Die historische englische Linguistik hat sich traditionell auf die Analyse von Vokalwandel konzentriert. Konsonanten hingegen wurden allgemein als stabiler angesehen und ihre diachrone Entwicklung wurde in der einschlägigen Literatur zumeist am Rande behandelt. Die vorliegende Habilitationsschrift kommt anhand von konkreten Fallbeispielen zum Schluss dass die Vernachlässigung von Konsonanten unhaltbar ist und dass englische Konsonanten Sprachwandel sehr wohl unterworfen waren. Diese These wird gestützt durch eine Untersuchung wie und unter welchen Umständen Konsonanten ihr phonotaktisches Verhalten ändern und in der Folge nicht mehr als Gruppen am Silbenanfang bzw. -schluss fungieren. Es wird argumentiert dass eine detaillierte Analyse solcher Prozesse nicht nur wesentlich zum Verständnis der historischen Entwicklung des Englischen beiträgt, sondern dass sie auch Einblicke in die synchrone Diversifizierung der Sprache in verschiedene regionale Varietäten gewährt.
Kapitel 1 ist eine allgemeine Einführung in den Gegenstand der Untersuchung. Die allgemeine wie auch die englische Phonotaktik wird hier kurz umrissen, eingeführt und definiert. Im speziellen wird auf die innersprachlichen Kriterien eingegangen nach welchen Konsonantengruppen im Englischen aufgebaut sind (Sonorität der einzelnen Segmente, die idealerweise gegen den Silbennukleus hin zunimmt so dass sich die am wenigsten sonoren Konsonanten an der Silbenperipherie befinden, morphologische Bedeutung einzelner Konsonanten, zunehmende Komplexität durch Suffigierung, etc.). Ferner wird besprochen welche Rolle Wandelprozesse in Konsonantengruppen in der linguistischen Forschung spielen bzw. gespielt haben, wie genau Konsonantengruppen modifiziert werden und auch welche Fragen offen sind und noch nicht zureichend geklärt wurden/werden konnten (z.B. die Entwicklung von phonotaktischen Sequenzen im Spracherwerb bei Kindern und dessen Bedeutung für Sprachwandel, oder warum diverse Prozesse – Tilgung eines Segments, Epenthese, Prothese, etc. – von Sprache zu Sprache variieren). Außerdem wird die interdisziplinäre Funktion des phonotaktischen Sprachwandels herausgestrichen. Zum einen werden mehrere Disziplinen vorgestellt die Variation und Wandel der englischen Phonotaktik beeinflussen und zum anderen wird die Bedeutung der Phonotaktik für die einzelnen Teilbereiche der Linguistik erörtert (u. a. Sprachtypologie, Phonologie, Variations- und Kontaktlinguistik, genetische Linguistik, Spracherwerb und Psycholinguistik).
Kapitel 2 ist eine umfassende Einführung in die Silbenstruktur im allgemeinen und in die Struktur und Funktion der englischen Konsonantengruppen im speziellen. Schwerpunkte hier sind wie genau sich Konsonantengruppen zusammensetzen, wie genau Gruppen verändert werden und mit welcher Regelmäßigkeit sie reduziert werden, und wie viele solchen Gruppen es in der Phonotaktik des Englischen gibt. Außerdem wird gezeigt inwiefern solche Prozesse intern oder extern bedingt sind und auch wie sich Spracherwerbs- und Sprachlernprozesse phonotaktisch auswirken. Kapitel 1 beginnt mit den Aufbaucharakteristika sowie der Funktion von Konsonantengruppen in englischen Silben im Detail und listet die einzelnen Gruppen nach Länge und Ort (Silbenanfang oder –ende) auf. Die hauptsächlichen Wandelmechanismen (Assimilation, Dissimilation, Epenthese, Tilgung) werden mit speziellem Augenmerk auf natürliche Phonologie und linguistische Markiertheit behandelt; es wird besprochen wie sich einzelne Konsonanten in einer Gruppe gegenseitig durch progressive oder regressive Assimilation beeinflussen und wie sie sich durch Dissimilation entweder in Artikulationsort oder -art unterscheiden. Außerdem wird auf den Vorgang von Epenthese eingegangen, durch die Konsonantengruppen nach Einfügung eines Vokals als phonotaktische Sequenz grundlegend verändert werden. Dies ist sprachtypologisch begründbar. Die Kombination von Vokalen und Konsonanten ist bekanntermaßen eine universelle Form (CV Silbenstruktur); nur wenige Sprachen (unter anderem die germanische Sprachfamilie) erlauben Gruppen von Konsonanten in ihren phonotaktischen Systemen, und diese sind sowohl aus typologischen wie auch aus sprachspezifischen Gründen markierte Formen (sie treten seltener vor als die einzelnen Konsonanten aus denen sie zusammengesetzt sind, werden im Spracherwerb später erworben, sind anfällig für Sprachwandel indem sie meist mit einem häufigeren Phonem verschmelzen, etc.).
