Für die literarische Begleitung der Holzschnittfolgen der Großen und Kleine Passion und des Marienlebens wählte Dürer den humanistisch gebildeten Mönch Benedictus Chelidonius, der seinen Nachnamen „Schwalbe“ in zeitgenössischer Manier latinisierte. Lange Zeit wurde in der Forschung die Leistung des Chelidonius unzureichend gewürdigt. Seine Biographie gibt Aufschluss, dass er kein unbekannter Schriftsteller, sondern bereits ein gefeierter Dichter war, als das gemeinsame Buchprojekt in Angriff genommen wurde: Es begegneten sich zwei etablierte Künstler auf Augenhöhe.
Der Benediktiner Chelidonius lebte um 1500 im Kloster Sankt Egidien in Nürnberg. Als Schüler des Conrad Celtis verkehrte er mit den Nürnberger Humanisten Johannes Cochläus und Willibald Pirckheimer, dessen Schwester Caritas Pirckheimer er das Marienleben widmete. Noch vor seiner Zusammenarbeit mit Dürer wurde er schon für seine Verskunst gerühmt. Für den Tod seines Lehrers verfasste er eine Trauerelegie, die er Kaiser Maximilian I. zueignete. Sein poetisches Talent, Gedichte in fast allen antiken Vermaßen zu verfassen, erhob ihn zum „neuen Vergil“, wie ihn seine Zeitgenossen nannten. Es haben sich neben lyrischen Stücken, Dramen, Heiligenviten, historischen Abhandlungen und Gelegenheitsdichtungen seine Distichen zu den Drucken Dürers erhalten.
In dem Jahr 1511, in dem auch das Marienleben veröffentlicht wurde, wechselte Chelidonius in das Wiener Schottenkloster, zu dessen Abt er sieben Jahre später gewählt wurde. Er starb am 8. September 1512 in Wien.