Am 25. und 26. Oktober 2019 fand die interdisziplinäre Tagung zum Thema „Neu wahr-nehmen – Theologische Sondierungen zu Nachfolge, Bekehrung und Konversion“, veranstaltet durch die Professur für Fundamentaltheologie in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Exegese und Hermeneutik des Neuen Testaments, in den Räumen der Universität Regensburg statt. Mit Vorträgen aus den Teildisziplinen der Theologie sowie aus dem Bereich der Musik- und Naturwissenschaft mit anschließenden Diskussionen, konnten die Teilnehmenden einen Einblick in die vielschichtigen Perspektiven dieses Themenkomplexes erhalten. Ein Höhepunkt war zudem der öffentliche Vortrag von Prof. Dr. Eberhard Schockenhoff (Professor für Moraltheologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und von 1990 bis 1994 Professor für Moraltheologie an der Universität Regensburg) unter dem Titel „Maßnehmen am Evangelium. Umkehr als Ereignis und Prozess des Christseins.“ In einer Schlussreflexion konnten zudem verbindende Elemente der einzelnen Themenfelder abschließend diskutiert werden.
Guardini-Zitate
Zitat 1
Das sind die beiden Pole des Seins: Zweck und Sinn, Streben und Wachsen, Arbeiten und Hervorbringen, Ordnen und Schaffen.
Die Liturgie hat keinen »Zweck«, kann wenigstens vom Gesichtspunkt des Zweckes allein aus nicht begriffen werden. Sie ist kein Mittel, das angewandt wird, um eine bestimmte Wirkung zu erreichen, sondern – bis zu einem gewissen Grade mindestens – Selbstzweck. Sie ist nicht Durchgang zu einem außerhalb liegenden Ziel, sondern eine in sich ruhende Welt des Lebens. Das ist wichtig. Übersieht man das, dann müht man sich ab, in der Liturgie allerlei erzieherische Absichten zu finden, die wohl irgendwie hineingelegt werden mögen, aber nicht wesentlich sind.
Das ist die wunderbare Tatsache, die in der Liturgie gegeben ist: Kunst und Wirklichkeit ist eins im übernatürlichen Kindsein vor Gott. Was sonst nur im Reich des Unwirklichen, in der künstlerischen Vorstellung gegeben ist, nämlich die Formen der Kunst als Ausdruck vollbe-wussten Menschenlebens, das ist hier Wirklichkeit. Sie sind die Daseins- und Ausdrucksge-stalten eines wirklichen, freilich übernatürlichen Lebens. Doch auch dieses hat mit dem des Kindes und dem der Kunst das eine gemein: es ist frei vom Zweck, dafür aber voll tiefsten Sinnes. Es ist keine Arbeit, sondern Spiel. Vor Gott ein Spiel zu treiben, ein Werk der Kunst – nicht zu schaffen, sondern zu sein, das ist das innerste Wesen der Liturgie.
Auszug aus: R. Guardini, Vom Geist der Liturgie, Kapitel „Liturgie als Spiel“.
Zitat 2
Die Frage nach dem „Wesen des Christentums“ ist in verschiedener Weise beantwortet worden. Man hat gesagt, es bestehe darin, dass die Einzelpersönlichkeit in den Mittelpunkt des religiösen Bewusstseins trete; dass Gott sich als Vater offenbare, und der Glaubende Ihm in reiner Unmittelbarkeit gegenüberstehe; dass die Nächstenliebe zum entscheidenden Wert werde und so fort – bis zu den Versuchen, das Christentum als die vollkommene Religion einfachhin zu erweisen, weil es der Vernunft am meisten gemäß sei; die reinste Sittlichkeit enthalte und mit den Forderungen der Natur am besten übereinstimme.
