Das Projekt Freiraum2023@ur unterstützte Lehrende der Universität Regensburg mit einer Anschubfinanzierung zur Entwicklung und Erprobung innovativer Ideen zu digitaler Lehre. Es wurden im Jahr 2023 drei Projekte gefördert, für jedes ausgewählte Lehrprojekt standen max. 25.000 Euro zur Verfügung.
Antragsberechtigt waren alle Mitglieder der Universität Regensburg, die eine Lehrveranstaltung planen und durchführen. Über die Auswahl entschied eine interdisziplinäre Jury. Während der Bewerbungsfrist gingen neun Anträge ein, von denen die folgenden drei Projekte zur Förderung ausgewählt wurden.
Projekttitel
Mit digitalisierten Archiven forschen und wissenschaftliche Kurzvideos produzieren
Projektverantwortlicher
Prof. Dr. Timothy Nunan (Transregionale Wissenskulturen, DIMAS)
Laufzeit
1.4.2023 - 31.12.2023
Projektbericht (Stand: 26.02.2024)
In meinem von "Freiraum2023@ur" geförderten Lehrprojekt "Mit digitalisierten Archiven forschen und wissenschaftliche Kurzvideos produzieren" erhielten die Studierenden eine Einführung in die Geschichte des Völkerbundes, seine Archive und die Produktion wissenschaftlicher Kurzvideos zur internationalen Geschichte. Als eine der ersten internationalen Organisationen und Vorläufer der Vereinten Nationen spielte der Völkerbund eine zentrale Rolle bei internationalen Konflikten, Abrüstung, Flüchtlingen und der Entkolonialisierung. Auch wenn der Völkerbund die Angriffskriege Japans, Italiens und Deutschlands nicht verhindern konnte, sehen viele Historikerinnen und Historiker im Völkerbund ein Laboratorium für Fragen der Global Governance und der internationalen Politik. Seine Archive, die mehr als 14,2 Millionen digitalisierte Seiten umfassen, bieten Historikerinnen und Historikern eine einzigartige Ressource für die Erforschung zentraler Fragen der Weltpolitik. Das Archiv des Völkerbundes umfasst nicht nur Dokumente und Berichte, sondern auch Karten, Bild- und Tonaufnahmen, die es uns ermöglichen, die Geschichte der Zwischenkriegszeit und der internationalen Zusammenarbeit im Detail zu erforschen.
Im Rahmen meines Lehrprojekts habe ich im Wintersemester 2023/24 die Lehrveranstaltung "History Lab: Mit digitalen Archiven forschen und wissenschaftliche Kurzvideos produzieren am Beispiel der digitalisierten Archive des Völkerbundes" durchgeführt, in der Studierende mit der Geschichte des Völkerbundes vertraut gemacht wurden. Lektüren über die Entstehung des Völkerbundes nach dem Ersten Weltkrieg und Themen wie Staatenlose, die Mandatsverwaltung des Völkerbundes und Konflikte wie der japanische Einmarsch in die Mandschurei brachten die Studierenden auf den neuesten Stand der Forschung zur Zwischenkriegszeit. Fortbildungen mit Archivarinnen und Archivaren der Vereinten Nationen in Genf machten die Studierenden mit den digitalisierten Archiven des Völkerbunds vertraut und bereiteten sie darauf vor, eigenständige Forschung über von ihnen ausgewählten Themen durchzuführen. Zudem haben die Studierenden eine Einführung in die Konzeption und Produktion wissenschaftlicher Kurzvideos erhalten, um als Hausarbeit einen kurzen Film über den Völkerbund einzureichen. Neben inhaltlichen Sitzungen über die Geschichte der internationalen Zusammenarbeit haben wir die Chancen und Gefahren des Formats Video für Historikerinnen und Historiker besprochen, zumal Plattformen wie YouTube und TikTok immer mehr den öffentlichen Diskurs über die Geschichte prägen. Durch Ausflüge in das Produktionsstudio des ZHW und eine Fortbildung über die kostenlose Videoschnittsoftware "DaVinci Resolve" wurden Studierende dafür ausgerüstet, ihre Ideen für Filme in die Tat umzusetzen.
