Im Folgenden finden Sie hilfreiche Informationen zu häufigen psychischen Störungen und deren psychotherapeutischen Behandlungsmöglichkeiten, wie z.B. der Verhaltenstherapie.
Bei Angststörungen vermeiden Klient:innen angstbesetzte Situationen oder Objekte, erleben Panikattacken, oder machen sich übermäßige Sorgen über alltägliche Situationen. Angststörungen werden in der Verhaltenstherapie nach intensiver Vorbereitung durch Konfrontationsverfahren behandelt. Dabei konfrontieren sich die Patient:innen unter Unterstützung ihres:r Psychothreapeut:in mit dem angstbesetzten Objekt oder der angstbesetzen Situation, bis die Angst nachgelassen hat, negative Erwartungen korrigiert werden konnten, und neue, positivere Erlebnisse mit dem Objekt oder der Situation gemacht werden können. Die Konfrontation mit den angstbesetzten Bedingungen kann in der Realität, in der Vorstellung oder in virtuellen Realitäten erfolgen. Bei Indikation werden Konfrontationsverfahren ergänzt durch Techniken zur Veränderung problematischer Gedanken. Eine professionell durch eine:n Psychotherapeut:in durchgeführte Konfrontationstherapie hat eine sehr hohe Erfolgsquote, sodass die Therapie zwar kurzfristig anstrengend und belastend sein kann, mittel- und langfristig aber Ängste nachhaltig überwunden werden können.
Spezifische Phobie
Spezifische Phobien umfassen die Furcht vor bestimmten Tieren (z.B. Spinnen), Situationen (z.B. Höhen), Naturgewalten (z.B. Gewitter), Blut und Spritzen, oder anderen Bedingungen (z.B. dem Erbrechen oder Verschlucken). Spezifische Phobien werden schwerpunktmäßig mit Exposition in vivo oder in virtueller Realität behandelt. Dabei konfrontieren sich Patient:innen in Begleitung ihrer Therapeut:innen z.B. mit echten oder virtuellen Spinnen, oder steigen auf einen echten oder virtuellen Turm.
Soziale Angststörung
Bei der Sozialen Angststörung besteht eine Angst vor einer negativen Bewertung durch andere Menschen, z.B. beim Sprechen oder Essen vor anderen Menschen. Diese geht häufig mit starken körperlichen Reaktionen wie z.B. Schwitzen, Zittern, oder Erröten einher. Eine soziale Phobie wird mittels Verhaltensexperimenten und kognitiver Umstrukturierung behandelt. Im Rahmen der Verhaltensexperimente stellen Patient:innen mit ihren Therapeut:innen soziale Situationen in der Therapie nach, um die eigene Wirkung auf andere Menschen genauer zu erforschen und diesbezügliche negative Überzeugungen korrigieren zu können. In unserer Hochschulambulanz nutzen wir in diesem Zusammenhang auch virtuelle Realitäten, in deren Rahmen Patient:innen z.B. Vorträge vor einem virtuellen Publikum halten oder virtuelle Menschen ansprechen können. Die neuen Erfahrungen werden dann schrittweise in die Realität außerhalb des Therapie-Settings übertragen.
Agoraphobie
Bei der Agorpahobie liegt eine Angst oder Vermeidung bezüglich Situationen vor, aus denen eine Flucht schwierig oder in denen Hilfe schwer erreichbar ist (z.B. alleine zu Hause, öffentliche Verkehrsmittel, Menschenmengen, Flüge, etc.). Eine Agoraphobie kann mit oder ohne Panikattacken auftreten. In der Behandlung einer Agoraphobie werden interozeptive Exposition mit Exposition in vivo oder in virtueller Realität kombiniert. Im Rahmen einer interozeptiven Exposition konfrontieren sich Patient:innen in Begleitung ihrer Therapeut:innen mit typischen Körpersymptomen einer Panikattacke. Im Rahmen einer Exposition in vivo oder in virtueller Realität findet eine Konfrontation mit typischen, angstbesetzten Situationen (z.B. der Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln) statt, welche ebenfalls durch den:die Psychotherapeut:in begleitet werden.
Panikstörung
Bei einer Panikstörung treten situationsunabhängig plötzliche Angstattacken auf, die mit teilweise heftigsten körperlichen Symptomen (z.B. Herzklopfen, Schwitzen, Zittern, Schwindel, Hitze- und Kälteschauer, Kribbeln in den Händen, Atemnot, etc.) einhergehen, und häufig von der Angst ohnmachtig zu werden oder zu sterben begleitet sind. Eine Panikstörung wird schwerpunktmäßig mit interozeptiver Exposition behandelt. Dabei konfrontieren sich Patient:innen mit Unterstützung ihrer Therapeut:innen mit typischen Körpersymptomen einer Panikattacke.
