Masterprojekt von Maximilian Brückner
In den 1950er und 1960er Jahren und somit inmitten des Kalten Krieges begann sich in vielen Ländern weltweit ein Gefühl der Steuerbarkeit der Zukunft zu verbreiten. Es existierte die Vorstellung, den gefühlt immer rasanter werdenden wissenschaftlich-technischen Wandel mittels wissenschaftlicher Methoden lenken zu können. Eine boomende Zukunftsforschung war die Folge. In den 1960er Jahren und damit mit etwas Verspätung wurde auch die Zukunftsforschung in der DDR etabliert, deren Erkenntnisse die künftige Entwicklung des Landes erleichtern sollte. Im gesamten Literaturkanon über die Zukunftsforschung wird die Rolle der DDR jedoch häufig wenig beachtet. Dies wirft die Frage auf, wie die Zukunftsforschung in der DDR betrieben wurde. Der dort als Prognostik bezeichnete wissenschaftliche Blick in die Zukunft wurde durch den Sozialismus eingeengt, was die Verknüpfung von Wissenschaft und Politik belegt. Innerhalb dieses Rahmens jedoch wurde ein staatliches Prognosenetzwerk konzipiert, das sich wohl in diesem Umfang in keinem der westlichen Länder finden lässt. Kybernetisches und systemtheoretisches Denken wurde in der DDR mit wissenschaftlichen Methoden wie dem Input-Output-Verfahren, Trendextrapolationen oder der Delphi-Methode – die ihren Ursprung häufig in den US-amerikanischen Think-Tanks haben und damit ein Beleg für den Transfer wissenschaftlichen Wissens in Zeiten des Kalten Krieges und damit über den Eisernen Vorhang hinweg sind – verknüpft, um einen vermeintlich fundierten Blick in die Zukunft zu bekommen. Diese Methoden wurden innerhalb eines die Gesellschaft durchdringenden Netzwerkes genutzt: Ausgehend von der politischen Führung und der Staatlichen Plankommission zirkulierten die Prognosen durch zahlreiche Prognosegruppen hin zu den Kombinaten und Betrieben, das die Partizipation der Arbeiter im prognostischen Ablauf miteinschloss. Neben dieser staatlichen Zukunftsforschung informierte populärwissenschaftliche Literatur die Leserinnen und Leser etwa über das Leben im Jahr 2000. Dies alles macht die Zukunftsforschung in der DDR zu einem spannenden Untersuchungsobjekt.