Wie bei jedem anderen Studienfach stellt sich auch bei der Slavistik die Frage: "Und was mache ich dann hinterher beruflich?"
Die Antwort ist ähnlich wie bei Jurist*innen, Mediziner*innen oder Informatiker*innen. Es kommt darauf an, wie man sich in dem jeweiligen Rahmen spezialisiert und welches Profil man sich erarbeitet.
Durch die Sprach-, Text- und Kulturkompetenz für die Länder in Mittel-, Ost- und Südosteuropa hat man eine Expertise, die in national und international agierenden Institutionen, Organisationen und Unternehmen in den Bereichen Kulturarbeit, Bildung, Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft gefragt sind.
So hat man bereits während des Studiums viele Möglichkeiten, das gewünschte Berufsziel in Blick zu nehmen.
Dafür gibt es in Regensburg ausgezeichnete Voraussetzungen! Wir bieten eine Vielfalt an Sprachen (Bosnisch/Kroatisch/Serbisch, Polnisch, Russisch, Slowakisch, Tschechisch) sowie die Internationalisierung des Studiums, die durch Stipendien gefördert wird. Die Herkunftssprecher*innen werden außerdem in spezialisierten Sprach- und Fachkursen betreut. Auch kann man die slavistischen Studienfächer im kombinierten Bachelorstudiengang nicht nur untereinander, sondern auch mit Fächern wie Kultur- oder Medienwissenschaft, Geschichts- oder Politikwissenschaft, Rechts- oder Wirtschaftswissenschaften sowie Medieninformatik kombinieren.
Eine solche fachliche Fokussierung ist auch im Rahmen der international studierten binationale Bachelorstudiengänge wie Deutsch-Polnische, Deutsch-Tschechische oder Interdisziplinäre Deutsch-Russische Studien sowie beim Master Slavistik oder in den interdisziplinären Masterstudiengängen Osteuropastudien und Ost-West-Studien an der Universität Regensburg möglich.
Die Verzahnung mit anderen Fächern ist in Regensburg optimal. Viele der Geisteswissenschaften haben einen Osteuropaschwerpunkt, d.h. sie bieten spezielle Kurse zu Mittel-, Ost- und Südosteuropa an oder haben sogar eigens darauf ausgerichtete Lehrstühle. Konkret trifft dies etwa für die Geschichts- und Politikwissenschaft zu. Mit dem neuen Department für Interdisziplinäre und Multiskalare Area Studies erhöht sich auf der Masterebene die Möglichkeit eines forschungsorientieren Studiums, das am Institut für Slavistik durch eine Reihe von Drittmittel gefördeten Forschungsprojekten geprägt ist.
Der Berufseinstieg der künftigen Absolvent*innen wird an der Universität durch Berufsmessen und in slavistischen und interdisziplinären Studiengängen auch durch Praxis- und Praktikumsmodule gefördert. Für die internationalen Praktika kann man durch BAYHOST oder die Bayerisch-Tschechische Hochschulagentur (BTHA) finanzielle Unterstützung erhalten.
Es lohnt sich also, bereits während des Studiums, mögliche Berufsziele ins Auge zu fassen. Unsere Curricula sind entsprechend gestaltet und wir unterstützen Sie gerne bei Auslandsaufenthalten und der Praktikumssuche. Ausblicke darauf werden in den angeschlossenen exemplarischen Werdegängen gewährt.
Beate Herget
Bereits am Gymnasium hatte ich Interesse an Mittel- und Osteuropa und besuchte daher den Wahlunterricht in Russisch. Nach dem Abitur 1992 entschied ich mich für ein Studium der Geschichte kombiniert mit einer Fremdsprache und wählte die "Marktlücke" Russisch als Interessensschwerpunkt: Wintersemester 1992 bis Sommersemester 1998: 1.Hauptfach: Geschichte (Ost- und Südosteuropas), 2.Hauptfach: Ostslavistik mit Erstsprache Russisch und Zweitsprache Polnisch (Auslandssemester: Odessa, Krakau; Sprachkurse: Odessa, Krakau, Lodz) an der Uni Regensburg. Das eigentliche Berufsziel ergab sich während des Studiums und wurde auch durch außeruniversitäre Praktika, Informationen und Kontakte maßgeblich beeinflusst: So arbeitete ich von 1998 bis 2000 am Institut für Auslandsbeziehungen e.V., Stuttgart (ifa) und wurde im Auftrag des Auswärtigen Amtes an eine polnische NGO (Non Governmental Organisation), das Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit, Gleiwitz/Gliwice (HDPZ), entsandt. Dort war ich Leiterin des Projekts "Lokale Geschichte am Beispiel ausgewählter Kreise, Städte und Gemeinden". Projektziele waren u.a. die dt.-poln. Aussöhnung vor Ort in der historisch belasteten Region Schlesien und ideologiefreie Aufarbeitung der Regional- und Lokalgeschichte. Ende 2000 kehrte ich nach Deutschland zurück und es folgte eine Phase der beruflichen Neuorientierung. Seit 2001 bin ich Assistentin bei einer internationalen Großbank. Meine Tätigkeit liegt im Bereich Corporate and Investment Banking mit Schwerpunkt Kontinentaleuropa (d.h. auch MOE-Staaten und Russland).
Wichtig: Offenheit für und Interesse an Sachgebieten, die zwar mit osteuropäischen Sprachen und Kulturen in Zusammenhang stehen können, über den rein slavistischen Bereich jedoch hinausgehen, wie z.B. politische Bildung, Kulturarbeit, Politik, Verwaltung und - last but not least - die Wirtschaft. Möglichst frühzeitige Information und Orientierung über das gesamte Berufsfeld. Flexibilität und Mobilität.
