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DaF - Theatergruppe Babylon - Aufführungen - 2007

Die Eroberung der Prinzessin Turandot

eine Komödie in zwei Teilen

nach Wolfgang Hildesheimer

im Theater an der Uni

von 26. bis 30. Juni


Inhalt

Am chinesischen Hof lebt die unverheiratete Kronprinzessin Turandot. Angeblich auf Wunsch der Götter darf sie nur den Mann heiraten, der sie im Gespräch besiegt. Hinter diesem Wettkampf des Intellekts stehen aber die machtpolitischen Interessen des chinesischen Reichs und des intriganten Kanzlers Hü. Denn während Turandot die Prinzen der Nachbarländer besiegt, erobert die chinesische Armee die – nun nachfolgerlosen – Nachbarländer. Denn die Prinzen werden nicht etwa – wie behauptet – als Bettler fortgeschickt, sondern hingerichtet.
Während die chinesische Armee unterwegs ist, um Persien zu erobern, wird die Situation am chinesischen Hof langsam prekär. Es gibt keine Prinzen mehr – und so ist die Linie des Kaisergeschlechts in Gefahr: Der Kaiser versucht Turandot mit einem chinesischen Adligen zu verheiraten, der Kanzler möchte selbst als ihr Mann zum Herrscher werden. Da klopft ein weiterer Kandidat – der Hochstapler „falscher Prinz von Astrachan“ – an die Tür. Er wird von Pnina, einer früheren Prinzessin, die nach der Eroberung ihres Landes als Dienerin von Turandot am chinesischen Hof lebt, sofort wieder erkannt und – nachdem er die Prinzessin besiegt hat, auch entlarvt. Am Ende des ersten Aktes wird er dafür in den Kerker geworfen.
Am Anfang des zweiten Aktes ist die Situation verfahren. Turandot hat dem Volk verkünden lassen, dass sie besiegt worden ist; und nun möchte das Volk seinen zukünftigen Herrscher auch sehen. Die Prinzessin hat sich in den falschen Prinzen verliebt und weigert sich bei den Plänen ihres Vaters und des Kanzlers weiter mitzuspielen. Der Kanzler versucht, die Situation zu lösen, indem er dem echten Prinzen von Astrachan die Prinzessin anbietet. Dieser kommt auch nach China – allerdings nicht als Freier, sondern als Eroberer. Während die chinesische Armee in Persien nur Niederlagen einsteckt, wird China nun von einer fremden
Barbarenarmee erobert. Turandot überredet den Prinzen, Pnina zu heiraten und mit ihr und dem falschen Prinzen von Astrachan als graue Eminenzen im Hintergrund China zu regieren. Der Kanzler wird hingerichet.


interpretation

Schon die Anweisung "Zeit: Sagenhafte Vorzeit Ort: Das China der Sage, aber nicht das China der Chinoiserie" zeigt, wie man diese Komödie in zwei Akten von 1960 zu lesen hat. Als eine Satire auf die Macht- und Eroberungssucht von Staaten, als Satire auf die Institution Kirche, die ihre Voraussagen und Riten gerne an die Bedürfnisse
der Mächtigen angleicht. Denn der Eroberungshunger des chinesischen Staates führt nur zu dessen Eroberung durch den Prinzen von Astrachan.
Der einzige Mensch ist der falsche Prinz – also ausgerechnet die Figur, die in ihrer Rolle schon auf „Schein statt Sein“ festgelegt zu sein scheint. Der Hochstapler ist nicht von politischer Macht verführt und zeigt so auch Turandot, dass sie wohl ihre Rolle und die realen Vorgänge am chinesischen Hof nur bewusst verdrängt hat und nicht etwa nichts wusste. Am Ende siegt die Menschlichkeit, die ganz auf das Diesseits und die Anonymität gerichtete Liebe des Hochstaplers und Turandots – aber angepasst an die Realität der nichtüberwindbaren Forderungen der Welt, die sich nicht ändern ließ. Denn sie dienen dem neuen Kaiser von China, stellen also für
ihr persönliches Glück und ihren Intellekt in den Dienst der realpolitischen Macht – und sind viel zu intelligent, um diesen illusionslosen Zynismus nicht zu erkennen. Im Gegensatz zu den Vertretern der Religion, dem Hüter, dem Deuter und dem Oberpriester ist ihre Religion nur der Rückzug ins Private.
Auf jeder Ebene und in jedem Dialog sieht man die satirische, manchmal zynische Ironie, mit der das Thema Macht und Liebe behandelt wird – auch wenn das Ende versöhnlich und in der Zeichnung des Liebespaars sogar zärtlich ist.


