Lehramtsstudierende engagieren sich für Lehrkräfte
Im Rahmen des EU-geförderten Transferprojekts International Teaching Clinic Network unterstützen Lehramtsstudierende der Universität Regensburg Lehrkräfte aus der Region bei Herausforderungen im Schulalltag.
16. Oktober 2024
Praxis und Theorie nicht erst im Referendariat miteinander zu verknüpfen, ist das zentrale Ziel der sogenannten Teaching Clinic (TC): Das internationale Transferprojekt International Teaching Clinic Network (ITCN), das von der Europäischen Union im Rahmen des Programms Erasmus+ für drei Jahre gefördert wird, geht an der Universität Regensburg (UR) derzeit in sein zweites Jahr. Lehramtsstudierende unterstützen in der Teaching Clinic Lehrkräfte im Schulalltag, indem sie auf der Basis neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse Lehr-Lern-Mittel sowie -Methoden konzipieren und den Schulen zur Verfügung stellen.
Das Projekt ist bei einer Forschungsgruppe der Allgemeinen Pädagogik im Lehramt an der UR unter Leitung von Professorin Dr. Elena Stamouli (Lehrstuhl für Pädagogik II, Prof. Dr. Regina Mulder) angesiedelt. Lehrkräfte können für sie wichtige Themen in Form von Fragestellungen bei der TC einreichen und auf einer dazugehörigen Online-Plattform hochladen. In semesterbegleitenden Kursen befassen sich dann Studierende mit den eingereichten Fragestellungen und verknüpfen forschendes und fallbasiertes Lernen mit praktischen Lösungen bzw. Handlungsoptionen.
Studierende arbeitenin in der Teaching Clinic fallbasiert gemeinsam an Lösungsansätzen. Foto: Julia Dragan / Universität Regensburg
Das Projekt bietet Studierenden, Lehrkräften und Wissenschaftlern hervorragende Möglichkeiten, sich auf europäischer und internationaler Ebene zu vernetzen. Partnerinnen des Projekts sind die Universität Wien und die Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik in Österreich, die Universität Ioannina in Griechenland und die Universitat de Barcelona (Spanien). „Die erste Teaching Clinic (TC) wurde im Jahr 2021 an der Universität Wien von Prof. Dr. Dominik Froehlich gegründet“, berichtet Elena Stamouli. „Das Konzept der TC wurde bereits beim Profformance International Higher Education Teacher Award 2021/22 mit einem 1. Platz in der nationalen und einem 2. Platz in der internationalen Wertung ausgezeichnet.“
Was leistet die Teaching Clinic?
Lehramtsstudierende des Teilfachs Pädagogik engagieren sich an der UR für die Bewältigung pädagogischer Fragestellungen. Dabei können die Projektbeteiligten auf die guten Kontakte der Universität Regensburg zu Schulen zurückgreifen, die über das Schulnetzwerk dialogUS bestehen, das vom Regensburger Universitätszentrum für Lehrerbildung (RUL) koordiniert wird.
Mit Unterstützung des RUL kann das Team um Elena Stamouli Lehrkräfte aus Grund-, Mittel- und Realschulen sowie Gymnasien und Förderzentren in ganz Niederbayern und der Oberpfalz erreichen, um sie einzuladen, die Angebote der Teaching Clinic zu nutzen. Denn unabhängig von der Schulart sind Lehrkräfte täglich mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert.
Oft haben sie weder die Zeit noch die Ressourcen, sich genügend damit zu befassen. Engagierte Studierende helfen, sie bei diesen Herausforderungen im Schulalltag zu unterstützen. Herausforderungen, erläutert Elena Stamouli, gibt es viele: Dazu gehören u. a. der Einsatz von flexiblen Unterrichtskonzepten, Tools für Feedback, der Umgang mit Heterogenität im Klassenzimmer, aber auch die Gestaltung von Elterngesprächen.
Lehrkräfte können solche für sie wichtigen Themen in Form von Fragestellungen bei der TC einreichen und auf der dazugehörigen online Plattform hochladen. In semesterbegleitenden Kursen befassen sich Studierende mit den eingereichten Fragestellungen und verknüpfen forschendes und fallbasiertes Lernen mit praktischen Lösungen bzw. Handlungsoptionen. Lehramtsstudierende unterstützen damit Lehrkräfte, indem sie auf der Grundlage neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse Lehr-Lern-Mittel sowie -Methoden konzipieren und den Schulen zur Verfügung stellen.
Bei den behandelten Fragen in der TC geht es nicht zuletzt auch um die Erbringung von Dienstleistungen (Service) von Lehramtsstudierenden für Andere (Lehrkräfte). „Dabei ergibt sich für die beteiligten Studierenden erstens eine realitätsnahe Lerngelegenheit und zweitens eine Gelegenheit, öffentliches Engagement zu zeigen. Mit diesen Dienstleistungen wird somit auf die Bedürfnisse von Studierenden und Schulen eingegangen“, freut sich Elena Stamouli.
