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Mitteilungen der Universität Regensburg

Heizungen, Elektromobilität, Bahnfahren

UR-Professor Dr. Jürgen Kühling, Vorsitzender der Monopolkommission, in der Reihe der „Regensburg Lectures in Sustainability“ über die Herausforderungen der ökologischen Transformation der Marktwirtschaft


9. Juli 2024

Unlängst übergab Professor Dr. Jürgen Kühling, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Immobilienrecht, Infrastrukturrecht und Informationsrecht an der Universität Regensburg (UR), dem Bundeswirtschaftsministerium das jährliche Hauptgutachten der Monopolkommission, deren Vorsitzender er ist. Am 25. Juni 2024 ermöglichte er Gästen aus Universität und Stadt im H24 des Vielberth-Gebäudes in der UR-Reihe Regensburg Lectures in Sustainability einen Blick in die jüngsten Empfehlungen des Gremiums. Kühling griff Themen auf, die für eine ökologische Transformation der bundesdeutschen Marktwirtschaft unabdingbar sind: Fernwärme, Elektromobilität, Bahnfahren. Universitätspräsident Professor Dr. Udo Hebel betonte in seinem Grußwort, es sei ihm in besonderem Maße wichtig, „dass wir uns im Rahmen wissenschaftlichen Austauschs für die großen Zukunftsthemen engagieren und in die gesellschaftliche Diskussion einbringen“.

Vor diesem Hintergrund dankte Hebel dem Nachhaltigkeitsbeauftragten der Universitätsleitung, Professor Dr. Andreas Roider, der Redner und Publikum begrüßte. Jürgen Kühling griff im Anschluss in einem kurzweiligen Vortrag drei Themen auf, die die Gesellschaft ebenso wie die Monopolkommission in jeder Hinsicht nachhaltig beschäftigen: Heizungen, E-Mobilität und Bahnfahren. Schwierige Themen, welche die Monopolkommission durchleuchtet und der Bundesregierung Hinweise gibt sowie Problemlösungsansätze empfiehlt.

Wie bekommt man eine ökologische Marktwirtschaft hin? Kühling geht mit dem Redner einer früheren Regensburg Lecture in Sustainability an der UR, Professor Achim Wambach PhD, konform: Klima muss sich lohnen, für alle. Es gehe um Gerechtigkeit auch für künftige Generationen, erinnert Kühling. Viele Disziplinen müssen zusammenwirken, man müsse voneinander lernen und sich erinnern: Kleinste Veränderungen im  Klimasystem können Auswirkungen haben und bewirken, dass Kipp-Punkte erreicht werden, die sich nicht rückgängig machen lassen und das Klima damit qualitativ verändern.

 
Prof. Dr. Jürgen Kühling, Universität Regensburg, Vorsitzender der Monopolkommission. Foto: Julia Dragan / Universität Regensburg

Aber wie nun die breite Masse für die Notwendigkeiten gewinnen? Mit dem Gebäude-Energiegesetz, „dem großen öffentlichen Aufreger“, ist es nicht gelungen. Das dazugehörige Instrumentarium war aus Sicht Kühlings nicht ausgereift. Auch die Kommunikation stimmte nicht – weite Teile der Gesellschaft lehnten es ab oder blieben skeptisch. Aber der CO2-Ausstoß muss geringer werden, die Welt muss dekarbonisieren, und Deutschland hat dabei sogar noch ambitioniertere Ziele als die Europäische Union; „bis 2045 will es auf null“.

Klimaschutz lässt sich nicht verschieben

Kühling verweist auf eine Leitentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021: Klimaschutz hat nicht nur Verfassungsrang, sondern ein intertemporäres Freiheitsverständnis schränkt uns dabei ein, freiheitseinschränkende Klimaschutzmaßnahmen beliebig in die Zukunft zu verschieben. In manchen Bereichen wurde auch schon geliefert, sagt Kühling, bei der Energieversorgung beispielswiese habe man den CO2-Ausstoß wie geplant gesenkt, „der Verkehrssektor hat jedoch nicht performt.“ Vor diesem Hintergrund skizziert Kühling drei Ziele der Monopolkommission, die in Sachen ökologischer Transformation zentrale Bedeutung haben: mehr Fernwärmewettbewerb für die Energiewende auch mit dem Ziel der Dekarbonisierung bei dem Heizen von Gebäuden, mehr Ladesäulenwettbewerb zum Erreichen der Verkehrswende und die Regulierung der DB InfraGO AG, die die Eisenbahninfrastruktur in Deutschland gestaltet, für die Verkehrswende.