Rollen

Der Kaiser von China
Turandot, seine Tochter
Hü, Kanzler
Tse, Oberrichter und Zeremonienmeister
Die drei Weisen
Der Oberpriester
Der Vogelflugdeuter
Der Hüter der heiligen KüheLiang, eine alte Sklavin
Pnina, eine junge Sklavin
Der falsche Prinz von Astrachan
Der echte Prinz von Astrachan
Hofleute, Diener, Wachen, Sklaven und Sklavinnen, Soldaten

Zeit: Sagenhafte Vorzeit
Ort: Das China der Sage, aber nicht das China der Chinoiserie


Autor

Wolfgang Hildesheimer wurde am 9. Dezember 1916 in Hamburg geboren und starb am 21. August 1991 in Poschiavo, Graubünden in der Schweiz.
Er war ein deutscher Schriftsteller und Maler, der vor allem durch seine Hörspiele und Dramen bekannt geworden ist und Mitglied der Gruppe 47.
Seine Herkunft beschreibt er selbst: „Meine Vorfahren väterlicherseits waren Rabbiner, einer nach dem anderen, nur mein Vater hatte keine Lust mehr und
wurde Chemiker; mütterlicherseits waren sie Buchhändler, dem Vater meiner Mutter fühle ich mich verwandt, er war ein Stoiker, zeichnete gut, spielte Violine, war sein Leben lang niemals beim Zahnarzt und steckte seine Pfeife brennend in die Tasche.“ (Vita, S.17)
Er war also Sohn jüdischer Eltern, die Familie emigrierte und so kann Hildesheimer erzählen: “Meine ersten beiden Jahrzehnte verbrachte ich in Hamburg, Berlin, Cleve, Nymwegen, Mannheim, der Odenwaldschule, Frensham Heights School (Surrey), Jerusalem, London, Mousehole (Cornwall), Flüelen (Uri) und wieder Jerusalem; und zwar als Säugling, Kind;/ Elementarschüler, Gymnasiast, Schüler eines Landschulheims, Public-School-Boy, Tischlerlehrling, Kunststudent, Maler, Graphiker und Müßiggänger, das letztere zwischen längeren Perioden jeweiliger Tätigkeit, aber nicht weniger intensiv. Dann brach der Krieg aus, und ich wurde, dank dieser Vorbildung, englischer Informationsoffizier in Palästina, damals noch britisches Mandat. Der Staat Israel lag noch in weiter Ferne“. (Vita,. S.17)
Er arbeitete erst als Maler und Bühnenbildner, wurde dann Simultandolmetscher bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen und lebte dann als Maler am Starnbergsee. Seine ersten Versuche als Schriftsteller beschreibt er – in stilisierter Weise folgendermaßen: “Ich Wolfgang Hildesheimer mietete mir eine Wohnung mit Atelier in Ambach am Starnberger See und malte, aber nicht lange: genau bis zum 18. Februar 1950 vormittags.
An diesem Tag war es in meinem Atelier sehr kalt, sehr feucht, es zog. Ich fror an den Händen und mußte in die Nähe des Ofens rücken, wo es aber zum Malen zu dunkel war. Unlustig - die Unlust hat in meinem Leben immer eine große, wenn nicht gar entscheidende Rolle gespielt, und ich habe ihr viel zu verdanken -, unlustig also nahm ich ein Blatt Papier zur Hand, um wenigsten zu zeichnen, aber wider jegliches Erwarten begann ich eine Geschichte zu schreiben. Am nächsten Tag schrieb ich eine zweite, und so wurde ich allmählich Schriftsteller, denn wenn man einmal mit dem Schreiben angefangen hat, scheint es schwer, wieder damit aufzuhören, selbst wenn man will, und ich habe seitdem schon mehrmals gewollt. Jedenfalls habe ich jahrelang keinen Pinsel und keine Zeichenfeder zur Hand genommen, bis ich 1964 das damals begonnene Gemälde zu Ende malte, wieder gegen jegliches Erwarten.“ (Vita 17f). Seine ersten literarischen Werke waren die Erzählungen „Lieblose Legende“, während er in den fünfziger Jahren in satirischer, aber nach teilweise liebevoller Weise die lieblose Welt beschreibt und demaskiert und das politische Ränkespiel kritisiert, entwickelt er sich Ende der fünfziger Jahre in die Richtung des absurden Theaters bis zu seinem letzen Hörspiel 1977, das den Weltuntergang als vollendete Tatsache beschreibt. Bis zu seinem letzten Buch, einer fiktiven Biographie lebte er als Doppelbegabung, 1981 erklärte er seinen Austritt aus der Literatur und arbeitete – abgesehen von literarischen Gelegenheitsarbeiten – als bildender Künstler.
Aus: Walter Killy: Deutsches Literaturlexikon. Volker Jehle (Hg): Wolfgang
Hildesheimer. suhrkamp taschenbuch materialien. 1989.




  1. Universität Regensburg

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