Durch Erfahrungswerte lernen
Welche Vorteile hat eine Teilnahme an der Teaching Clinic? Für die Studierenden bedeutet es zunächst einmal „learning by doing“. Der angebotene Service dient allen Teilnehmenden als Quelle für praxisnahe Lernerfahrungen. Das anwendungsorientierte Konzept der TC ermöglicht Studierenden damit schon in einem frühen Stadium ihres Lehramtsstudiums das theoretisch erlernte Wissen aus den Vorlesungen – anhand von konkreten und realen Fällen - in der Praxis zu implementieren. Die Studierenden sammeln dadurch bereits früh praktische Erfahrungen und verbessern zugleich ihre Handlungs- sowie Reflexionsfähigkeit. Ein weiterer großer Vorteil ist, dass den Studierenden durch die Kooperation mit Lehrkräften ein Einblick in ihr späteres Berufsgebiet gewährt wird.
Besonders bedeutsam ist auch, dass das Projekt interdisziplinär ausgerichtet ist und damit den Studierenden ermöglicht, andere Sichtweisen aus anderen Fachrichtungen kennenzulernen, denn Lehramtsstudierende unterschiedlicher Studienfächer arbeiten in den Projekten der TC zusammen. Neben dem Erwerb von Leistungspunkten mit der Teilnahme an semesterbegleitenden Kursen kann das Engagement der Studierenden als Schwerpunktbereich im Rahmen von Abschlussarbeiten verankert werden.
Außer akademischen Kompetenzen steht auch die Förderung persönlicher und emotionaler Kompetenzen im Vordergrund der Lehrkräftebildung an der Universität Regensburg: „Die Teilnahme an der TC erfordert und fördert ein hohes Maß an Teamfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit“, betont Stamouli.
Kreative Lösungen
Den beteiligten Lehrkräften bietet die TC kreative Lösungen bzw. Lösungsansätze. Die Arbeit der Studierenden kommt dabei vor allem Lehrpersonen oder Schulen zugute, die sich der Bearbeitung von komplexen pädagogischen Fragen aus Kapazitätsgründen nicht widmen können. Die beteiligten Lehrpersonen oder Schulen erhalten durch die wissenschaftliche Arbeit der Lehramtsstudierenden, betreut von Wissenschaftlern, maßgebliche Unterstützung und kreative Lösungen.
Ein weiterführendes Ziel bei der Arbeit in der TC ist ebenso, die im Projekt erarbeiteten Ergebnisse in einer Datenbank allgemein nutzbar zu machen sodass sowohl künftige Lehramtsstudierende als auch praktizierende Lehrkräfte davon profitieren können. Die methodische Ausgestaltung der TC ist allerdings den Studierenden überlassen und abhängig vom eingereichten Fall. Wichtig zu wissen ist laut Stamouli, dass die Fallbearbeitung meist in einer engen Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Fachdisziplinen stattfindet, um die Qualität der Dienstleistung zu gewährleisten. Dazu zählen vor allem eine fundierte Supervision durch Professoren, als auch eine Reflexion durch die Studierenden und die Lehrkräfte aus der Schulpraxis.
Ein Beispiel aus den Arbeitsaufträgen der Teaching Clinic. Grafik: Teachng Clinic, ITCN
Mehrwert für die Universität und die Schulen
Für die Universität Regensburg und die Lehrkräftebildung hält die TC einen dreifachen Mehrwert bereit, erläutert Elena Stamouli: Die TC berücksichtigt die Bedürfnisse von Lehramtsstudierenden, etwa den Wunsch nach mehr Erfahrungen über den „realen“ Schulkontext, als auch den Erwerb gut übertragbarer Kompetenzen bzw. Kenntnisse.
Ebenso würden die Bedürfnisse der Lehrkräfte berücksichtigt, die sich einen direkteren Zugang zu aktuellem Wissen und Unterstützung bei der Umsetzung pädagogischer Innovationen wünschen. Zudem bietet die TC eine besondere Gelegenheit, sich öffentlich zu engagieren.
Informationen/Kontakt
Im Rahmen des von der EU geförderten Projekts findet von 23. bis 25. Oktober 2024 eine Tagung an der Universität Regensburg statt, zu der Lehramtsstudierende, Lehrkräfte und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aller Fachrichtungen herzlich eingeladen sind. Anmeldung und weitere Informationen gibt es bei Prof. Dr. Elena Stamouli, E-Mail: teachingclinic@uni-regensburg.de
Mehr über das Projekt Teaching Clinic
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