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Magie, Mythos und Medizin

Von den Kelten wurde die Mistel als heilige Pflanze verehrt: Weder dem Himmel noch der Erde zugehörig, wurde ihre epiphytische Wuchsform als Zeichen ihrer himmlischen Herkunft gedeutet. Schließlich sollten auch die Götter für die Verbreitung ihrer Samen verantwortlich sein. Besondere Bedeutung erfuhren die gelbbeerigen Sträucher auf Eichen: Sie wurden am sechsten Tag nach dem Neujahrsmond mit einem goldenen Messer von einem Druiden während einer Zeremonie geschnitten. Damit sie ihre Zauberkraft nicht verlieren, wenn sie die Erde berühren, wurden sie mit einem weißen Tuch aufgefangen. Von der Verabreichung der alles Heilenden, wie sie genannt wurde, versprach man sich Furchtlosigkeit, Stärke, Fruchtbarkeit sowie Resistenz gegen allerlei Übel und Gifte. (So erklärt sich auch die wichtigste Zutat für den Zaubertrank in dem französischen Comic „Asterix“.) Die Reifung der Beeren zur Wintersonnwende sollte zudem das fruchtbringende Frühjahr einläuten. Ein Mistelzweig als tödlicher Pfeil greift ebenfalls das Werden und Vergehen der Natur in der nordischen Jahresmythologie auf: Der Sonnengott Baldur wird vom den blinden Wintergott Hödur, der von dem Kriegsgotts Loki überlistet wurde, durch einen Pfeil aus Mistelholz getötet. Nach der Götterdämmerung setzt mit der Wiederkehr Baldurs ein neues lichtes Zeitalter ein.


Loki führt die Hand des blinden Hödurs

Loki führt die Hand des blinden Hödurs, der mit einem Pfeil aus Mistelholz unabsichtlich seinen Bruder Baldur tötet. SÁM 66, f. 75. Entst. 1765/66. Mit freundlicher Genehmigung des Arni Magnusson Institute for Icelandic Studies.


Die goldene Farbe der Mistelblätter bei Mangelversorgung verhieß in der Sagenwelt besondere Zauberkraft: In der Aeneis schützt der goldene Zweig den trojanischen Heros vor den Mächten der Unterwelt und im Nibelungenlied verleiht die goldene Rute ihrem Besitzer Allmacht. Bis ins letzte Jahrhundert vertraute man in Europa auf die apotropäische Wirkung der Hexenbesen vor Zauber, Blitz und Feuer. Kräuterbücher früherer Zeiten versprachen Heilung von Geschwüren, Mittelohrentzündung, Fallsucht, Krämpfen und nervösen Zuständen.


Hieronymus Bock: Kreütterbuch

Bock verweist auch in der bildlichen Darstellung auf die Verbreitung der Mistel durch Vögel hin. (Hieronymus Bock: Kreütterbuch. Darin underscheidt Namen u. Würckung d. Kreütter, Stauden, Hecken u. Beumen, sampt ihren Früchten, so inn Teutschen Landen wachsen. Straßburg 1580. f. 334v.  Dauerleihgabe Regensburgische Botanische Gesellschaft)


  1. Universität
  2. Universitätsbibliothek Regensburg

Die Mistel - Zwischen Himmel und Hölle


Eine Virtuelle Ausstellung

der Universitätsbibliothek Regensburg