Am ausführlichsten geht dieses Kapitel allerdings auf die Tilgung von Konsonanten ein, was bei weitem den häufigsten phonotaktischen Wandelmechanismus darstellt. Von besonderer Bedeutung ist der Umstand dass Konsonantengruppen in der Variationslinguistik umfangreich untersucht worden sind und dass die Tilgung eines nicht-sonoren Plosivlautes am Anfang/Ende einer Gruppe vor allem im amerikanischen Englischen gut erforscht worden ist, was Schlüsse auf allgemeine Konditionsfaktoren zulässt. Variationisten haben nachgewiesen dass phonotaktische Reduktion im amerikanischen und britischen Englischen größter Regelmäßigkeit unterworfen ist und dass sie sowohl von der phonetischen Umgebung wie auch vom morphologischen Status des finalen Plosivlautes gesteuert wird. Im Englischen werden Präterita und Partizipformen von regelmäßigen Verben durch Suffigierung eines –ed gebildet, was in sehr vielen Fällen zu finalen Konsonantengruppen führt. Dies ist ein äußerst wichtiges Kriterium für die Tilgung von Gruppensegmenten. Im amerikanischen und britischen Englischen wird eine Konsonantengruppe wesentlich seltener reduziert wenn der finale Plosivlaut ein –ed Suffix darstellt (so wird beispielsweise ein finales /-ld/ sehr viel seltener reduziert in I called her ‚ich rief sie an’ als in the cold weather ‚das kalte Wetter’). Außerdem haben die phonetischen Eigenschaften des vorhergehenden und folgenden Segments einen Einfluss auf die Häufigkeit der Tilgung eines Gruppensegmentes. Besonders stark ist der Effekt des folgenden Phonems: Die Reduktion einer Konsonantengruppe wird von einem folgenden Konsonanten begünstigt, während Vokal und Pause eine Stärkung der Gruppe bewirken (folglich wird der finale Plosiv in /-st/ häufig getilgt in East Parkund ist sehr viel robuster in the east# oder east and west). Diese Eigenschaften werden hier ausführlich besprochen, was die Grundlage darstellt für die später folgende empirische Untersuchung dieses Prozesses in anderen englischen Varietäten.
Zum Schluss des Kapitels wird auf die Ursachen und Gründe des phonotaktischen Sprachwandels eingegangen. Eine Zunahme der Tilgung von finalen Plosivlauten in Konsonantengruppen wurde bis anhin fast ausschließlich als externer Prozess angesehen; Kontakt zwischen verschiedenen phonotaktischen Systemen führt zur Reduzierung von Gruppen da einzelne Konsonanten phonologisch natürlicher und unmarkiert sind und auch eine weitaus höhere Texthäufigkeit aufweisen als Gruppen. Dem wird hier entgegengehalten dass dies sehr wohl intern begründet sein kann und dass phonotaktische Prozesse auf sehr plausible Weise analogen Sprachwandel darstellen können (was dann im Kapitel 3 in einer historischen Korpusstudie nachgewiesen wird). Außerdem wird auf die Entwicklung der phonotaktischen Kompetenz während des Spracherwerbs eingegangen, da dies gemeinhin als wichtiger Faktor für Sprachwandel angesehen wird. Eine Besprechung der Literatur über Spracherwerb bei Kindern legt den Schluss nahe dass dies hier eine untergeordnete Rolle spielt. Kinder haben allgemein Schwierigkeiten mit der Artikulation von Konsonantengruppen und wenden eine Vielzahl von Mechanismen an die von Erwachsenen nicht angenommen werden und weder historisch noch synchron belegt werden können (beispielsweise die Substitution der Gruppe /gl/ in glass‚Glas’ durch einen alternativen Plosivlaut mit anderem Artikulationsort, wie z.B. /d/, [das]). Es wird folglich argumentiert dass phonotaktischer Sprachwandel ein Produkt von Erwachsenen ist und von Kindern allerhöchstens verstärkt werden kann wenn keine festen Normen in der Erwachsenensprache vorhanden sind (was beispielsweise in der Kreolisierung der Fall sein kann, was im Kapitel 3 besprochen wird).
