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Couch:Tisch 4 / Begehren : Moralisieren : Genießen

Hier finden Sie den Call of Participation und das Tagungsprogramm.


Vom 29.11. bis 01.12.2024 trafen sich psychoanalytisch orientierte Erziehungswissenschaftler:innen aus Deutschland, Luxemburg und der Schweiz zum Dialog am Couch:Tisch des Regensburger Colloquiums Psychoanalyse:Erziehungswissenschaft“ an der Universität Regensburg. Grundlage und Inspirationsquelle für den Dialog ist die Arbeit am Material.

Bei der ersten, das Tagungsformat begründenden Tagung, widmete sich das Colloquium ausgehend vom Begriff und Phänomen dem Dialog als lebendig-forschenden Austausch. Darauf folgten zwei Arbeitstagungen zur Begriffstriade „Gewalt : Wut : Verachtung“ und zu „Ignoranz : Leiden_schaf(f)t : Dummheit“. Mit der tiefenhermeneutischen Bearbeitung des Themenkomplexes „Begehren : Moralisieren : Genießen“  wurde die interdisziplinäre Tagungsreihe fortgesetzt.

Der Dialog über die drei Zugriffe und deren Relationierung adressierte Motive und Antriebe erziehungswissenschaftlicher Reflexion. Dabei strukturierte Lacans Unterscheidung von Begehren und Genießen den Dialog. Eine wichtige Frage war, ob und inwieweit gemäß eines eigenen bzw. gemeinschaftlichen Begehrens, ausgerichtet auf den Anderen, oder orientiert am Genießen-wollen, unter Benutzung eines Anderen, gehandelt oder nicht gehandelt wird. Moralisieren kann nicht nur ein Begehren z.B. von Gerechtigkeit zu Grunde liegen, vielmehr kann es vom Wunsch nach (auch sadistischem) Genießen angetrieben sein.

Grenzen in pädagogischen, therapeutischen oder pflegerischen Kontexten können nur selten eindeutig orientiert an einer Moral bestimmt werden. Vielmehr ist ein ethisches Begehren und Handeln angesichts widersprüchlicher Moralsysteme gefragt.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer brachten Fragen aus ihren aktuellen Forschungen ein. Das Spektrum der Dialogeinsätze reicht von der (Nicht-)Thematisierung von sexuellem Begehren, Genießen und ethisches Begehren, Genießen des Moralisierens, Begehren (und Genießen) in der Pflege und der Lehrer-Schüler-Beziehung.

Judith Bußmann stellte die Frage nach der Aktualität des Freudschen Konzepts der psychosexuellen Entwicklung in der Auseinandersetzung mit einem als Lehrbeispiel konzipierten Bericht über eine Fallsupervision: Infantile Sexualität – nicht mehr moralisiert, aber auch nicht mehr begehrt?

Jean-Marie Weber thematisierte anhand von Sequenzen aus dem preisgekrönten Film „Das Lehrerzimmer“ das Spannungsfeld von Beschuldigung und Moralisieren versus einer Ethik des „bien-dire“, in dem pädagogischen Hören und Sprechen steht.

Gereon Wulftange reflektierte in seinem Dialogeinsatz Gib‘ nicht nach deinem Begehren? über das Verhältnis von Ethik, Moral und Begehren ausgehend von Lacans Diktum, das es nur eines gibt, dessen man sich schuldig machen kann, nachgegeben zu haben bei seinem Begehren, ebenfalls unter Bezugnahme auf Szenen aus dem Film „Das Lehrerzimmer“.

Stefanie Geret-Frey regte die Gruppe zu einer Auseinandersetzung mit einem Plakat aus einer Kampagne von Aktion Mensch für Inklusion an – Genießen im Kontext von Inklusion? Versuch einer Bildbetrachtung ohne Moralisierung. Leitend für die tiefenhermeneutische Interpretation war die Vorstellung von Archetypen bzw. kulturellen Komplexen.

Ursula Immenschuh problematisierte anhand eines Work-Discussion-Protokolls die Lust am Verbotenen oder was uns fehlt Formen der Abwehr von Pflegekräften, die sie in Arbeit anwenden, um das  (sexuelle) Begehren alter Menschen nicht wahrzunehmen.

Michaela Kuck brachte eine videografierte Szene aus der ausbildungsbegleitenden Fallarbeit in den Dialog um Begehren, Genießen und Moralisieren ein, in der die psychischen Belastung für Auszubildende durch sexualisierte Angebote thematisch wird – Wo ist (m)eine Grenze?.

Jonas Peter Borer setzte in seinem Dialogeinsatz „Wie ein Stein in einem Fluss, den das reißende Wasser nicht kümmert“. Der Appell zu genießen im Lehrpersonenfilm den ebenfalls preisgekrönten slowenischen Film „Klassenfeind“ in Relation zur Hollywood-Produktion „Dead Poets Society“, um unterschiedlichen Formen des Genießens von Lehrkräften auf die Spur zu kommen.

Marius Cramer fokussierte in seinem Dialogeinsatz Sadistisches Genießen in der Schule zwei Szenen aus der Verfilmung von Torbergs autofiktionalen Roman „Der Schüler Gerber“. In der einen genießen die Schüler, in der anderen der als Gott bezeichnete Lehrer Kupfer in einem Prüfungsritual.

Wir danken der Hans-Vielberth-Stiftung für die Förderung der Tagung, insbesondere da sich Wege kreuzten, Menschen sich begegneten und Gefährten auf Zeit waren.


Freitag, 29.11.
(A)Sexuelles Begehren
Insa Härtel „Sex, Sex, Sex. Er ist überall. Alle lieben ihn und alle wollen ihn. Naja, geht so.“
Judith Bußmann Infantile Sexualität – nicht mehr moralisiert, aber auch nicht mehr begehrt?
Genießen und ethisches Begehren
Jean-Marie Weber Beschuldigung und Moralisieren versus einer Ethik des „bien-dire“
Samstag, 30.11.
Gereon Wulftange Gib‘ nicht nach deinem Begehren?
Genießen des Moralisierens
Stefanie Geret-Frey Genießen im Kontext von Inklusion? Versuch einer Bildbetrachtung ohne moralisierenden Fingerzeig
Johannes Huber Der genießende Blick durch’s Schlüsselloch – TV-Formate als die ‚besseren‘ Erziehungsratgeber?
Begehren und Genießen in der Pflege
Ursula Immenschuh Lust am Verbotenen oder was uns fehlt
Michaela Kuck Wo ist (m)eine Grenze? - die Erzählung einer Auszubildenden in der Pflege
Sonntag, 01.12.
Genießen von Lehrkräften
Jonas Peter Borer „Wie ein Stein in einem Fluss, den das reißende Wasser nicht kümmert“ Der Appell zu genießen im Lehrpersonenfilm
Marius Cramer Sadistisches Genießen in der Schule

Zugang zu den Tagungsmaterialien

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  1. Fakultät für Humanwissenschaften
  2. Institut für Bildungswissenschaft

Pädagogik bei Verhaltensstörungen

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