Die historisch von der Pharmakognosie, das heißt der Drogenkunde hergeleitete Disziplin "Naturstoffchemie" befasst sich, als deskriptives Teilgebiet der Biochemie mit der Isolierung, Strukturaufklärung, Synthese sowie den chemischen Eigenschaften biogener Substanzen. Diese entstammen überwiegend dem Sekundär-, in weiterem Sinne auch dem Primärstoffwechsel von Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen.
Die pharmazeutisch-biologische Bedeutung der Naturstoffe ist vielfältig und liegt u. a. in ihrer Strukturdiversität begründet. Dabei gelingt es Pflanzen und anderen Organismen Substanzen zu produzieren, die in der synthetischen Chemie kaum realisierbar sind. Während nur wenige Sekundärstoffe direkt als Medikamente verwendet werden konnten (Taxol), haben zahlreiche Substanzen nach einer semisynthetischen Veränderung Eingang in die Therapie gefunden (Artemisinin, Camptothecin). Noch mehr Verbindungen haben als Leitstrukturen für Arzneistoffe Bedeutung erlangt oder dienen in der Molekular- und Zellbiologie als unverzichtbare Werkzeuge zur Aufklärung von zellulären Wirkungsmechanismen (Forskolin, Thapsigargin).
Der beständige Fortschritt auf den Gebieten der Chromatographie (HPLC), der Massenspektrometrie (MS) und der Kernresonanzspektroskopie (NMR) hat in den letzten Jahren zahlreiche weitere Möglichkeiten eröffnet auch in niedrigen Konzentrationen vorliegende Sekundärstoffe aus komplexen Matrices (z.B. Pflanzenextrakte) zu finden, zu isolieren und deren Struktur aufzuklären. Dies trägt zu einer weiteren Vervielfältigung der Strukturdiversität von Naturstoffen bei.
In die Suche nach neuartigen und biologisch aktiven Verbindungen werden zunehmend auch Methoden aus der Biochemie, der Zell- und der Molekularbiologie integriert. Neue Techniken der Zellkultur, der Rezeptorpharmakologie und der PCR erlauben immer neue Einsichten in die Wirkungsmechanismen von Naturstoffen und ihre möglichst genaue pharmakologische Charakterisierung ("broadband-profiling"). In der Regel werden heute pharmakologische Testsysteme bereits während der Aufarbeitung und Trennung von Pflanzenextrakten eingesetzt. Im Rahmen der bioaktivitätsgeleiteten Isolierung ("bioactivity-guided isolation") von Naturstoffen werden alle Fraktionen, die während der Aufarbeitung entstehen auf ihre biologische Aktivität untersucht. Weiter aufgereinigt werden dann nur solche, bei denen eine signifikante pharmakologische Aktivität feststellbar ist.
Im Rahmen der oben genannten Untersuchungen wird seit einiger Zeit auch ein fluoreszenzmikroskopisches High Content Screeningsystem (Carl Zeiss "Cell Observer") eingesetzt, um die biologische Aktivität von Fraktionen oder Reinstoffen an zellulären Modellen zu untersuchen (zur Seite des Mikroskopie-Labors des Lehrstuhls).
Die Auswahl der zu untersuchenden Organismen lässt sich gemäß verschiedener Prinzipien vornehmen. Eine Möglichkeit besteht in der zufälligen ("random") Auswahl von Organismen. Eine weitere Möglichkeit ist die Nutzung von chemotaxonomischen Aspekten. Die Chemotaxonomie hat sich eng an die Sekundärstoffchemie angelehnt und liefert wesentliche Beiträge zur Aufklärung von Verwandtschaftsbeziehungen bei Tieren, Pflanzen, Pilzen und Mikroorganismen. Sucht man nach neuen ("new") Substanzen, die einem bereits bekannten Naturstoff strukturverwandt und damit ähnlich sind, so kann es hilfreich sein in nahe verwandten Arten zu suchen. Möchte man vollkommen neuartige ("novel") Strukturen auffinden so kann es günstig sein, Organismen zur Untersuchung auszuwählen, die sich entweder in extremen Habitaten entwickelt haben oder Biosynthesewege beschreiten, die in anderen Gruppen nicht vorkommen. Zahlreiche neuartige Strukturen wurden in den letzten Jahren z.B. aus marinen Organismen isoliert. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Anwendung von ethnopharmakologischen Aspekten. Die Ethnopharmakologie beschäftigt sich mit der systematischen Untersuchung von Arzneipflanzen der traditionellen Volksmedizin.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Wirkstoffsuche bei Pflanzen und auch bei anderen Organismengruppen einen aufwendigen integrierten Ansatz als Schnittmenge der Teildisziplinen Ethnobotanik, Naturstoffchemie und Molekularbiologie/Pharmakologie erfordert (siehe Abb. 1). In diesem Bereich ist der Forschungsschwerpunkt unserer Arbeitsgruppe angesiedelt.