Kapitel 3 untersucht verschiedene Aspekte der Reduzierung von Konsonantengruppen im Silbenanlaut (z.B. */fn-/, */wr-/ oder */kn-/), die allesamt durch Verschmelzung mit dem zweiten Gruppensegment verloren gegangen. Das Englische hat in der Tat eine besonders starke historische Tendenz zu phonotaktischem Sprachwandel und im Englisch verlorene Konsonantengruppen sind in anderen germanischen Sprachen größtenteils erhalten geblieben. Das Altenglische und Frühmittelenglische hatte folglich eine größere Anzahl von Konsonantengruppen als das moderne Englische, und eine historische Korpusanalyse untersucht in welchem Zeitraum die einzelnen Gruppen verloren gingen. Für diese Untersuchung wurde für jede Konsonantengruppe eine repräsentative Anzahl von Wörtern ausgewählt und die verschiedenen Schreibformen wurden dann in verschiedenen Korpora und Quellen zusammengesucht und verglichen (mittels einer Volltextsuche im Helsinki Corpus und dem Oxford English Dictionary). Für jedes Wort wurde eine Liste mit sämtlichen Schreibformen in den Korpora erstellt und es wurde analysiert ob und wie häufig Anlautgruppen in der Schriftsprache vorhanden waren oder nicht und über welchen Zeitraum sich die verschiedenen Schreibweisen hinstreckten. Die historische Studie zeigt dass die einzelnen Anlautgruppen in verschieden Phasen der Entwicklung des Englischen verschwanden. Die Studie kommt zum Schluss dass es zwei Hauptphasen für den phonotaktischen Wandel in englischen Anlautgruppen gab: In einigen Fällen handelt es sich um eine Fortführung von Prozessen die bereits im Proto-Germanischen begannen und dann auf den britischen Inseln weitergeführt und zu Ende gebracht wurden. In diese Kategorie fallen Gruppen wie */hr-/ (in hræven ‚Rabe’) oder */hl-/ (hleapan ‚springen’). In den frühesten Manuskripten finden sich bereits
Diese Einsichten werden ergänzt und erweitert mit der Fallstudie einer Anlautgruppe die sich in manchen post-kolonialen Varietäten des Englischen bis heute erhalten hat: /hw-/, z.B. in anywhere, which, whale, etc. Diese Konsonantengruppe ist strukturell stark mit */hr-/ oder */hl-/ verwandt hat sich aber bis in die heutige Zeit sowohl im britischen wie auch im amerikanischen und neuseeländischen Englischen erhalten und bietet somit die Möglichkeit historische Prozesse mit synchronen Daten zu untersuchen und, falls möglich, zu rekonstruieren. Anhand von Aufnahmen mit 45 Sprechern des neuseeländischen Englisch wird die Konditionierung von /hw-/ im modernen Englisch analysiert. Die Variabilität dieser Anlautgruppe wird durch sprachinterne Faktoren wie den lexikalischen Status des Wortes, die phonetischen Eigenschaften des vorherigen and folgenden Phonems etc. beeinflusst. Darüber hinaus liefert /hw-/ in Neuseeland wertvolle Ergebnisse über die Entwicklung solcher Formen in Kontaktbedingungen. Es wird gezeigt dass /hw-/ bei weitem am häufigsten in von schottischen Immigranten besiedelten Gebieten vorkam, also von Sprechern in deren Varietät sich diese Form bis heute sehr stark erhalten hat. In Gebieten die hauptsächlich von Engländern gegründet wurden starb diese Form früher aus. Diese Fallstudie bietet folglich konkrete Hinweise dass die Realisierung von Anlautgruppen durch sprachinterne Faktoren konditioniert wird und dass sie in Szenarien von Dialektkontakt sehr stark von den Dialektformen und -proportionen abhängt. Sie ergänzt in diesem Sinne die historische Korpusstudie und liefert weitere Einblicke in das Verschwinden von Anlautgruppen im Englischen.