Schwierige Themen für die Politikberater*innen, denn die ökologische Transformation einer Marktwirtschaft gestaltet sich komplex und „Politik will ganz schnell ganz wirksam sein“. Neben Effektivität seien aber u. a. auch die Effizienz und Akzeptanz sowie die soziale Absicherung von großer Bedeutung. Schwierig werde es daher, wenn die Politik auf diese Ziele nicht hinreichend achtet. Beim hochumstrittenen Gebäudeenergiegesetz war dies bei den ersten Vorschlägen nicht der Fall. Die gesellschaftliche Akzeptanz wurde nicht erreicht, auch die soziale Abfederung fehlte. Letzteres sei, so der Redner, im Übrigen auch bei der sinnvollen Steuerung über den CO2-Preis von essentieller Bedeutung. Hier bedürfe es des Klimageldes als sozialer Abfederungsmaßnahme. Anders als beispielsweise Österreich habe Deutschland die Auszahlungskanäle des Klimageldes immer noch nicht hergestellt, sagte Kühling.

„Geopolitische Aspekte“ spielen ebenfalls eine Rolle, wie die „Gaskrise“ in der Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine gezeigt habe. An dieser Stelle lobt Kühling die Bundesregierung – es sei eine große Leistung der Bundesregierung gewesen, so schnell aus den russischen Gas-Lieferungen herauszukommen. Österreich hat dies beispielsweise gar nicht hinbekommen.

Die Monopolkommission und ihr Vorsitzender Prof. Dr. Jürgen Kühling (3. v. l.) überreichte am 1. Juli 2024 ihr Hauptgutachten „Wettbewerb 2024“ im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Foto: BMWK / Andreas Mertens

Welche Ziele fokussiert die Monopolkommission im Besonderen? Die gesamtwirtschaftliche Kosteneffizienz für die Sicherung der Akzeptanz bei Beachtung der rechtlichen Durchsetzbarkeit. Hier setzt das Instrument des Wettbewerbs an, dass die Monopolkommission so weit wie möglich wirken lassen möchte. Kühling erläutert deren Überzeugung: „Wettbewerb steigert Qualität, senkt Preise, fördert Innovation“.  Es gebe verschiedene Wege, Wettbewerb zu organisieren. Am besten schafft man einen echten Wettbewerb verschiedener Anbieter. Notfalls stelle eine Regulierung eine Situation her, als gäbe es Wettbewerb – dann spricht man von „Als-ob-Wettbewerb“. Bei der Infrastruktur im Eisenbahnbereich sei etwa letzteres der Fall. „Auch bei der Fernwärme geraten wir durch die gewollte Verdrängung von Gas- und Ölheizungen in einigen Gebieten Deutschlands in Monopolsituationen“, erklärt der Wissenschaftler.

Heizungen und Fernwärme – die Energiewende

Aktuell gebe es noch mehrere Alternativen und einen gut funktionierenden weltweiten Markt, der dafür sorgt, dass die Wärmepumpenabnahme günstig bleibt. Die Alternativen der Gas- und Ölheizungen scheiden künftig aus. Wärmepumpen sind in dichten Innenstadtlagen aber nicht möglich. Dort entwickle sich das Fernwärmenetz zum tatsächlichen Monopol. Manchmal gibt es sogar eine Anschlussverpflichtung an das Fernwärmenetz. Dann bestehe sogar ein rechtliches Monopol.

Aber auch Fernwärme ist in Sachen CO2-Neutralität aktuell noch problematisch – zwei Drittel der Fernwärme stammen aus fossilen Quellen. „Wir müssen also in den kommenden Jahren gleichzeitig Fernwärme ausbauen und ihre Erzeugungsstruktur dekarbonisieren, das ist eine große Herausforderung“, sagt Kühling. Etwa 32 Millionen Menschen in Deutschland sind derzeit ohne Fernwärmeversorgung. Neue Netzgebiete, deren Ausbau auch koordiniert werden muss, werden ebenso notwendig. „Es sind große Investitionen, die auf uns warten.“

Die Monopolkommission hat der Bundesregierung an dieser Stelle empfohlen, vorsichtig zu beginnen, mit einem „Als-ob-Wettbewerb“ – die Transparenz müsse gesteigert werden, sagt Kühling, zudem habe man eine bürokratiearme Price-Cap-Regulierung empfohlen. Mittelfristig aber führe kein Weg daran vorbei, einen echten Wettbewerb unter den erzeugenden Unternehmen zu entfachen. „Das ist ein Wachstumsmarkt, davon müssen wir jetzt die Verbände überzeugen.“  

Ladesäulenwettbewerb für E-Autos - die Verkehrswende

Kühlings zweites Beispiel ist mehr Wettbewerb in Sachen Ladesäulen für E-Autos. Es brauche zugleich einen schnellen Ausbau. Viele Kommunen hättenen teils unter Beratung der Monopolkommission auf einen Ausschreibungswettbewerb gesetzt und beide Ziele – Schnelligkeit und vielfältige Anbieterstruktur – erreicht. Beim Schnelladenetz entlang der Autobahnen gebe es Licht und Schatten.

