inhalt
Das Märchen von Ödön von Horvath spielt im Himmel auf der Erde und in der Hölle und erzählt die Geschichte der Familie Steinthaler und vor allem ihrer Tochter, der Opersängerin Luise Steinthaler.
Erster Teil
Im Himmel:
Frau Steinthaler ist gestorben und kommt in den Himmel. Dort erzählt sie Petrus, dass sie sich sehr viele Sorgen um ihre Tochter Luise macht, die Opernsängerin werden will und dabei keine Unterstützung findet.
Auf der Erde/Vor dem Bühnentürl
Luise wartet vor dem Bühnetürl auf den Intendanten, weil sie ihm vorsingen möchte. Der Bühnenportier versucht sie zu verjagen und auch Lauterbach, der erfolglose und angetrunkene Hilfsregisseur mit Zahnweh macht sich lustig über sie. Als der Intendant kommt, hat er keine Zeit für sie und Luise bleibt allein zurück.
Im Himmel:
Frau Steinthaler macht sich immer mehr Sorgen um Luise und kann auch im Himmel nicht glücklich werden. Sie gibt die Schuld ihrem Mann, der nur getrunken und sich nie um seine Familie gekümmert hat.
In der Hölle
Die Verdammten beschweren sich bei den Vizeteufeln und gerade als die versuchen, sie zum Schweigen zu bringen, kommt der Teufel. Zwei verdammte Seelen beschweren sich und der Teufel bestraft sie.
Auf der Erde/Vor dem Bühnentürl
Luise wartet vor dem Bühnentürl und erfährt, dass der Intendant gestorben ist und sie vergeblich wartet. Aber sie entschließt sich, auf den neuen Intendanten zu warten.
In der Hölle
Der Intendant ist in die Hölle gekommen, weil er mit dem Teufel einen Vertrag geschlossen hatte. Er hatte seine Seele verkauft, um ein erfolgreicher Intendant zu werden. Aber da er Schmerzen mag, gefällt es ihm in der Hölle, Erst als der Teufel ihm androht, zärtlich zu ihm zu sein, bekommt er Angst und darf auf die Erde zurück, weil er dem Teufel eine neue Seele für die Ewigkeit verspricht.
Auf der Erde/Vor dem Bühnentürl
Lauterbach kommt betrunken zum Bühnetürl, wo Luise und der Bühnenportier warten. Er wollte feiern, dass der Intendant tot ist, aber dieser ist wieder ins Leben zurückgekehrt und da hat er aus Verzweiflung weiter getrunken. Der Intendant erkennt, dass Luise eine gute Kandidatin ist, um ihre Seele dem Teufel zu verkaufen und lässt sie vorsingen.
Im Himmel
Frau Steinthaler ist vor Sorge um ihr Kind krank geworden - erst als Petrus erzählt, dass Luise vorsingen darf, wird sie wieder gesund. Aber für ihren Ruhm muss Luise ihre Seele dem Teufel verkaufen.
In der Hölle
Der Teufel merkt, dass seine Vizeteufel einen falschen Vetrag gemacht haben: Gerade als er sie tadelt, kommt Lauterbach in die Hölle, weil er betrunken in ein Motorrad gelaufen ist.
Auf der Erde/Vor dem Bühnentürl
Luise ist ein großer Star geworden und viele Autogrammjäger warten auf sie. Aber damit ist sie nicht glücklich, weil sie langsam Angst bekommt, da sie für ihren Ruhm ja ihre Seele verkauft hat.
Zweiter Teil
Im Himmel
Frau Steinthaler freut sich über die Zeitungsberichte über ihre berühmte Tochter, weil Petrus ihr noch immer nicht sagen konnte, dass Luise für den Ruhm ihre Seele dem Teufel verkauft hat.
In der Hölle
Lauterbach verabschiedet sich von dem Teufel, weil er jetzt gebessert in den Himmel darf. Der Teufel bittet ihn, auf dem Weg in den Himmel dem Intendanten einen Brief zu geben, in dem steht, dass er sofort in die Hölle kommen soll.
