Der Begriff „Tierversuch“ ist im deutschen Tierschutzgesetz in § 7 eindeutig erklärt. Nicht jede Verwendung von Tieren oder tierischen Produkten in der Forschung ist ein Tierversuch. So unterliegt beispielsweise das Arbeiten mit Embryonen oder Larven bis zu einem gewissen Entwicklungsstadium nicht den Vorgaben für Tierversuche. Auch die Tötung von unbehandelten Tieren, um die Organe zu Forschungszwecken zu verwenden, stellt nach § 4 Abs. 3 TierSchG keinen Tierversuch dar. Andererseits wird jede Manipulation an einem lebenden Tier, die zu Schmerzen, Leiden oder Schäden führen kann, als Tierversuch gewertet. Unter dem Begriff „Tierversuch“ werden also auch kaum belastende Verfahren in der Forschung erfasst. Dazu gehören beispielsweise Injektionen, durchgeführt wie in der tierärztlichen Praxis, klinische Studien zum Einsatz eines Arzneimittels bei veterinärmedizinischen Patienten sowie die Narkotisierung und Besenderung von Wildtieren. Insgesamt lässt der Begriff „Tierversuch“ nur bedingt Rückschlüsse auf Schmerzen oder Belastungen, denen die Tiere ausgesetzt sind, zu.
Tierversuche sind derzeit in einigen Bereichen alternativlos, um die Grundlagen für den Fortschritt in Biologie und Medizin zu legen. Nicht alle Prozesse in einem Organismus lassen sich durch tier(versuchs)freie Methoden nachbilden und verstehen. Zum Beispiel können die Funktionen des Immunsystems, kognitive Vorgänge, aber auch komplexe Krankheitsmodelle (z. B. Tumore) nur teilweise außerhalb eines lebenden Organismus untersucht werden. Tierversuche an der Universität Regensburg erfolgen überwiegend im Rahmen der biomedizinischen Grundlagenforschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung (z. B. Therapie und Diagnostik von Krankheiten des Menschen).
Die generelle Ablehnung von Tierversuchen wird häufig damit begründet, dass die Ergebnisse aus den Tierversuchen nicht auf den Menschen übertragbar seien und die Versuche deshalb keinerlei Nutzen hätten. Ca. 90 % der Arzneistoffe, die in der Tiermedizin eingesetzt werden, finden auch in der Humanmedizin Verwendung. Dies spricht gegen die sehr einfache Sichtweise, die den Menschen als eine von den übrigen Säugetierspezies vollständig getrennt zu betrachtende Art einstuft. Aus Sicht der Wissenschaft zeigen insbesondere die Nobelpreise „für die wichtigsten Entdeckungen in der Domäne der Physiologie oder Medizin“, die seit 1901 verliehen wurden, die Bedeutung von Tierversuchen in Biologie und Medizin. Fast 90 % dieser Preise wurden für Forschungsprojekte vergeben, bei denen Untersuchungen an Tieren oder tierischem Gewebe eine zentrale Rolle spielten. Mehr als 50 dieser Nobelpreise wurden für Arbeiten verliehen, in denen Versuche mit lebenden Wirbeltieren erfolgten.
Eine ausführliche Begründung der Notwendigkeit von Tierversuchen in der Forschung anhand von repräsentativen Beispielen aus der biomedizinischen Forschung findet sich in der Informationsbroschüre „Tierversuche in der Forschung“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Stand: Juli 2019):
https://www.dfg.de/resource/blob/309210/f6c41e7837a3936896dad950a83c0e32/handreichung-sk-tierversuche-data.pdf
Auch die Allianz der Wissenschaftsorganisationen bietet unter dem Motto „Tierversuche verstehen – Eine Informationsinitiative der Wissenschaft“ umfassende aktuelle Informationen zu vielen Aspekten im Zusammenhang mit Tierversuchen an: https://www.tierversuche-verstehen.de
Für die meisten Versuche (> 95 %) werden kleine Nager wie Mäuse und Ratten genutzt. Für sehr spezifische Fragestellungen werden vereinzelt Kaninchen verwendet. An der Universität Regensburg werden keine Versuche mit Hunden, Katzen oder Primaten durchgeführt.
Tierversuche an der Universität Regensburg werden von den Fakultäten für Medizin, Biologie & Vorklinische Medizin sowie Chemie & Pharmazie durchgeführt. Forschungsschwerpunkte, bei denen Tiere zum Einsatz kommen sind u. a.: Tumorforschung, Herz-Kreislauf-Forschung, Immunologie, Infektionserkrankungen (Bakterien, Viren, Parasiten), muskuloskelettale Erkrankungen und Erkrankungen des Nervensystems. Die Versuche dienen überwiegend der biomedizinischen Grundlagenforschung sowie der translationalen und angewandten Forschung (z. B. Therapie und Diagnostik von Erkrankungen). Die Ergebnisse werden regelmäßig in einschlägigen Fachzeitschriften veröffentlicht. Die Publikationslisten sind auf den Seiten der jeweiligen Lehrstühle einsehbar.