Hier wollte der Monopolist Tank&Rast für die bewirteten Autobahnraststätten – entgegen dem Rat der Monopolkommission – besonders schnell sein und ohne Wettbewerb voranschreiten. Nun streite sich Tank&Rast mit Wettbewerbern vor dem Europäischen Gerichtshof. „Beide Ziele wurden erst einmal verfehlt – weder ein rascher Ausbau, noch Wettbewerb.“ Ein wettbewerblicher Markt sei möglich, auch einer, der Wachstumspotenzial besitze, dessen ist Kühling sich sicher. Ausschreibungen durch die Kommunen hätten das gezeigt. Auch in Regensburg gebe es hier noch Luft nach oben.  

Regulierung der DB InfraGO - die Verkehrswende

Beispiel 3 – die Bahn. Ihren gegenwärtigen Zustand beschreibt Kühling als „unbefriedigend“. Klar sei:  Wettbewerb im Infrastrukturbereich, also bei Bahnhöfen und Schienen, werde es nicht geben. Das Unternehmen DB InfraGO AG bleibe „natürlicher und rechtlicher Monopolist“, finanziert aus Steuergeldern. Dies bedeutet, erklärt Kühling, dass ausschließlich ein „Als-ob-Wettbewerb“ durch Regulierung möglich ist.

Kühling fordert an dieser Stelle andere und auch stärkere staatliche Steuerungsansätze. Die Unpünktlichkeitswerte im Fernverkehr sind auf Rekordniveau – die Bahn muss wieder pünktlich werden. Darauf seien etwa die Managementboni stärker auszurichten. Das Thema Eisenbahnregulierung verfolgt der Redner, der selbst und wie viele andere oft frustriert die Bahn nutzt, seit 25 Jahren. Er kenne kein anderes Unternehmen, sagt Kühling, im dem die Zufriedenheit der Kundschaft so gering geschätzt werde wie bei der Bahn.

Bei der Digitalisierung etwa: Die DB wisse nicht echtzeitgenau, wo ihre jeweiligen Loks und Lokführer gerade sind. Das Publikum amüsiert sich sehr, als der Redner dies pointiert mit den Möglichkeiten der Verfolgung von Paketen vergleicht. Aber das ist nur ein Thema von vielen. Das Netz ist in katastrophalem Zustand – es brauche eine stärkere Qualitätsregulierung, auch für die Trassenentgelte. Langfristig müssten Ausbauziele erreicht und Kostenpläne eingehalten werden – auch daran seien die mittel- und langfristigen Managementboni auszurichten.

Schließlich: Vertikale Desintegration, also das Herauslösen des Netzes aus dem Konzernverbund. Sie stütze die Ausrichtung der Bahninfrastruktur auf das Gemeinwohl, sagte Kühling. Aber Regulierung sei nur eine dringende Notwendigkeit. Die andere ist Geld. Dass es in der Schweiz ein besseres Zugsystem mit höchsten Pünktlichkeitswerten gibt, hänge auch mit den pro Kopf vier Mal so hohen Investitionen zusammen, erläuterte der Redner.

Prof. Dr. Jürgen Kühling (l.) bei der 50-Jahr-Feier der Monopolkommission mit Wirtschaftsminister Robert Habeck und Monopolkommissionsmitglied Constanze Buchheim. Foto: Jürgen Kühling/privat

Dynamik des Marktes nutzen

Kühlings Fazit: Man sollte für die ökologische Transformation der Marktwirtschaft die Kraft und Dynamik des Marktes und des Wettbewerbs nutzen – auch wenn es eine große Herausforderung ist: „In dieser Zeit können wir es uns auch nicht mehr leisten, diese Kraft zu verschenken.“ Diese Botschaft richtet die Monopolkommission auch an die Politik – zuletzt bei einer Festveranstaltung zum 50. Geburtstag des Gremiums. Mit etwa 200 Gästen aus Politik, Wissenschaft, Behörden, Gerichtsbarkeit, Unternehmen, Verbänden und Medien beging die Monopolkommission ihr Jubiläum im Berliner Wirtschaftsministerium. Jürgen Kühling moderierte die Veranstaltung, die „Wettbewerb im Spannungsfeld von Industriepolitik und ökologischer Transformation“ thematisierte.

Festvorträge kamen bei der Veranstaltung von der Nürnberger Ökonomin Veronika Grimm und von Kartellrechtler Rupprecht Podszun, der Jürgen Kühling im Juli in die Monopolkommission folgt. Weitere Impulse kamen u. a. von den ehemaligen Vorsitzenden Justus Haucap (Universität Düsseldorf), Daniel Zimmer (Universität Bonn) und Achim Wambach (ZEW Mannheim). Die Veranstaltung schloss mit einer Keynote von Wirtschaftsminister Robert Habeck, der sich im Gespräch den Fragen von Jürgen Kühling und Kommissionsmitglied Constanze Buchheim stellte.

Informationen/Kontakt

Zu Professor Dr. Jürgen Kühling LL.M.

Zur Monopolkommission

Die "Regensburg Lectures in Sustainability" an der Universität Regensburg  (https://go.ur.de/rlis) werden durch roots e.V., den Alumni-Verein der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, unterstützt.
UR-Beitrag zur ersten Regensburg Lecture in Sustainability mit Prof. Dr. Michael Braungart

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