Auf der Erde/In Luises Garderobe
Lauterbach gibt den Brief für den Intendanten ab. Luise hat immer mehr Angst wegen ihres Teufelspaktes und immer weniger Vergnügen an ihrem Ruhm. Sie streitet sich mit dem Intendanten, muss aber auf die Bühne. Der Intendant liest währenddessen seinen Brief.
Im Himmel
Lauterbach darf nicht in den Himmel, weil er zu nett zu dem Teufel war und so muss er auf die Erde zurück und noch einmal versuchen, ein gutes Leben zu führen.
Auf der Erde/In Luises Garderobe/In der Hölle
Während Luise in der Garderobe auf ihre Auftritte wartet, hat der Teufel ein Foto von ihr gesehen und möchte nun eine Affäre mit ihr anfangen. Er macht sich schön und geht auf die Erde. Aber Luise weist ihn ab und sie streiten. Sie bittet ihn, den Vertrag zu lösen und er macht es aus Zorn. Das ist das Ende ihrer Karriere, da sie ihre Stimme verliert
Im Himmel
Als der Autogrammjäger in den Himmel kommt, verrät er Frau Steinthaler, dass Luise ihre Stimme verloren hat und kein Star mehr ist. Von Petrus erfährt Frau Steinthaler, dass Luise einen Pakt mit dem Teufel hat. Sie geht zu Gott und bittet um Gnade für ihr Kind.
Auf der Erde/Im Café
Luise sitzt im Café und schreibt einen Abschiedsbrief, weil sie sich umbringen möchte, Lauterbach arbeitet in dem Kaffee als Kellner und hält sie fest, weil sie ihren Kaffee nicht mehr bezahlen kann.
Im Himmel
Frau Lauterbach hat auch für ihren Mann um Gnade gebeten und jetzt endlich geht es auch ihr gut.
Auf der Erde/Im Cafe
Lauterbach möchte Luise laufen lassen, aber sie verlieben sich ineinander und Luise bleibt da und wartet auf ihn.
Im Himmel
Herr Steinthaler kommt aus der Hölle in den Himmel und versöhnt sich dort mit seiner Frau.
In der Hölle
Der Teufel merkt, dass eine seiner Seelen - Herr Steinthaler - erlöst wurde und ist böse.
Auf der Erde/Lauterbachs Zimmer
Luise hat einen Albtraum, aber Lauterbach nimmt ihn nicht ernst.
Im Himmel/In der Hölle
Der Teufel fragt Petrus, ob er in den Himmel zurück darf, und Petrus antwortet mit vielleicht, weil der Teufel ja die Seele von Luise freigegeben hat.
interpretation
In Märchen sind Zauberfiguren wie Teufel, Hexen und Engel selbstverständlich und auch, dass man in den Himmel oder in die Hölle kommen kann, muss weder motiviert noch erklärt werden. Und genau diese Selbstverständlichkeit haben die Hölle und der Himmel auch in dem musikalischen Märchen von Ödön von Horváth, das wir dieses Jahr spielen.
Aber ist die Märchenform und die Geschichte um die Pakte und Kompromisse, die Menschen eingehen, um Erfolg zu haben, wirklich Eskapismus, eine Ablenkung von den Ereignissen 1934, als Horváth dieses Stück geschrieben hat?
Oder trifft zu, was er in einem Interview gesagt hat, nämlich dass man die Märchenform für Kritik nutzen kann, die man nicht klar aussprechen darf?
Die Literaturkritiker haben sich bemüht, diese Zeitkritik in dem Stück zu finden und sie haben in der Hölle hinter dem Begriff “faschiert” (österreichisch für gehackt) und dem Teufelssystem einen Hinweis auf den Faschismus gesehen.
Auch wenn Horvath sich aus dem Repertoire der alten Zauberpossen und Märchenstücke des Wiener Theaters bedient, so gibt er diesem Setting doch einen ganz eigenen Horvathschen Dreh und wegen dieses neuen Fokus haben wir das Stück gewählt.
Was uns an Horvaths Sprache und seinen Stücken fasziniert, ist, wie er die Sprachlosigkeit und die Ausweglosigkeit der Menschen zeichnen kann, die in geronnenen Floskeln ihre Träume ausdrücken, die dann doch nur die immer gleichen Klischées vom Glück und obskure Obsessionen darstellen.