Diese Antworten gehen sämtlich fehl. Einmal deshalb, weil sie die freie Fülle der christlichen Gesamtwirklichkeit zugunsten eines besonderen Momentes, das aus irgendwelchen Gründen gerade als das Wichtigste empfunden wird, einschränken. Wie wenig sie zureichen, geht schon daraus hervor, dass es fast immer möglich ist, ihnen eine ebenso vertretbare und im Eigentlichen ebenso unzugängliche andere gegenüberzustellen. So kann man mit guten Gründen sagen, der Kern des Christentums bestehe in der Entdeckung der religiösen Gemeinschaft, ja sogar der überindividuellen Ganzheit; es offenbare die Unzugänglichkeit Gottes und sei daher die Mittlerreligion schlechthin; durch den Vorrang der Liebe zu Gott hebe es die unmittelbare Nächstenliebe auf und so fort – bis zu solchen Bestimmungen, wonach es jene Religion wäre, welche den Anspruch der Vernunft am entschiedensten bricht, den Vorrang des Ethischen verneint und der Natur zumutet, anzunehmen was ihr im Innersten widerstrebt.
Jene Antworten sind aber – und darin liegt das Entscheidende – auch deshalb falsch, weil sie in der Form abstrakter Sätze gegeben werden. Sie stellen ihren „Gegenstand“ unter allgemeine Begriffe. Gerade das widerstreitet aber dem tiefsten Bewusstsein des Christentums selbst, denn so wird es auf natürliche Voraussetzungen zurückgeführt: auf das nämliche, was Erfahrung und Denken unter Persönlichkeit, religiöser Unmittelbarkeit, Liebe, Vernunft, Ethik, Natur usw. verstehen. In Wahrheit geht das Christliche in solchen Begriffen gerade nicht auf. […]
Das Christliche ist letztlich keine Wahrheitslehre oder Deutung des Lebens. Es ist auch das; aber darin besteht nicht sein Wesenskern. Den bildet Jesus von Nazareth, dessen konkretes Dasein, Werk und Schicksal – das heißt also eine geschichtliche Person. […]
Das Christliche ist Er selbst; das, was durch Ihn zum Menschen gelangt und das Verhältnis, das der Mensch durch Ihn zu Gott haben kann.
Vom 26.-28. April 2013 fand im Rahmen des Seminars „Offenbarungsverständnis und Christologie bei Romano Guardini“ eine Exkursion nach Heiligenkreuz im Wienerwald statt. Die Tagung „‘Der Herr’ gegen die Heilbringer“, die von EUPHRAT (Europäisches Institut für Philosophie und Religion an der Phil.-Theol. Hochschule Benedikt XVI. Heiligenkreuz) veranstaltet wurde, erinnerte an Romano Guardinis (1885-1968) christologisches Meisterwerk „Der Herr“, das vor 80 Jahren erstmals eröffentlicht wurde.
Durch die vorbereitende Lektüre von Ausschnitten des Herrn und eine biographische Einführung waren die Studierenden gut gerüstet, um die verschiedenen Vorträge zu verfolgen. Prof. Dr. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz erläuterte Guardinis Zeitdiagnose, PD Dr. Martin Brüske setzte den „Herrn“ in den theologiegeschichtlichen Zusammenhang, während Prof. Dr. Alfons Knoll die Interpretationen Guardinis von Werken Pascals, Dostojewskis und Hölderins vorstellte. Guardinis Rilke-Interpretationen, vorgetragen von Prof. Dr. Michael Wladika eröffneten den Samstagnachmittag, der ansonsten der Jungen Forschung mit der Vorstellung ihrer Projekte zu Guardini gewidmet war. Prof. Dr. Harald Seubert las Guardini aus dem Blickwinkel eines evangelischen Philosophen, während sich Prof. P. Dr. Kosmas Thielmann OCist der geistlichen Lektüre des „Herrn“ widmete. Eingerahmt wurde die Tagung vom geistlichen Rhythmus des Klosters, insbesondere der Konventmesse am Sonntagvormittag. Auf der Rückfahrt und in den verbleibenden Seminarsitzungen in Regensburg war und ist noch Gelegenheit zur Reflexion dieses Tagungserlebnisses und zur weiteren Vertiefung anhand von weiteren Texten Guardinis, u.a. zur Gestalt des Heilbringers in Mythos, Offenbarung und Politik.
Sylvia Schraml