Jeder geplante Tierversuch muss nach § 8 TierSchG mit ausführlicher schriftlicher Begründung und dem Nachweis, dass die organisatorischen und personellen Voraussetzungen zur Durchführung vorliegen, bei der zuständigen Behörde beantragt werden. Für Regensburg ist die Regierung von Unterfranken zuständig (https://www.regierung.unterfranken.bayern.de/aufgaben/177673/177698/index.html).
Die Anträge werden zusätzlich auch von einer Ethikkommission bewertet, deren Vertreter aus Wissenschaft und Tierschutz durch die Genehmigungsbehörde nach § 15 Abs. 1 TierSchG berufen werden. Bei der Durchführung des Versuches müssen die Angaben und Auflagen im Zusammenhang mit der Genehmigung strikt eingehalten werden.
Vor Ort erfolgen regelmäßige Kontrollen der Tierhaltung durch das Umweltamt der Stadt Regensburg, Abteilung Veterinärwesen und Verbraucherschutz (https://www.regensburg.de/rathaus/aemteruebersicht/direktorium-3/umweltamt/veterinaerwesen-verbraucherschutz). Ein großer Teil der Kontrollen findet unangekündigt statt. Dies bedeutet, dass die Amtsveterinäre ohne Anmeldung vor Ort erscheinen und alle Tiere eines Tierhaltungsbereiches sowie die zugehörigen Dokumente und die Einhaltung der gesetzlichen und behördlichen Vorgaben direkt überprüfen. Dabei muss den Amtsveterinären uneingeschränkter Zugang und der Einblick in alle Aufzeichnungen gewährt werden.
Hausintern erfolgen regelmäßige Überprüfungen durch die Tierschutzbeauftragten, wobei es sich um Tierärzte mit fachspezifischer, 4-jähriger Zusatzausbildung handelt. Die Tierschutzbeauftragten werden von dem gesetzlich vorgeschriebenen Tierschutzausschuss in ihrer Tätigkeit unterstützt. Neben den Tierärzten steht ein Team von speziell ausgebildeten Tierpflegern und technischem Personal an 7 Tagen in der Woche zur Verfügung, um das Wohlergehen der Tiere zu gewährleisten.
Der Tierversuchsantrag muss in einer genau festgelegten Form (s. Formulare der Regierung von Unterfranken) an die Genehmigungsbehörde gestellt werden. Nur wenn alle formalen Vorgaben erfüllt sind, erfolgt die Prüfung der wissenschaftlichen Darlegungen durch die Veterinäre des Sachgebiets 54 der Regierung von Unterfranken. Bei Unklarheiten werden Rückfragen gestellt, zu denen der antragstellende Wissenschaftler Stellung nehmen darf. Das gesamte Verfahren nimmt in der Regel mehrere Monate, teilweise aber auch weit über ein Jahr in Anspruch. Nur wenn alle Rückfragen der Regierung und der § 15-Kommission nachvollziehbar beantwortet wurden und die Unerlässlichkeit des Tierversuchs gegeben ist, erfolgt eine Genehmigung. Andernfalls wird der Antrag abgelehnt. Das kommt aber selten vor, weil Wissenschaftler in der Regel ihr Vorhaben im Austausch mit der Behörde verbessern, bis es alle Kriterien erfüllt und genehmigungsfähig ist.
Die Zahlen zu den in Versuchen verwendeten oder anderweitig im Rahmen der Versuchstierhaltung an der Universität Regensburg gezüchteten und getöteten Tiere werden von der jeweiligen Arbeitsgruppe bzw. den zuständigen Versuchsleitern projektspezifisch erfasst. Sie werden jährlich gemäß der Versuchstiermeldeverordnung an das Umweltamt der Stadt Regensburg und von dort an das BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung) übermittelt. Nach Prüfung werden die Zahlen für ganz Deutschland jährlich auf den Seiten des Bf3R veröffentlicht (https://www.bf3r.de/de/erfassung_von_versuchstierzahlen_in_deutschland-310435.html).
Die aktuellen Zahlen für das Bundesland Bayern können bei „Tierversuche verstehen“ im „Kompass Tierversuche“ eingesehen werden (https://www.tierversuche-verstehen.de/kompass-tierversuche-2024/).
Zur Einordnung ist es interessant zu wissen, dass von den insgesamt in Deutschland getöteten Tieren ein Anteil von weniger als 1 % für wissenschaftliche Zwecke eingesetzt wird. Der Großteil von ca. 95 % wird zur Ernährung von Menschen und ca.
5 % für die Fütterung von Heimtieren (insbes. Katzen und Hunde) verwendet.
