports, rich archival sources, and in some cases photographic plates survive.
Besides reconstructing the technicalities of astrophotographic work, this study will provide insights into the connection of scientific work and colonialism/imperialism. It will show how resources and infrastructures connected to European colonialism/imperialism were essential for the daily work of the expeditions, and highlight transimperial connections. My project also tries to map the distribution of agency between the astronomers trying to impose their will on the technology of photography, and the photographic material posing certain restrictions. In addition, I will show that photographic work continued long after the images were developed: Plates were measured; the data obtained was mathematically analysed and the results were presented in the form of tables, charts or descriptions in written words, while reproductions of photographic images play a remarkably small role in the publications.
FOOTNOTE/EXPLANATION:
Solar eclipses have a narrow path of totality, from where the outer parts of the solar atmosphere become visible. A transit of Venus happens when Venus overtakes the Earth in its orbit and passes close to the line of sight between Earth and Sun, becoming visible as a small black dot in front of the Sun. Observations from different locations can be combined to determine the distance between Sun and Earth in absolute numbers.
See also the DFG Project