Page 109 - Forschungsbericht 2015 bis 2018 Universtität Regensburg
P. 109

Lebende Zellen und Mikroelektronik:
        eine zukunftsreiche Kombination



        Fraunhofer-Einrichtung für Mikrosysteme und Festkörper-Technologien:
        Arbeitsgruppe »Zell-basierte Sensorik«
        Leiter: Prof. Dr. Joachim Wegener, Institut für Analytische Chemie, Chemo- & Biosensorik der Universität Regensburg


                                                            roelektroden, Optroden, Piezoresonatoren) zu kultivieren, um Ver-
      Foto: © Fraunhofer EMFT/Bernd Müller                  änderungen dieser Zellen / Gewebe im Verlauf eines Experimentes
                                                            direkt und ohne vorherige Anfärbung oder Markierung zu erfassen
                                                            und so biologische Wirkmechanismen in Echtzeit aufzuspüren. Da-
                                                            mit können zelluläre Reaktionen auf Chemikalien, Pharmaka oder
                                                            Mikroorganismen zerstörungs- und markierungsfrei auch über lan-
                                                            ge Zeiten verfolgt werden. Ziel ist es dabei immer, die Wirkung einer
                                                            experimentellen Beeinflussung auf den Zellverband zu erfassen. Die
                                                            physikalischen Sensoren werden sehr vielseitig und multimodal aus-
                                                            gelegt, um beispielsweise Veränderungen im zellulären Wachstum
                                                            oder  zellulären  Volumen  sowie  die  Fähigkeit  zur  Zellwanderung
                                                            oder zur zellulären Kommunikation zugänglich zu machen.
                                                            Derzeit ist die Fraunhofer Arbeitsgruppe »Zellbasierte Sensorik« in
                                                            den Räumlichkeiten des Instituts für Analytische Chemie, Chemo-
                                                            und Biosensorik der Universität untergebracht, um die Synergien
        Multi-Elektrodenlayout zur parallelen Untersuchung mehrerer   zwischen akademischer Vorlaufforschung und anwendungs-
        Zellproben in Mikrofluidik-Chips.                   orientierter  Entwicklung  im  Modell der Fraunhofer-Gesellschaft
                                                            bestmöglich zu nutzen. Es ist das Ziel der Arbeitsgruppe, die weit
        In allen Bereichen der biomedizinischen Forschung sind experimen-  entwickelten technischen Möglichkeiten von Mikroelektronik und
        telle Untersuchungen an lebendenden menschlichen oder tierischen   Mikrosystemtechnik für zellbasierte, biomedizinische und biotech-
        Zellen (sog. zellbasierte Assays) von herausragender Wichtigkeit.   nologische Anwendungen nutzbar zu machen.
        Die aus Organen und Geweben des Körpers isolierten und im Labor    https://www.emft.fraunhofer.de/de/kompetenzen/
        kultivierten Zellen erlauben Experimente an lebenden Modellsyste-  innovative-sensorloesungen/zell-basierte-sensorik.html
        men abseits der Komplexität eines lebenden Organismus im Hoch-
        durchsatz unter genau zu kontrollierenden äußeren Bedingungen.   Menschliche oder tierische Zellen werden
        Die Einsatzgebiete solcher zellbasierter Assays reichen von grund-  auf technischen Sensoren (Hintergrund)
        legenden biomedizinischen Fragestellungen über Wirkstoffentwick-  im Labor kultiviert, um die Reaktion der
                                                              Zellen auf Pharmaka, Giftstoffe oder
        lung und Toxizitätsprüfung bis zu personalisierter Medizin.   Umwelteinflüsse markierungs- und
        Typischerweise werden die zellulären  Modellsysteme als zweidi-  zerstörungsfrei messbar zu machen.    Foto: © Fraunhofer EMFT/Bernd Müller
        mensionale Zellschichten auf dem Boden einer Petrischale kultiviert
        und nach einem experimentellen Stimulus zu einem definierten
        Zeitpunkt angefärbt oder markiert, um die Zellreaktion beispiels-
        weise  mikroskopisch zu  analysieren.  Moderne  Hochdurchsatzan-
        wendungen erlauben es, mit Zellarealen von weniger als 1 mm²
        für  die Untersuchung auszukommen.  Seit einigen Jahren ist  ein
        Paradigmenwechsel von zwei- zu dreidimensionalen Modellsys-
        temen zu beobachten. Mehrere tausend Zellen des gleichen oder
        unterschiedlichen Typs werden zunächst zu gewebeähnlichen, häu-
        fig kugelförmigen Strukturen aggregiert, bevor sie im Experiment
        eingesetzt werden. Solche multizellulären Sphäroide spiegeln die
        dreidimensionale Architektur des realen Gewebes besser wider als
        ihre zweidimensionalen Analoga, so dass die Testergebnisse oft eine
        größere physiologische Relevanz besitzen.
        Die Fraunhofer EMFT verfolgt in ihrer Außenstelle auf dem Campus
        der Universität Regensburg seit Anfang 2017 das Konzept, zwei-
        dimensionale Zellschichten und dreidimensionale Gewebemodelle
        direkt auf der Oberfläche von physikalischen Sensoren (z. B. Mik-


                                                                                                               107
   104   105   106   107   108   109   110   111   112   113   114