Die Reduktion von Konsonantengruppen in kreolisierten Varietäten bietet eine zusätzliche Perspektive für diesen Prozess. Anhand von Daten aus Sranan, einer Kreolsprache die sich im 17. Jahrhundert in Surinam entwickelt und erhalten hat, wird gezeigt welche und wie häufig Konsonanten in Anlautgruppen unter solchen Bedingungen getilgt werden. Diese Analyse zeigt wesentliche Unterschiede zu den bereits besprochenen Vorgängen auf, ist dieser Prozess hier doch sehr viel ausgeprägter als in amerikanischen und britischen Varietäten und verläuft sehr viel rascher als die im Alt- und Mittelenglischen untersuchten Vorgänge. Ein weiterer wesentlicher Unterschied ist dass andere Konsonanten betroffen sind, werden doch zum großen Teil Frikative getilgt und nicht, wie historisch im britischen Englisch, Plosive (sodass ein Wort wie strong ‚stark’ in Sranan die Form tranga /traNga/ hat). Es wird argumentiert dass solche Mechanismen zweierlei Ziele verfolgen. Erstens werden Wörter aus dem englischen Superstrat zu einer sich mehr an universale CV Silbentypen anlehnenden Struktur umgewandelt, wodurch ein Vokal angehängt wird und geschlossene Silben offen werden (strong CCCVC > tranga CCVCCV). Zum zweiten bewirkt die Tilgung des initialen Frikativlautes dass die Sonoritätshierarchie der Konsonantengruppe als ganzes optimiert wird und die am wenigsten sonoren Segmente (Plosive) an der Silbenperipherie zu liegen kommen. Dies lässt Schlüsse zu über die Art und Weise wie phonotaktische Eigenschaften unter Kontaktbedingungen transferiert und adoptiert werden, und unterstreicht zusätzlich die Bedeutung von innersprachlichen Faktoren (wie Sonorität) die solche Reduktionsprozesse konditionieren.
Kapitel 4 behandelt phonotaktischen Sprachwandel von Konsonantengruppen am Silben- und/oder Wortende. Im Gegensatz zu Anlautgruppen sind solche Prozesse vor allem im zeitgenössischen amerikanischen Englisch gut erforscht, speziell in der Variationslinguistik. Die Tilgung von finalen Plosivlauten in Konsonantengruppen im Auslaut ist ein weit verbreiteter synchronischer Prozess, dessen Häufigkeit von phonetischen und morphologischen Kriterien beeinflusst wird und zumeist durch regressive Angleichung an einen folgenden Plosivlaut erfolgt. Eine der zentralen Fragen in dieser Studie ist ob phonotaktischer Sprachwandel am Silbenanfang andere Wandelmechanismen durchläuft als am Silbenende. Englische An- und Auslautgruppen unterscheiden sich in zwei wichtigen Punkten. Erstens sind Gruppen am Anfang weniger lang und meist stärker gegliedert (bei drei-segmentalen Gruppen ist der erste Konsonant immer ein alveolarer Frikativ), und zweitens können Gruppen im Auslaut bi-morphemisch sein, da durch Suffigierung ein finales Tempus- oder Pluralmorphem angehängt wird und somit die Konsonantengruppe erweitert wird. Diese Faktoren haben sich in der einschlägigen Literatur als wichtiger Konditionierungsfaktor im amerikanischen Englischen erwiesen und werden nun hier in einer Vielzahl anderer englischer Varietäten erforscht.
Das Kapitel bespricht die Tilgung von finalen Konsonantengruppen an, mit speziellem Augenmerk auf die Frage warum gewisse Gruppen Reduktionsprozesses durchlaufen können und andere nicht. Die bisherige Forschung ging von der Annahme aus dass die Stimmhaftigkeit bzw. –losigkeit der einzelnen Segmente hier ein wichtiger Faktor ist. Im amerikanischen und britischen Englisch können Gruppen nur reduziert werden wenn alle Konsonanten einer Sequenz entweder stimmlos oder stimmhaft sind (folglich kann eine finaler Plosiv in fast ‚schnell’ getilgt werden, bleibt in jump ‚hüpfen’ allerdings zwingend erhalten). Anhand dieses Kriteriums wird eine Taxonomie von Konsonantengruppen erstellt die ähnliche phonotaktische Prozesse durchlaufen und folglich in größeren Korpora untersucht werden können. Es wird auch betont dass sich solche Untersuchungen hauptsächliche auf Vorgänge im amerikanischen Englisch stützen und dass eine breitere ‚internationale’ Perspektive fehlt, welche zusätzliche Einblicke in die Variation und Diversifizierung der Englischen Phonotaktik ermöglichen würde.