Generalisierte Angststörung
Bei einer generalisierten Angststörung sorgen sich Patient:innen übermäßig über Alltagsthemen, z.B. einen möglichen Unfall oder eine Erkrankung der Angehörigen oder der eigenen Person. Diese Sorgen sind oft verbunden mit einer erhöhten Muskelanspannung, Schlafproblemen oder anderen Körpersymptomen. Bei einer generalisierten Angststörung wird neben einem Abbau von Rückversicherungsverhalten eine Sorgenkonfrontation durchgeführt. Dabei stellen sich Paient:innen unter Unterstützung ihrer Therapeut:innen ihren Sorgen, bis diese schrittweise "ihren Schrecken" verlieren.
Kennzeichen depressiver Störungen sind gedrückte Stimmung, schnelle Erschöpfbarkeit, mangelnder Antrieb und Verlust von Freude und Interesse. Die wichtigsten Behandlungstechniken einer Kognitiven Verhaltenstherapie bei depressiven Störungen sind Aufbau von positiven Aktivitäten, Veränderung von problematischen Gedanken und Verbesserung der sozialen Beziehungen.
Posttraumatische Belastungsstörungen können sich bei Menschen entwickeln, die Belastungen außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß erlebt haben. Beschwerden sind immer wiederkehrende Erinnerungen, Alpträume, Übererregung und Vermeidungsverhalten. Die meisten Psychotherapieverfahren gründen den Behandlungsplan bei Posttraumatischen Belastungsstörungen auf einem vierstufigem Modell: 1) Aufbau von Sicherheit, 2) Stabilisierung, 3) geschützte Konfrontation, 4) Reintegration.
Persönlichkeitsstörungen sind interaktionelle Störungen, die meist den Ursprung in der Kindheit der Klient:innen haben. Die wesentlichen Probleme werden in engen Beziehungen deutlich. Zur Behandlung von Persönlichkeitsstörungen ist die Schematherapie sinnvoll, eine Weiterentwicklung der Kognitiven Verhaltenstherapie für Persönlichkeitsstörungen. Bei der Borderline Persönlichkeitsstörung ist die dialektisch-behaviorale Therapie (DBT) die Therapiemethode der Wahl. DBT umfasst mehrere Therapiemodule (z. B. Achtsamkeit, Stresstoleranz, Umgang mit Gefühlen, zwischenmenschliche Fertigkeiten). Im Mittelpunkt der DBT steht das Skills-Training, d. h. der Aufbau von kurzfristig wirksamen und längerfristig nicht schädigenden Verhaltensweisen.
Körperliche Beschwerden ohne ausreichenden organmedizinischen Befund werden als somatoforme Störungen bezeichnet. Da körperliche Funktionen (v. a. durch das vegetative Nervensystem) von der psychischen Verfassung mit beeinflusst werden, setzt die Kognitive Verhaltenstherapie an dem psychischen Anteil der körperlichen Beschwerden an. Es gibt verschiedene Möglichkeiten die psychische Beeinflussung der körperlichen Beschwerden zu verbessern (z. B. Entspannungsverfahren, Achtsamkeit, Veränderung problematischer Gedanken).
Suchterkrankungen können stoffgebunden oder nicht stoffgebunden sein. Häufige stoffgebundene Suchterkrankungen sind Alkohol- und Nikotinmissbrauch bzw. –abhängigkeit. Nicht-stoffgebundene Süchte sind z. B. Spielsucht und Kaufsucht. Typisch für Suchterkrankungen sind z. B. Substanzverlangen (Craving), Entzugserscheinungen und soziale Beeinträchtigung durch die Sucht. Bei Suchterkrankungen ist eine ambulante Psychotherapie meist erst im Anschluss an eine erfolgreiche Entgiftungs- und / oder Entwöhnungsbehandlung sinnvoll.
Zwangsstörungen können Zwangsgedanken und / oder Zwangshandlungen sein. Häufige Zwangsgedanken sind z. B. unablässige Gedanken an aggressive, religiöse oder sexuelle Themen. Zwangshandlungen können u. a. Kontrollzwänge oder Waschzwänge sein. Auch zwanghafte Persönlichkeitseigenschaften, die sich problematisch auf die Lebensqualität auswirken (z. B. Perfektionismus, Rigidität), können eine Indikation für eine psychotherapeutische Behandlung sein.
Psychotherapie ist besonders indiziert bei Anorexie (Magersucht) und Bulimie (Ess-Brechsucht). Eine Anorexie liegt vor, wenn der BMI (Body-Maß-Index) unter 17,5 liegt und weitere diagnostische Kriterien erfüllt sind (z. B. selbstherbeigeführter Gewichtsverlust, Körperschemastörung). Bei einem BMI kleiner 15 sollte auf jeden Fall eine stationäre Behandlung stattfinden. Wichtige Kennzeichen der Bulimie sind z. B. wiederkehrende Essattacken und Maßnahmen, dem dickmachenden Effekt von Nahrungsmitteln entgegenzusteuern (z. B. Erbrechen, Hungern). Im Rahmen einer Psychotherapie stehen der Aufbau einer gesunden Nahrungsaufnahme sowie die Veränderung von problematischen Gedanken bzgl. des Essens und des eigenen Körpers im Vordergrund.