Es ist kein Zufall, dass der Teufel sich in dem Vertrag mit Luise ihre privatesten Gefühle überschreiben lassen will, denn er möchte wieder Emotionen jenseits von Wut und Angst fühlen können, und eigentlich sollte man meinen, dass man bei einem Menschen, dem man seinen Herzenswusch erfüllt hat, ein bisschen Glück und Freude “mitfühlen” können sollte. Aber nein, Menschen sind nie zufrieden, und als Luise Erfolg hat, wünscht sie sich ein stereotypes Kleinbürgeridyll mit Mann, Kind und Wohnküche.
Dass der Teufel den Vertrag zerreißt, hat vielleicht auch etwas damit zu tun, dass der merkt, dass diese privaten echten Gefühle, die er miterleben wollte, nur abgeschmackte Hollywood-Träume sind und so letztendlich er betrogen wurde.
Und so hängen sie alle an ihren leeren Träumen und alten Verbitterungen fest, die Menschen in diesem Stück, ob sie jetzt im Himmel, auf der Erde oder in der Hölle gelandet sind. Die Hölle machen sie sich und den anderen immer selbst - ob es nun Lauterbach ist, der immer mehr sein will und seinen Traum vom Erfolg nie erfüllt sieht oder Frau Steinthaler, die nur für Luise lebt und ihrem Mann nicht verzeihen kann.
Aber gerade Frau Steinthaler schenkt uns ein bisschen Hoffung darauf, dass wir uns aus dieser - allzu menschlichen - Unzufriedenheit befreien können. Denn sie erkennt, dass sie ihren Frieden - auch im Himmel - nur dann finden kann, wenn sie ihrem Mann verzeiht - und nicht mehr versucht, ihn zu ändern zu erziehen und nach ihren Wünschen zu formen.
Für die anderen Menschen in diesem Stück sehen wir aber nicht so optimistisch in die Zukunft. Denn auch Luise, die ja am Ende ihren neuen Herzenswunsch, das kleine Glück erfüllt bekommen, hat, bekommt in der letzten Szene nicht den Trost von Lauterbach, den sie sich wohl gewünscht hat. Wie wird es wohl mit den beiden weitergehen? Ähnlich wie bei ihren Eltern...
Dass man Muster nicht immer und immer wieder verwirklichen muss, sehen wir eher im Himmel und in der Hölle, denn St. Petrus und der Teufel haben mehr gemein, als man auf den ersten Blick meinen könnte. Auch wenn der Teufel aus Verzweiflung über die Schlamperei in seiner Hölle und das ganze Gejammer mit Wut und Strafen reagiert - eigentlich kann er lernen, etwas ändern und sich vielleicht so bessern, dass er am Schluss wieder in den Himmel kommt. Denn es braucht ihn als das böse Prinzip auch nicht, die Hölle können die Figuren in dem Stück sich und wir Menschen uns gut selbst bereiten. Und auch selbst damit wieder aufhören.
Luises Stimme
“Meinst du? Es ist eine Gehetztheit in mir, als müsst ich mich teilen– – und dann muß ich an meine Mutter denken, aber ich weiß es nimmer, wie sie ausgesehen hat und plötzlich ist nichts mehr da. Ich auch nicht.” - das sagt Luise, als sie am Ende des ersten Teiles merkt, welchen Preis sie für die Erfüllung ihres Herzenswunsches zahlen muss.
Wir haben diese Teilung gezeigt, indem wir neben der privaten Luise Luises Stimme besetzt haben: Die äußere Person, der große Star, ist Verkörperung der festen Rolle, in der wir alle in manchen Situationen auftreten: Als diese äußere Person ist sie gefangen in den Erwartungen der anderen und ihren eigenen Pflichten.
Luises Stimme reflektiert die Erwartungen der anderen und zeigt, wie sich die Welt das Auftreten einer großen Diva vorstellt.
Dass sie aber mehr sieht und kennt als die großen Gefühle ihrer Opernarien, sehen wir, wenn sie mit “ihrem” Lied - “Das Glück ist a Vogerl” - die Handlungen und Eigenschaften der privaten Luise spiegelt und kommentiert.