Mit diesem Ziel wurden Reduktionsprozesse in vier bisher unerforschten englischen Varietäten aus dem Südatlantik und Neuseeland untersucht. Es wird zuerst auf methodologische Überlegungen eingegangen, nämlich auf die Frage inwiefern Selektionskriterien (insbesondere bezüglich der Länge von Konsonantengruppen – zwei, drei oder vier Segmente, prosodische Eigenschaften, etc.) allfällige Forschungsergebnisse beeinflussen. Dies wird anhand von vorhandenen Untersuchungen dargelegt und es wird auf die Notwendigkeit hingewiesen dass für den Vergleich verschiedener Varietäten Daten zwingend unter gleichen Bedingungen erhoben werden müssen. Daraufhin werden die den hier analysierten Daten zugrunde liegende Methodologie und Selektionsparameter erörtert (beispielsweise wurden nur Gruppen mit zwei Segmenten in einsilbigen Wörtern oder mehrsilbigen mit Betonung auf der letzten Silbe extrahiert). Die Analyse der hier erhobenen und vorgestellten Daten zeigt die Nützlichkeit phonotaktischer Prozesse für Variations- und Kontaktlinguistik. Anhand der Sozialgeschichte der verschiedenen Varietäten wird erörtert wie sich die Tilgung von finalen Konsonanten unter Kontaktbedingungen entwickelt und (im Falle von Neuseeland) wie schnell phonotaktische Sequenzen in der Sprachverschiebungsphase von indigenen zu exogenen Kolonialsprachen erworben werden. Außerdem legt die Untersuchung der Varietäten des Südatlantischen Englischen dar wie reduzierte phonotaktische Sequenzen von einer Varietät in die andere transplantiert werden, was von großer Bedeutung für die genetische Linguistik ist.
Die gewonnen Erkenntnisse werden im Abschnitt 4.4 mit Resultaten von ähnlichen Studien in insgesamt 12 weiteren Varietäten verglichen. Von besonderer Bedeutung ist der Umstand dass die Phonotaktik des Englischen durch die globale Verbreitung der Sprache mit anderen Systemen in Kontakt gekommen ist, was, analog zum Fall von /hw-/ in Neuseeland, Schlüsse über die Entwicklung von markierten und typologisch selten vorkommenden Strukturen in unterschiedlichen Kontaktszenarien zulässt. Die in diesem Abschnitt besprochenen Varietäten werden nach Kontaktgeschichte klassifiziert und einzeln behandelt. Sie geben Einblicke in die Entwicklung der Phonotaktik in Muttersprachenvarietäten ohne Sprachkontakt, Anfangsstadien der sprachlichen Akkommodation, Sprachverschiebung und Fossilisierung, Zweisprachigkeit, Englisch als Zweit- und Fremdsprache und Kreolisierung. Der analytische Vergleich von Daten aus Varietäten in verschiedenen Kontexten und mit verschiedenen Kontaktgeschichten kommt zum Schluss dass einige der bisher als allgemeingültig angenommenen Charakteristika für das amerikanische Englisch spezifisch sind und nicht überall nachgewiesen werden können. Zum einen ist die Häufigkeit der Tilgung von finalen Plosiven in Konsonantengruppen sehr viel größer wenn Kontakt zwischen Englisch und anderen Sprachen stattgefunden hat. Dies legt den Schluss nahe dass Silbenstrukturen des lokalen Substrats als Folge von Sprachkontakt auf die Englische Phonotaktik übertragen werden, was sich stark auf die Reduzierung von Konsonantengruppen im An- und Auslaut auswirkt. Zum anderen haben innersprachliche Faktoren verschiedenartige Auswirkungen. So haben zum Beispiel Kreolsprachen eine wesentlich höhere Tendenz Ablautgruppen zu reduzieren wenn der finale Plosiv ein Suffix darstellt, und die Sonorität des vorherigen Segmentes wirkt sich je nach Varietät verschieden auf die Tilgung eines folgenden Konsonanten aus. Außerdem können Gruppen die aus stimmhaften und –losen Segmenten bestehen in Varietäten wie dem sankt helenischen und indischen Englischen solche Prozesse ebenfalls durchlaufen, was einen wichtigen typologischen Unterschied in der englischen Phonotaktik darstellt.
