Universität Regensburg/Pennsylvania State Universität
BERICHT ZUR SUMMER SCHOOL IN MODERN JEWISH HISTORY
3. – 11.9.2016
Zehn Regensburger Studierende aus den Fakultäten Philosophie, Kunst-, Geschichts- und Gesellschaftswissenschaften sowie Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften und der Graduiertenschule für Ost- und Südosteuropa haben im Spätsommer 2016 an einer „Summer School in Modern Jewish History“ in den USA teilgenommen die gemeinsam vom Institut für Geschichte der UR (Prof. Liedtke) und dem Jewish Studies Programme der Pennsylvania State University (Prof. Brinkmann) organisiert wurde. Die Gruppe verbrachte zunächst zwei Tage in New York City, gefolgt von fünf Tagen auf dem Campus von Penn State in Zentralpennsylvania und schließlich zwei Tage in Philadelphia. Hier ist ein kurzer Bericht über die Aktivitäten aus studentischer Sicht.
Die „konstituierende Sitzung“ der Sommerschule fand im Battery Park an der Südspitze Manhattans statt, von wo die Fähren zur Statue of Liberty und Ellis Island abfahren. Die 1876 aufgestellte Statue war das erste, was die Einwanderer aus Europa von ihrer neuen Heimat sahen, bevor sie in der Einwandererstation von Ellis Island landeten. Das dortige Immigration Museum ermöglicht mit seinen diversen Ausstellungen in den größtenteils im Originalzustand erhaltenen Räumlichkeiten einen vergleichsweise authentischen Blick auf den Prozess des Ankommens, und machte somit auch den Inhalt der theoretischen Vorbereitung im Vorfeld der Sommerschule greifbar. Unter den 12 Millionen Migranten, die von den 1890er bis 1950er Jahren die Station durchliefen, befanden sich rund zwei Millionen Juden, mehrheitlich aus Osteuropa. Diese veränderten die amerikanisch-jüdische Demografie grundlegend. Am zweiten Tag in New York schlossen sich unserer Gruppe einige Studierende und Dozenten der Pennsylvania State University zu einem Besuch des Leo Baeck Institute in New York an, einem der führenden Forschungs- und Dokumentationszentren der neueren jüdischen Geschichte. Der Direktor hatte das am Sonntag eigentlich geschlossene Zentrum netterweise nur für unsere Gruppe geöffnet. Vor Ort hatten wir die Möglichkeit eine eindrucksvolle Ausstellung („Stolen Hearts“) über die systematische Enteignung deutscher Juden in Berlin zu besichtigen und bekamen zudem eine Einführung in den Aufbau und die Arbeit des Instituts. Professor Brinkmann führte die Gruppe anschließend gekonnt durch Lower Manhattan, wo bis zum Zweiten Weltkrieg die zentralen jüdischen Siedlungsgebiete lagen und noch zahlreiche jüdische Geschichtsorte zu sehen sind.
Nach der gemeinsamen Busfahrt nach State College, der Stadt in der der Hauptcampus der Penn State University liegt, begann am folgenden Tag das dortige akademische Programm. Die Zusammensetzung der Gruppe bot hier von Anfang an die Möglichkeit für angeregte Diskussionen und die intensive Besprechung der zuvor zur Verfügung gestellten Texte. Des Weiteren standen alle Dozenten für persönliche Fragen zur Thematik zur Verfügung. In den Mittelpunkt des Diskurses während dieser Sitzungen rückte sehr schnell der Umgang der Menschen mit ihrer Identität als Juden im Wandel der Epochen. Diskutiert wurden die verschiedenen Migrationswellen, das Ankommen als Einwanderer, die Formierung unterschiedlicher jüdischer Gruppierungen, die Erfahrung von Ablehnung und Antisemitismus oder auch Herausforderungen, die mit der Frage nach Stellenwert des eigenen Glaubens, welche bereits in Europa sehr unterschiedlich beantwortet worden war, einhergingen, und die mit der Ankunft in den USA wieder präsent wurden. Durch die gemischte Zusammensetzung der Studierenden und ihrer Studiengänge (Geschichtswissenschaft, Politikwissenschaft und Amerikanistik) war hier schnell ein interdisziplinärer Diskurs möglich, der vielen neue Anregungen und Sichtweisen aufzeigte.
In unserer freien Zeit in State College lernten wir das amerikanische Campus-Leben näher kennen. Herr Brinkmann gab im Vorfeld bereits eine Übersicht über den Campus, so dass wir unsere Freizeit selbstständig in State College gestalten konnten. Neben der eindrucksvollen Bibliothek hatten wir auf einem Campusfest die Möglichkeit die einzelnen Institute und den typisch amerikanischen Campus-Flair näher kennenzulernen.
Das Programm der Summer School beinhaltete neben den Sitzungen mit Herrn Brinkmann und Herrn Liedtke auch einige Gastvorträge von Lehrenden aus dem Jewish Studies Programme und den Besuch der Synagoge von State College. Dort trafen wir Rabbi David Ostrich, der uns in einer offenen Diskussionsrunde viele unserer Fragen beantwortete und außerdem einen detaillierten Einblick in die Organisation und das Leben moderner jüdischer Gemeinden in Amerika gab. In wenigen Tagen hatten die Studierenden ein Verständnis dafür erarbeitet, welche Muster sich in der modernen jüdischen Geschichte, einer Geschichte fortlaufender Migration, finden und mit welchen Problemen Juden in verschiedenen Teilen der Welt konfrontiert waren.
Die Gastvorträge einiger Dozenten des Jewish Studies Programms der Pennsylvania State University fanden ebenfalls im kleinen Rahmen statt und waren eine einmalige Möglichkeit einen detaillierten Einblick in die aktuellen Forschungen zu erhalten und persönliche Fragen beantwortet zu bekommen. Des Weiteren wurden durch die Interkulturalität der Dozenten auch internationale Unterschiede im Umgang mit jüdischer Geschichte und speziellen Aspekten sichtbar. Die Begeisterung über diese Chance wurde vor allem in der Nachbesprechung innerhalb der Gruppe sichtbar. Wie schon zuvor in New York, hatten wir nebenbei auch die Gelegenheit, mit Philadelphia eine ganz anders geartete, amerikanische Stadt kennenzulernen, immerhin die viertgrößte des Landes.
Mit diesem Wissen führte die letzte Etappe der Exkursion nach Philadelphia. Hier bot sich der Exkursionsgruppe nicht nur die Gelegenheit die Independence Hall zu besichtigen, die in der Geschichte der USA selbstverständlich eine zentrale Rolle einnimmt, und in der der Grundstein für den amerikanischen Wertekanon gelegt worden war, dem die USA ihre Attraktivität als Einwanderungsland verdankte, sondern auch der Besuch des direkt daneben liegenden National Museum of American Jewish History stand auf dem Programm. Die beeindruckende Ausstellung, die hier über vier Stockwerke die gesamte Geschichte der nach Amerika ausgewanderten Juden erzählt, war somit ein mehr als passender Ort, um noch einmal über die Erkenntnisse, die im Laufe der Exkursion gesammelt worden waren, zu reflektieren und sich das riesige Spektrum, das jüdische Geschichte als Forschungsgebiet darstellt, vor Augen zu führen.