Nach dem erfolgreichen Abschluss der Lehrveranstaltung arbeiten die Studierenden während der Semesterpause an ihren Videoprojekten. Wir hoffen, eine Veranstaltung mit einer Vorstellung der studentischen Projekte später im Jahr 2024 durchzuführen, damit die Studierenden ihre Arbeiten mit der universitären Öffentlichkeit teilen können.
Projekttitel
StaTrack - Statistik-Videotracking
Projektverantwortlicher
Dr. Mario Frei (Lehrstuhl für Educational Data Science, Fakultät für Humanwissenschaften)
Laufzeit
01.04.2023 - 01.09.2023
Projektbericht (Stand: 26.02.2024)
Das Projekt StaTrack möchte Erkenntnisse über die Selbstlernphase von Studierenden in einer Statistik-Vorlesung gewinnen, die in einem flipped-learning-Lehrformat umgesetzt wurde. Die Kernidee dabei lautet: Die Studierenden bereiten die gemeinsame Präsenzsitzung anhand eines Vorlesungsvideos vor, anstatt die Vorlesung wie üblich zu besuchen und die Inhalte nachzubereiten. Die Vorbereitungsphase entspricht damit dem Ansatz selbstgesteuerten Lernens unter Berücksichtigung des eigenen Vorwissens und im eigenen (Lern-)Tempo. Zusätzlich können die Studierenden die wichtigsten Inhalte durch das Bearbeiten kurzer kognitiv aktivierender Aufgaben festigen und ihren Wissensstand überprüfen. Die Präsenzzeit im Kurs hingegen kann für gezielte Nachfragen zu konkreten Vorlesungsfolien und einer vertieften Auseinandersetzung mit den Inhalten genutzt werden. Darüber hinaus wurde die Vorlesung durch eine Übung in Präsenz ergänzt, in der das Gelernte angewandt wurde. Im wöchentlichen Turnus erhalten die Studierenden somit ein Vorlesungsvideo und anschließend kurzen Aufgaben; beides wird in einer Präsenzsitzung nachbesprochen und durch eine Übung ergänzt. Während die Ergebnisse der kurzen Aufgaben einsehbar sind und die Anwesenheit sowie die Mitarbeit in den Präsenzeinheiten überprüft werden kann, stellt die Selbstlernphase der Studierenden für die Lehrperson eine Blackbox dar. Es ist unklar, welche Teilnehmer:innen das Video wie häufig und intensiv angesehen haben.
An dieser Stelle setzt das Projekt an und möchte durch das Aufzeichnen von Trackingdaten der Lehrperson eine Rückmeldung zum Nutzungsverhalten der Studierenden im Umgang mit dem Vorlesungsvideo geben. Dabei ist unter anderem von Interesse, an welchen Positionen im Video Studierende besonders häufig pausiert und welche Stellen sie mehrfach angesehen haben. Dazu wurden s.g. Events (z. B. paused, resumed usw.) aufgezeichnet und in einem aufwändigen Preprocessing-Prozess aufbereitet. Dabei wurden beispielsweise paused-Events entfernt, die aufgrund von Internetproblemen automatisch generiert wurden und eine Dauer von weniger als einer Sekunde hatten – hier kann man nicht von einer aktiven Pausierung des Videos durch Studierende ausgehen.
Diese Heat-Map gehört zur 5. Vorlesung zum Thema mehrfaktorielle Vairanzanalysen, deren Video von 9 Studierenden angesehen wurde. Sie zeigt unter anderem, dass insbesondere Stellen an drei Phasen des Videos mehrfach angesehen wurden: ab ca. 8 Min, ab ca. 30 Min und ab ca. 63 Min. Die zweite Phase (ca. 30 Min – 45 Min) behandelt an dieser Stelle das Thema Interaktionen, deren Interpretation Studierenden erfahrungsgemäß schwerfällt. Die Heat-Map liefert zwar nicht den Grund des tendenziell mehrmaligen Ansehens, sie gibt der Lehrperson aber Hinweise darauf, das Thema in der Nachbesprechung zu thematisieren. Ein weiterer wichtiger und komplexer Inhalt der Vorlesung ist die Alpha-Fehler-Kumulierung, die um Minute 63 besprochen wird.