Kapitel 5 und 6 fassen die zentralen Forschungsergebnisse zusammen und erörtern ihre theoretische Relevanz für offene Fragestellungen. Zuerst wird gezeigt dass phonotaktischer Sprachwandel meist externe Ursachen hat und besonders häufig auftritt wenn, in Folge von Sprachkontakt, phonotaktische Systeme vom Substrat auf das englische Superstrat transferiert werden. Dem wird entgegengehalten dass solche Prozesse auch durch analogen sprach-internen Wandel bedingt sein können, was durch die korpusgestützte historische Studie belegt wird. Zudem wird erörtert dass die Position sowie der Aufbau der Konsonantengruppe innerhalb einer Silbe hier einen starken Einfluss haben. Faktoren wie Sonorität sind von herausragender Bedeutung da zumeist die stimmlosesten Segmente von Konsonantengruppen getilgt werden und die Sonoritätshierachie der Gruppe als ganzes somit optimiert wird, wie die Diskussion solcher Prozesse in Sranan gezeigt hat. Es wird gezeigt dass die Bedeutung der Stimmhaftigkeit der ganzen Gruppe verschiedene und zum Teil Varietäten-spezifische und diagnostische Auswirkungen hat. Im amerikanischen und britischen Englischen erweist sich Sonoritätsgleichheit der einzelnen Segmente als äußerst wichtiges Kriterium; in anderen Varietäten wird der Tilgungsprozess sehr viel häufiger angewandt und betrifft Gruppen mit stimmhaften und –losen Segmenten. Außerdem zeigt die vergleichende Studie dass sich phonotaktischer Sprachwandel verschiedenartig auswirken kann und, je nach Position, intern oder extern bedingt ist. Interner Sprachwandel durch analoge Anpassung ist ein langfristiger Prozess, der durch Variation beider Formen gekennzeichnet wird und in einer S-Kurve verläuft. Dies lässt die Schlussfolgerung zu dass die Tilgung von Plosiven in finalen Konsonantengruppen primär ein externer Prozess ist der durch Kontakt und phonotaktischen Transfer von Silbentypen entsteht, allerdings auch in britischen und amerikanischen Varietäten häufig durch regressive Assimilation an einen folgenden Konsonanten eintritt (was wiederum die Zunahme solcher Prozesses in anderen Bedingungen begünstigt und fördert).
Zum Schluss werden die positionsbedingten Unterschiede aus einer psycholinguistischen Perspektive angegangen. Dies hebt die Bedeutung der Psycholinguistik für den phonotaktischen Sprachwandel hervor und stärkt den eingangs erörterten interdisziplinären Zugang. Die verschiedenen Prozesses von Konsonantengruppen im Silbenanfang und -ende werden durch psycholinguistische Prozesse begründet, insofern als die Tilgung von phonetischen Segmenten (resp. der Verlust von Information) am Wortanfang den Prozess der Worterkennung wesentlich erschwert oder gar verunmöglicht. Am Wortende hingegen können Konsonanten wegfallen da die psycholinguistische Erkennung des Wortes bereits weit fortgeschritten oder beendet ist. Demzufolge ist phonotaktischer Wandel mit Bezug auf finale Konsonantengruppen sehr viel häufiger und tritt rasch auf, was auf alle hier untersuchten Varietäten zutrifft (mit Ausnahme von radikaler Umstrukturierung und extremem phonotaktischen Transfer während Kreolisierung).
Die vorliegende Habilitationsschrift beleuchtet sprachinterne Konditionierungsprozesse in verschiedenen phonotaktischen Bedingungen und erörtert sie mit einer Vielzahl von historischen und synchronen Fallbeispielen. Die Phonotaktik wird als interdisziplinärer Prozess begriffen, der seine Komplexität im wesentlichen durch das Zusammenspiel von diversen Teildisziplinen der Linguistik erhält. Die gewonnen Erkenntnisse zeigen dass im amerikanischen und britischen Englischen normative Prozesse nicht auf andere Varietäten generalisiert werden können und dass sprach- und kontaktgeschichtliche Kriterien für die Entwicklung der englischen Phonotaktik von größter Wichtigkeit sind und waren. Die gewonnen Erkenntnisse erweitern den Forschungsstand beträchtlich. Durch die Analyse von Varietäten zu denen bis jetzt noch keine Daten vorlagen (Englisch im Südatlantik sowie in Neuseeland) sowie durch die Diskussion und Integration von Daten aus einer Vielzahl weiterer englischer Dialekte wird das Verständnis des phonotaktischen Sprachwandels im Englischen erheblich erweitert.
Publication:
Schreier, Daniel. (2005). Consonant Change in English Worldwide: Synchrony meets Diachrony. (Palgrave Studies in Language History and Language Change 3). Houndmills/Basingstoke, and New York: Palgrave Macmillan.
Contact details:
Prof. Dr. Daniel Schreier, English Department, University of Zurich