Die Verhaltenstherapie ist neben der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie, der analytischen Psychotherapie und der systemischen Psychotherapie eines von vier wissenschaftlich anerkannten Richtlinien-Psychotherapieverfahren. Die Verhaltenstherapie setzt bei problematischen Verhaltens- und Denkmustern an, die in der Therapie erkannt werden und ihr Zusammenhang zur psychischen Problematik herausgearbeitet werden soll. Im zweiten Schritt wird dann gezielt an ihrer Veränderung gearbeitet.
Die Verhaltenstherapie zeichnet sich nach Margraf (2009) durch folgende Prinzipien aus:
Prinzip 1: Verhaltenstherapie orientiert sich an der empirischen Psychologie
Die Verhaltenstherapie strebt an, ihre theoretischen Konzepte und therapeutischen Methoden zu konkretisieren und einer empirischen Überprüfung zugänglich zu machen. Das bedeutet, dass die Methoden der Verhaltenstherapie in der Praxis wissenschaftlich auf Wirksamkeit überprüft werden.
Prinzip 2: Verhaltenstherapie ist problemorientiert
Die Verhaltenstherapie setzt an der gegenwärtig bestehenden individuellen Problematik an. Problematische Verhaltensweisen und Gedanken werden verändert, um lindernd auf die Problematik einzuwirken. Zudem wird eine Erhöhung der allgemeinen Problemlösefähigkeit angestrebt.
Prinzip 3: Verhaltenstherapie setzt an den prädisponierenden, auslösenden und aufrechterhaltenden Problembedingungen an
In der verhaltenstherapeutischen Behandlung werden prädisponierende (anfällig machende), auslösende und aufrechterhaltende Bedingungen für die aktuelle Problematik berücksichtigt. Da besonders die aufrechterhaltenden Bedingungen in der Gegenwart verändert werden können, nehmen diese in der Verhaltenstherapie einen zentralen Stellenwert bei der Problemlösung ein.
Prinzip 4: Verhaltenstherapie ist zielorientiert
Therapeut:in und Klient:in legen zu Beginn der Behandlung die zu erreichenden Therapieziele fest. Dadurch soll verhindert werden, dass unterschiedliche Ziele durch Therapeut:in und Klient:in oder unrealistische Ziele verfolgt werden.
Prinzip 5: Verhaltenstherapie ist handlungsorientiert
Eine aktive Beteiligung des:r Klient:in ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Verhaltenstherapie. Verhaltenstherapie besteht nicht nur aus Diskussion und Reflektion von Problemen, sondern Klient:inen üben aktiv neue Verhaltens- bzw. Erlebensweisen ein.
Prinzip 6: Verhaltenstherapie ist nicht auf das therapeutische Setting begrenzt
Damit sich das Problem im Verlauf einer Psychotherapie auch im Alltag ändert, ist es nötig, dass der:die Klient:in die im geschützten therapeutischen Rahmen erworbenen Strategien regelmäßig zwischen den Sitzungen ausprobiert und übt.
Prinzip 7: Verhaltenstherapie ist transparent
Im Rahmen einer Verhaltenstherapie wird das individuelle Erklärungsmodell für die vorliegende Störung sowie das therapeutische Vorgehen zwischen Therapeut:in und Klient:in jederzeit transparent besprochen.
Prinzip 8: Verhaltenstherapie soll „Hilfe zur Selbsthilfe“ sein
Klient:innen sollen in einer Verhaltenstherapie Fertigkeiten zur selbstständigen Analyse und Bewältigung zukünftiger Probleme erlernen. Dadurch soll das Selbsthilfepotenzial der Klient:innen gestärkt werden: Sie sollen mittelfristig dazu befähigt werden, ohne therapeutische Hilfe neuen Problemen und Rückfällen entgegenwirken zu können.
Prinzip 9: Verhaltenstherapie bemüht sich um ständige Weiterentwicklung
Da die Verhaltenstherapie ihre theoretischen Konzepte und ihre Behandlungsmethoden empirisch evaluiert, befindet sich die Verhaltenstherapie in einem ständigen Prozess der Ausdifferenzierung und Weiterentwicklung.
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Margraf, J. (2009). Hintergründe und Entwicklung. In: J. Margraf & S. Schneider (Hrsg.), Lehrbuch der Verhaltenstherapie (3. Aufl., S. 3-45). Heidelberg: Springer.
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Unter folgendem Link finden Sie ausführliche Informationen zu den Themen „Bin ich psychisch krank?“ und verschiedenen psychotherapeutischen Behandlungsangeboten:
Patientenbroschüre der BPtK "Wege zur Psychotherapie"
Unter folgenden Links können Sie sich Faltblätter und Patienteninformationen zu verschiedenen psychischen Störungen bei Erwachsenen herunterladen:
DPtV Patienteninformationen Faltblätter zu psychischen Störungen
Patienteninformationen der PTK Bayern zu psychischen Störungen
Unter folgendem Link können Sie sich Patienteninformationen zu verschiedenen psychischen Störungen bei Kindern herunterladen:
Patienteninformationen der PTK Bayern zu psychischen Störungen bei Kindern
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Erstattungsfähige Psychotherapieverfahren
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Häufig gestellte Fragen zur Psychotherapie (FAQ)
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