Ein zweites Forschungsgebiet liegt im Bereich der Entwicklung von Analysenmethoden (insbesondere basierend auf DC, HPTLC und HPLC Verfahren) auf allen Ebenen der Herstellung und Qualitätssicherung von pflanzlichen Arzneimitteln.
Die besondere Stellung der pflanzlichen Arzneimittel ergibt sich aus ihrer Gewinnung, ihrer komplexen Zusammensetzung und den damit verknüpften Problemen des Wirksamkeitsnachweises und der Analytik. Um die Qualität pflanzlicher Arzneimittel zu sichern, versucht man sich an einer Qualitätsvereinheitlichung auf allen Stufen der Herstellung. Dies beginnt mit dem Anbau und der Gewinnung der Droge und führt bis zum fertigen Extrakt, mit dem Ziel zu einem definierten Standard zu gelangen (sog. Standardisierung). Um diese Qualität auf einem hohem Niveau abzusichern, ist ein wesentlich größerer analytischer Aufwand erforderlich als bei chemisch-definierten Einzelsubstanzen, da Arzneimittel die pflanzliche Zubereitungen enthalten (= Phytopharmaka) per definitionem Vielstoffgemische sind, die nicht nur aus wirksamen Verbindungen bestehen, sondern auch in eine vielgestaltige Matrix von begleitenden Substanzen eingebettet sind. In diesem Zusammenhang seien zwei Aspekte, die Verfälschung von Arzneidrogen und die Stabilitätsprüfung von pflanzlichen Arzneimitteln beispielhaft hervorgehoben.
Bevor ein pflanzliches Arzneimittel entstehen kann, müssen die Identität sowie auch die Reinheit des Drogenmaterials eindeutig festgelegt sein. Auftretende Verfälschungen können zum einen toxikologisch bedenkliche Stoffe enthalten, oder zum anderen durch das Fehlen wirksamer Inhaltsstoffe die Qualität der Droge mindern. Wichtige und bis heute nicht ersetzbare Methoden der Qualitätskontrolle sind in diesem Gebiet die Mikroskopie (unter Anwendung geeigneter Färbungen) und die Dünnschichtchromatographie (DC, unter Anwendung geeigneter Sprühreagenzien). An die Seite der DC ist in den letzten Jahren die HPTLC (High Performance Thin Layer Chromatography) getreten. Stabilitätsuntersuchungen bei Phytopharmaka umfassen quantitative und qualitative Untersuchungen der wirksamkeitsbestimmenden Verbindungen wie auch der Begleitsubstanzen. Trotz der Mannigfaltigkeit chromatographisch-spektroskopischer Verfahren ist hier die HPLC (High Performance Liquid Chromatography) die wichtigste und dank verschiedener Detektionsmethoden (DAD, MS) und stationärer Phasen auch in der Regel die leistungsfähigste Analysenmethode geblieben. Bei geeigneter Methodenentwicklung sind genaue quantitative Bestimmungen ebenso realisierbar wie die qualitative Analyse des Fingerprints einer pflanzlichen Zubereitung.
Ansprechpartner: Prof. Dr. em. Gerhard Franz, Prof. Dr. Jörg Heilmann
Prof. Dr.
Jörg Heilmann
SeKRETARIAT
Raum CH 14.2.82
Tel.: 0941-943-4761
Fax: 0941-943-4990
Email