Nach Möglichkeit werden an der Universität Regensburg stets Versuche an schmerzfreier Materie anstelle von Tieren durchgeführt. Dazu gehören biochemische Präparationen, Zellen, Zellverbände, isolierte Organe und Computermodelle.
Derzeit sind diesen Methoden aber noch diverse Grenzen gesetzt. So lassen sich zwar beispielsweise bereits einzelne Organe oder sogar bestimmte Organsysteme des Menschen im Miniatur-Format nachbilden („Organ-on-a-chip“), es können aber z. B. die Funktionen des Immunsystems oder des Gehirns nicht nachgeahmt werden. Ebenso ist die Lebensdauer solcher Gebilde begrenzt, sodass sie derzeit noch nicht für Langzeitstudien eingesetzt werden können. Ähnliches gilt für komplett tierfreie in-silico-Methoden (also Computersimulationen), die ebenfalls nur ein begrenztes Spektrum der Funktionen des (menschlichen) Körpers nachbilden können.
Tierversuchskundlich tätige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Universität Regensburg sind beim Einsatz von Tieren dem Prinzip der „3R“ von Russell & Burch verpflichtet.
Dazu gehört neben dem Einsatz tierfreier Methoden (= Replacement) auch das Hinwirken auf die Verminderung der Anzahl (= Reduction) der verwendeten Tiere und die kontinuierliche Optimierung im Hinblick auf das Wohlbefinden der Tiere (= Refinement). Zum Refinement gehören beispielsweise verbesserte Haltungsbedingungen mit Enrichment (= Behausungen, Spielmaterial) in den Käfigen, die Anwendung besonders sanfter Methoden bei der Handhabung von Tieren sowie der Einsatz von Trainingsmethoden zur Stressreduktion im späteren Versuch, aber auch der Ersatz invasiver durch schonendere Methoden (z. B. Verwendung von nicht-invasiv gewonnenem Material zum Nachweis genetischer Veränderungen bei Mäusen). Ebenso gehört zu diesem Konzept der Verzicht auf das Arbeiten mit Säugetieren, wenn weniger entwickelte Spezies verwendet werden können. So werden an der Universität u. a. Forschungsprojekte im Bereich der Grundlagenforschung an Ameisen, Bienen oder Seenanemonen gefördert.
Für Studierende wird in Regensburg im Rahmen der Lehre auf Tierversuche verzichtet. In einigen Studiengängen sind im Lehrplan Module oder Veranstaltungen vorgesehen, bei denen auch Tiere und tierische Materialien eingesetzt werden. Die Nutzung von Tieren erfolgt dabei überwiegend in Form von Dauerpräparaten, Schlachtabfällen, bebrüteten Eiern und tierschutzgerecht getöteten Tieren (z. B. Hühnerküken) für Präparationsübungen. Die Information zu den Details der Nutzung von Tieren in einzelnen Studiengängen erfolgt im Rahmen der fachspezifischen Studienberatung.
Für das Arbeiten mit lebenden Tieren in der Forschung ist gemäß den gesetzlichen Vorgaben ein Sachkundenachweis vorgeschrieben. Dabei müssen sowohl internationale (z. B. Aus- und Fortbildungsrahmen zur RL 2010/63/EU, Empfehlungen der FELASA) als auch nationale (z. B. Anlage 1, Tierschutzversuchstierverordnung) Vorgaben beachtet werden. Soweit möglich kommen zu Ausbildungszwecken Ersatz- und Ergänzungsmethoden in Form von Bild- und Videomaterial, Präparaten, Modellen oder Computersimulationen zum Einsatz. Für bestimmte Techniken ist jedoch der Einsatz von Tieren in der Ausbildung derzeit alternativlos, da eine Übertragung vom Modell auf den lebenden Organismus (sei es Mensch oder Tier) nicht in allen Fällen ohne weiteres möglich ist. Es ist daher im Sinne des Tierschutzes unumgänglich, dass das Arbeiten mit Tieren oder tierischen Produkten unter fachkundiger Anleitung erlernt wird, bevor eine selbstständige Durchführung erfolgt. In der Ausbildung wird in Theorie und Praxis ein Fokus auf Tierschutz und das 3R-Konzept gelegt. Jede Person, die in Regensburg mit Tieren arbeitet, muss sich zudem regelmäßig mindestens 8 Stunden pro Jahr zu aktuellen, tierschutzrelevanten Themen fortbilden. Alle im Tierversuch tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Universität Regensburg sind also verpflichtet, sich fortlaufend mit den Möglichkeiten zur Verbesserung des Tierwohls im Rahmen von Tierversuchen und mit den Neuerungen im Bereich Ersatz- und Ergänzungsmethoden zu befassen. Dabei bestehen umfangreiche nationale und internationale Kooperationsprojekte, die auch der Verbesserung und Reduktion von Tierversuchen dienen.