Rollen
St. Petrus
Ein kleiner Bub
Frau Steinthaler
Luise
Luises Stimme
Der Bühnenportier
Ein Dienstmann
Lauterbach
Intendant
Der Teufel
Zwei Vizeteufel
Zwei verdammte Seelen
Herr Steinthaler
Ein himmlischer Arzt
Eine himmlische Krankenschwester
Ein Autogrammjäger
Die Garderobenhex
Der Inspizient
Der Dirigent
Julius Cäsar
verdammte Seelen,
eine Gruppe Autogrammjäger
Schauplatz: Die Bühne ist in drei übereinanderliegende Teile geteilt, und zwar: Himmel, Erde, Hölle.
autor
Ödön von Horváth wird am 9. Dezember 1901 in Fiume, heute Rijeka in Kroatien, geboren. Sein Elternhaus kann man als eine „typisch alt- österreichisch-ungarische“ Großbürgerfamilie bezeichnen.
Während seiner Kindheit wechselte die Familie wegen des Berufs des Vaters oft Land und Wohnort. Ödön war gerade einmal eineinhalb Jahre alt, als die Familie nach Belgrad umzog. Er besuchte zunächst Schulen in Budapest, München und Wien, wo er 1919 das Abitur machte
Während seiner Schulzeit - so erzählte zumindest er selbst - wechselt er viermal die Unterrichtssprache.
Anschließend übersiedelte er nach München und schrieb sich an der Universität für die Fächer Theaterwissenschaft und Germanistik ein.
Nachdem er sein Studium vorzeitig abgebrochen hatte, ging er nach Berlin und arbeitete dort als freier Schriftsteller.
1931 wurden seine beiden sehr bekannten Theaterstücke „Italienische Nacht“ und „Geschichten aus dem Wiener Wald“, für das er den Kleist-Preis erhielt, uraufgeführt.
“Ödön von Horváth bringt in seinen Stücken die Alltagsprobleme der einfachen Leute in ihrer eigenen Sprache auf die Bühnen der Städte Berlin, Leipzig und Hamburg und gibt dem Theater seiner Zeit die entscheidenden Impulse für eine Neuorientierung. Dafür erhält er 1931 zusammen mit Erik Reger den Kleist-Preis.” (aus. www.literaturportal-bayern.de/autorenlexikon)
Durch den Erfolg wurde u.a. Carl Zuckmayer auf ihn aufmerksam und es begann eine Freundschaft zwischen ihnen.
Auch wenn sich Horváths Leben zu größten Teilen in Metropolen abspielte, so zog es ihn doch zum Schreiben immer wieder aus der Großstadt in das beschauliche Murnau in Oberbayern. Hier fühlte er sich sehr wohl und schien eine Art „Heimat“ gefunden zu haben, denn er stellte im April 1927 einen Antrag auf Einbürgerung, welcher jedoch abgelehnt wurde. In der Folgezeit bezeichnete er sich dann verstärkt als Weltbürger. 1933 musste Horváth dann nach Budapest reisen, um seine ungarische Staatsbürgerschaft nicht zu verlieren. In seinen Theaterstücken kritisierte er immer wieder den aufkommenden Nationalsozialismus und bezog Stellung gegen dessen Anhängerschaft. Den Nazis missfiel er zunehmend. Nachdem sie seinetwegen eine Hausdurchsuchung im elterlichen Haus vorgenommen hatten, verließ der Schriftsteller 1933 Deutschland. 1934 kehrte er wieder nach Berlin zurück, doch eine Untersuchung, die gegen ihn eingeleitet wurde, zwang ihn, das Land nun für immer zu verlassen. Bis zum Überfall der Nazis auf Österreich lebte er in Wien. Auf Umwegen gelangte er nach Paris, wo er am 1. Juni 1938 auf den Champs-Èlysées während eines Gewitters von einem herunterstürzenden Ast erschlagen wurde.
“Ödön von Horváth gilt als Erneuerer des Volksstücks, Chronist seiner Zeit und Diagnostiker des Kleinbürgertums. Seine Stücke und Romane haben bis heute nichts an Aktualität eingebüßt.”
(aus. www.literaturportal-bayern.de/autorenlexikon)