beschrieben von Nele Heaslip
Es dürfte auffallen, dass dieser Prospero wesentlich jünger ist als geläufig – während er sonst gern als alter, weiser Zauberer mit langem Bart dargestellt wird, ist er hier ein bartloser Mann mittleren Alters. Die zentrale Rolle in The Tempest ist eine dynamische, widersprüchliche Figur, die weder mit sich selbst noch mit der Welt im Reinen ist, und die man in meinen Augen ebenso gut als jüngeren Mann umsetzen kann wie als Greis.
Caliban, der „missgestaltete Sklave“ Prosperos und einzige Eingeborene der Insel, wird in Inszenierungen gern als Symbolfigur für unterdrückte Völker aller Art verstanden – als afrikanischer Sklave, als American Indian, als Aborigine, als Inuit. In dieser Umsetzung der Figur ist hingegen keine Spur vertrauter Merkmale einer bestimmten „ethnischen“ Zugehörigkeit zu sehen. Caliban leidet an Identitätslosigkeit, da sein abstoßendes Äußeres ihn von jedem anderen, und von sich selbst, entfremdet. Er ist klein, bucklig, bleich und krummbeinig, mit merkwürdig entstellten Gesichtszügen. In einem Rückblick im Graphic Novel sieht man ihn hinter seiner schwarzen Mutter stehen; auch ihr sieht er nicht ähnlich. Sein Rücken ist von Peitschennarben übersät, die wahrscheinlich Prospero zu verantworten hat. In meinen Augen ist Caliban keine politische Figur mit Repräsentativfunktion, die einen bestimmten Zweck erfüllen soll. Sondern eine universelle Figur, die um ihrer selbst willen existiert, und deren Schicksal ihr ganz persönliches Schicksal ist.
Prosperos Tochter Miranda wächst fern von der höfischen Gesellschaft auf einer einsamen Insel auf, und ihre Erscheinung widerspiegelt die Freiheiten, die ihr damit gewährt sind. Sie trägt ihr langes schwarzes Haar offen, geht barfuß und trägt ein Kleid aus Schilf. In der Abwesenheit potenzieller Freier weiß sie auch wenig von den Geschlechterrollen, die in der zivilisierten Welt herrschen – damit dürfte ihre Begegnung mit ihrem Liebhaber Ferdinand nicht nur gute Überraschungen mit sich bringen.
Inszenierungen von The Tempest sind sich uneins, ob es sich bei Ariel um eine Fee oder einen Geist, um ein männliches oder weibliches, ein erwachsenes oder kindliches Wesen handelt. In dieser „Inszenierung“ tritt er als geschlechtsloser Djinn auf – mit katzenartigen Gesichtszügen, ziegenhaften Ohren und pupillenlosen Augen. Er ist ein Wesen aus Licht und Luft, für Prospero allein sichtbar und hörbar. Auch über die Beziehung zwischen Ariel und Prospero gibt es verschiedene Interpretationen; mal ist es Ariel, der sich Prospero kindlich verbunden fühlt, mal Prospero, der sich von Ariel nicht trennen kann. Hier sind Ariels Gefühle eher unergründlich.
Antonio, Prosperos verräterischer Bruder, ist in einem Stück voller tiefgründiger Charaktere eine merkwürdig eindimensionale Figur. Als Opportunist, der keine Reue empfindet und keine Wandlung erfährt, scheint mit seiner Rolle recht wenig anzufangen sein. In dieser Hinsicht bietet das Format der Graphic Novel allerdings mehr Möglichkeiten als eine Bühne: Das Rätsel um Antonios Persönlichkeit wird hier durch stumme Rückblenden angerissen.
William Shakespeare
The Tempest
illustrated by Nele Heaslip
Eine Virtuelle Ausstellung
der Universitätsbibliothek Regensburg