Satzzeichen sind für manchen eher ein Glücksspiel oder werden als bloße Nebensache empfunden, indem beispielsweise Kommata wie mit dem Salzstreuer vergeben werden – mal fehlen sie, wo sie vorgeschrieben oder zumindest sinnvoll sind („Die schnöde Nahrungsaufnahme ist vielfach gefährlicher als mancher denkt.“ Hier gehört zwingend ein Komma hinter „gefährlicher“, weil danach ein vollständiger Nebensatz folgt, der den davor stehenden Hauptsatz ergänzt.) Und mal stehen sie dort, wo sie beim besten Willen nicht hingehören und den Leser verwirren („Eine, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte begründende…“) – das Komma hinter „Eine“ muss ersatzlos wegfallen, weil es dort keinerlei Berechtigung hat und keinen Sinn ergibt. Aber keine Sorge: Hier soll es nicht um Nachhilfe in Duden-Regeln gehen. (Zumal selbige gerade in diesem Punkt durch die lange zurückliegende große Rechtschreibreform von 1996 gelockert und seither mehrfach modifiziert wurden – so jüngst erst wieder zum 1.7.2024. Juristisch sind sie ohnehin nicht mehr das maßgebliche Regelwerk, sondern die Verlautbarungen des „Rats für deutsche Rechtschreibung“.) Sondern: Es gibt noch ein paar weitere Satzzeichen im nützlichen Werkzeugkasten der Interpunktion, die zu wenig bedacht werden!
So kann der Doppelpunkt ein „alternatives“ Gliederungsmittel sein, um klarzustellen: Die Sätze davor und dahinter gehören inhaltlich enger zusammen, als ein Punkt dies nahelegen würde (zB weil der zweite Satz eine Begründung für den ersten oder eine Folge/Schlussfolgerung liefert). Er erleichtert beim Lesen das Verständnis. Zugleich schafft er einen kleinen Spannungsbogen – einen Mini-Cliffhanger sozusagen. Natürlich darf dieses Stilmittel nicht im Übermaß eingesetzt werden; etwa zweimal hintereinander, bevor dann wirklich endlich mal wieder ein Punkt folgt.
Dasselbe gilt für das viel zu selten genutzte Semikolon: Es trennt zwei Sätze nicht so schroff voneinander wie ein Punkt, aber doch etwas stärker als ein Komma. Ein guter Wegweiser und eine übersichtlichere Gliederung also für das logische Verständnis einer komplexen Aussage, die da gerade getätigt wird. Empfiehlt sich zumal bei langen Satzgebilden.
Klammern können einen eingeschobenen Gedanken, der nicht in eine Fußnote ausgelagert werden soll oder kann, umschließen. Der Leser weiß sofort: Hier kommt eine kleine (also eher kurze) Ergänzung zu dem vorher und hinterher Gesagten, die an dieser Stelle zum besseren Verständnis nützlich ist und vielleicht auf einer anderen „Ebene“ liegt – die aber nicht unmittelbar die hauptsächliche Argumentation oder Aussage betrifft. Sondern sie nur moderat unterbricht, also den Lesefluss weniger beeinträchtigt als ein weiterer Satz ohne diese Kennzeichnung.
Einschübe (Parenthesen) können aber auch durch einen Gedankenstrich gekennzeichnet werden. Dieser ist zugleich eine gute Alternative zu Sätzen in Klammern (s. o.), um jenes Stilmittel nicht im Übermaß zu verwenden. Genannt wird er auch Halbgeviert-, Bis- oder Streckenstrich; gemeint ist also der lange Strich und nicht der typografisch hier oft falsch eingesetzte kurze Trenn-/Bindestrich.
Aber der Gedankenstrich kann noch für einen anderen Zweck eingesetzt werden – nämlich um einen Spannungsbogen aufzubauen. Eine Alternative also zu dem bereits erwähnten „Mini-Cliffhanger“ durch einen Doppelpunkt. So kann man zwischen beiden „Tricks“ variieren, um keinen zu verschleißen und niemanden durch übermäßige Verwendung „anzuöden“.
Und nun zum Schluss unvermeidlich zum Komma: Wird es falsch (regelwidrig oder unlogisch) gesetzt oder weggelassen, führt das die Leser schnell auf die falsche Fährte. Sie stutzen (zumindest unbewusst) und müssen womöglich das ganze Satzgefüge nochmals lesen, um den wirklich gemeinten Sinn zu erfassen. Besonders irritierend ist das Fehlen dieses Satzzeichens, wenn nach einem eingeschobenen Neben(!)satz der Hauptsatz mit einem „und“ fortgeführt wird. Ein Beispiel aus einem juristischen Text: „Eine Satzungsbestimmung, die vorsieht, dass zu einer Mitgliederversammlung auf elektronischem Weg eingeladen wird<,> und im Falle des Widerspruchs und der vollständigen Angabe der Postanschrift die Übersendung einer schriftlichen Einladung vorsieht, ist zulässig.“ Warum habe ich dort das markierte Komma ergänzt? Der „Hohlspiegel im „Spiegel“ zitierte mal die lustige Fehlleistung: „Der Betreiber einer Waschanlage muss Schadensersatz zahlen, wenn er die Fahrer von Autos mit Automatikgetriebe nicht ausdrücklich warnt, dass sie erst starten dürfen, wenn die Ampel am Ausgang der Waschanlage Grün zeigt<,> und ihr Auto von der Anlage geschädigt wird.“ Ohne das von mir hinzugefügte Komma hieße das: Kunden würden generell aufgefordert, erst dann loszufahren, wenn ihr Fahrzeug angeknackst wurde – als sei dies der Normalfall bei Waschdurchgängen.
Früher war es übrigens obligatorisch, zwei durch ein „und“ oder „oder“ verbundene Haupt(!)sätze durch ein Komma abzutrennen. Das ist etwas aus der Mode gekommen, wird aber durchaus immer noch öfters so gehandhabt. Meine persönliche Einschätzung: Sind die beiden Hauptsätze eher kurz, würde ich es weglassen, bei längeren hingegen zum besseren Verständnis der Gliederung/Logik einsetzen. Ein Beispiel, bei dem es sicher Geschmackssache ist, für welche der beiden Lösungen man sich entscheidet: „Wäre eine Änderung des ArbZG rechtlich möglich und wie könnte die aussehen?“
Prof. Dr. Joachim Jahn, Mitglied der NJW-Chefredaktion, Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) a.D., Berlin und Frankfurt