Christian Prunitsch
Als Slavist genießt man das außerordentliche Privileg, sich mit europäischen Philologien befassen und trotzdem in keiner Vorlesung um einen Platz auf der Hörsaaltreppe oder bei einem Auslandssprachkurs balgen zu müssen. Studierenden westeuropäischer Philologien passiert dies erfahrungsgemäß regelmäßig. Der Kontrast wird besonders augenfällig etwa bei der (ansonsten wenig empfehlenswerten) Studienkombination von Slavistik und Anglistik: Während die anglistischen Kommilitonen über mehrere Semester hinweg um Auslandsstipendien betteln und zum Schluss sogar noch selbst in finanzielle Vorleistung treten müssen, hat man selbst als Slavist in dieser Zeit bereits ohne größeren organisatorischen Aufwand vier Sprachkurse in drei Ländern Mittel- und Osteuropas besucht und ist um viele - wie sich manchmal erst deutlich später herausstellt - Erfahrungen und Qualifikationen reicher. Allein dies kann schon als gewichtiges Argument für ein Slavistikstudium gelten. Studiert man das Fach in den 1990ern, so wird man als höchst merkwürdiges Geschöpf bisweilen misstrauisch beäugt, bisweilen in einer Mischung aus Grauen und Ehrfurcht bestaunt. Klar - in diesen Jahren weiß niemand, wie die Dinge sich entwickeln, nicht alle Revolutionen enden in der unblutigen Etablierung demokratischer Systeme, und über das wirtschaftliche Potential - während des weltweiten Siegeszugs eines neu aufgelebten Vulgärkapitalismus ultima ratio bei der Frage nach der Interessantheit eines Landes - des "Ostens" redet in sprach- und literaturwissenschaftlichen Veranstaltungen zum Glück niemand. Umso mehr ist die Rede von den Kulturen der slavischen Völker, und hier hält jedes Semester neue Entdeckungen bereit, die im Selbstbedienungsladen der Auslandsstipendien durch konkrete Anschauung äußerst konkret auf ihren Wahrheitswert überprüft werden können. Hinzu kommt die in Europa stets relevante und mit jedem Jahr stärker ins Zentrum tretende Kompetenz - gerne auch "soft skill" - des Kulturvergleichs: Die anfangs unüberschaubar anmutende Diversität slavischer Kultur beginnt sich im Hauptstudium zu einer schon territorial beachtlichen Vorstellung von erlebter Geschichte und möglicher Zukunft Europas zu ordnen - eine Perspektive, die in kaum einem anderen Studium zu erwerben ist.
Herrlich unbeschwerte Studentenjahre also, ein engmaschiges Netz internationaler Freundschaften, kein Konkurrenzdruck - aber was kommt danach? Die Frage ist noch während des Examenssemesters nicht beantwortet, umso verlockender erscheint die Alternative, die Abschlussprüfungen doch noch hinauszuschieben, um auf den rettenden Wink aus "der Wirtschaft" zu warten. Keine gute Entscheidung, denn der Slavist ist grundsätzlich zur Selbständigkeit verurteilt - oder mit ihr gesegnet. Er besitzt ein seltenes Wissen, und es liegt an ihm, den Rest der Welt davon zu überzeugen, dass sie dieses Wissen benötigt, noch bevor sie selbst darauf kommt. Hier gibt es zwei Möglichkeiten: den Erwerb von Zusatzqualifikationen zur Verbreiterung des potentiellen Einsatzbereichs (die Standardvariante für Vorsichtige) oder die konsequente Fortsetzung des Orchideenprinzips (der extravagante Weg für Risikofreudige). Letzteres kann die Beschäftigung mit Sprachen und Kulturen bedeuten, von denen selbst die Slavisten nicht selbstverständlich wissen, dass sie überhaupt in ihren Forschungsbereich gehören. Es gibt Sprachen wie Rusinisch, Kaschubisch oder Niedersorbisch, über deren Autonomiestatus sich nicht einmal die Fachwelt einig werden kann. Dies sind Nischen im Quadrat: kleine, aber wenig beachtete Bereiche eines an sich schon kleinen Fachs mit einem gewaltigen Gegenstandsbereich. Eine Nische ist aber keine Sackgasse, obwohl diese Vermutung grassiert wie die Angst, der Himmel könnte einem auf den Kopf fallen. Im Gegenteil: Gezielt betrieben, kann man durch sorgfältige Spezialisierung bei gleichzeitiger Wahrung des Blicks fürs Ganze - eine Fähigkeit, die Slavisten hervorragend beherrschen - in Bereichen tätig werden, deren eklatanter Nachwuchsmangel eine berufliche Stellung fast automatisch garantiert. Unversehens ist aus dem verschmähten, hässlichen Slavistenentlein ein gefragter Experte geworden, dessen Dienste man sich in Verlagen, in Forschung und Gesellschaft nur zu gern versichert - gibt es ihn doch nur in sehr begrenzter Stückzahl. Es muss also nicht unbedingt die Kompetenz sein, Dostoevskijs Romane aus dem Kopf rezitieren zu können, die den Slavisten in Lohn und Brot bringt. Es kann auch die Neugier sein - und Philologen sind ja berufsmäßige Schnüffler -, entlegene Gebiete zu erkunden, in ihnen heimisch zu werden und die so erworbenen Kenntnisse aktiv zu verwerten. Das ist riskant, zweifellos. Gelingt es, so sieht man sich in der Lage, großen deutschen Zeitungen die Rezension des neuen Buches eines renommierten Schriftstellers anzubieten, dessen Texte viele Liebhaber, aber nur wenige sachkundige Forscher vorfinden, und diese Rezension mit Handkuss abgenommen zu bekommen. Dafür bekommt man noch keinen Ferrari - aber man ist auf dem besten Weg, sich selbst unentbehrlich zu machen.