Im Sommersemester 2023 haben die Veranstaltung insgesamt 8 Teilnehmende mit einer erfolgreich bestandenen Klausur abgeschlossen. Weitere Auswertungen der Daten sowie deskriptive Anlaysen stehen noch aus.
Projekttitel
GraphIT Alpha - Auftakt für einen Abhängigkeitsgraphen von Lerninhalten
Projektverantwortlicher
Dr. Raphael Wimmer (Lehrstuhl für Medieninformatik, Fakultät für Informatik und Data Science)
Laufzeit
01.04.2023 - 31.12.2023
Projektbericht (Stand: 05.04.2024)
Vorkenntnisse und Ziele der Studierenden werden immer heterogener. "One-size-fits-all"-Studiengänge und Lehrveranstaltungen werden damit immer weniger Studierenden-Biographien gerecht. In Studiengängen mit vielen Wahlmöglichkeiten passiert es aber erfahrungsgemäß oft, dass manchen Studierenden essentielle Kenntnisse fehlen, um eine Lehrveranstaltung erfolgreich zu absolvieren.
Mit GraphIT haben wir eine Plattform entwickelt, um Lerninhalte eines Studiengangs oder einer Lehrveranstaltung zu dokumentieren und zu strukturieren.
Dazu müssen Lehrende die Inhalte zuerst auf überschaubare Blöcke herunterbrechen - z.B. "Wie funktioniert eine Computer-Maus". Diese Inhalte werden dann in einem Abhängigkeitsgraphen strukturiert, d.h. für jeden Inhalt wird dokumentiert, auf welchen anderen Inhalten dieser aufbaut. Zu jedem Inhalt können auch weitere Resourcen - z.B. Foliensätze, Videos, oder Quizfragen verknüpft werden.
Die so organisierten Informationen eröffnen neue Blickwinkel auf Studiengänge und Kurse. Lehrende können analysieren, welche Inhalte als Grundlage für besonders viele andere Inhalte dienen, und können diese priorisieren. Thematische Überlappungen, Bindeglieder und Lücken zwischen Lehrveranstaltungen werden ebenfalls sichtbar gemacht.
Studierende sehen sofort, welche Vorkenntnisse sie für den Erwerb neuer Kompetenzen jeweils brauchen. Der Graph zeigt ihnen auch mögliche Wege an, um persönliche Lernziele zu erreichen, oder welche praktischen Anwendungen es für ein theoretisches Konzept gibt. Durch Verknüpfung mit Lern- und Prüfungsmaterial unterstützt GraphIT auch Selbststudium und Self-Assessment.
GraphIT kann auch bei der Planung und Überarbeitung von Studiengängen helfen.
Die Verantwortlichen sehen, welche Grundlagen möglichst früh im Studium vermittelt werden sollten, welche Überlappungen und Abhängigkeiten es zwischen Lehrveranstaltungen gibt, oder welche thematische Lücken noch geschlossen werden müssen.
Um die Arbeit mit diesem Graphen möglichst einfach zu gestalten, bauen wir auf der Open-Source-Plattform Wikibase auf. Diese haben wir im Rahmen von Freiraum@UR um neu entwickelte Visualisierungen und Werkzeuge zur effizienten Bearbeitung ergänzt. Wir haben frühe Versionen bereits zur Planung und Organisation von Lehrveranstaltungen eingesetzt.
Im Sommersemester 2024 verwenden wir GraphIT als zentrale Plattform für den Kurs "Computergrafik und Bildverarbeitung".
Plattform und Inhalte sind unter Open-Source-Lizenzen veröffentlicht.
Mehr Informationen unter https://graphit.ur.de
Dr. Regine Bachmaier
0941 943-5344
regine.bachmaier@ur.de