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Mitteilungen der Universität Regensburg

Wenn andere für mich entscheiden

Dr. Helena Fornwagner veröffentlicht eine Verhaltensstudie in der renommierten wissenschaftlichen Fachzeitschrift „Management Science“


10. Mai 2022

Die meisten Entscheidungen im Leben werden von Einzelpersonen für sich selbst getroffen. Welche Auswirkungen es aber hat, wenn jemand anders für eine Person diese Entscheidungen trifft und welche Rolle das Geschlecht dabei spielt, hat Dr. Helena Fornwagner, Verhaltensökonomin am Lehrstuhl für empirische Wirtschaftsforschung der Universität Regensburg, in einer Studie zusammen mit Dr. Nina Serdarevic vom Centre for Applied Research der Norwegian School of Economics (FAIR Insight Team), und Dr. Monika Pompeo von der Universität Bologna herausgefunden. Die Ergebnisse ihrer Forschung wurden jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „Management Science“ veröffentlicht. 

Die meisten Entscheidungen treffen Menschen im Leben für sich selbst. Dies betrifft unter anderem kompetitive Entscheidungen, die gerade im Rahmen des Arbeitsmarkts eine wichtige Rolle spielen. Forschungsergebnisse haben bislang gezeigt, dass je weniger bereit Personen sind, sich einem Wettbewerb zu stellen, desto geringer fällt ihr Gehalt aus und desto weniger wahrscheinlich ist es, dass diese Person beispielsweise in eine höhere Managementposition aufsteigt. Außerdem belegen Forschungsergebnisse, dass das Geschlecht ausschlaggeben ist dafür, wer kompetitiv ist und wer nicht - Frauen stellen sich im Durchschnitt Wettbewerbssituationen signifikant weniger als Männer, was die Geschlechterunterschiede am Arbeitsmarkt miterklären kann.
Allerdings gibt es auch viele Gegebenheiten, in denen Personen nicht für sich selbst entscheiden, sondern eine Person für eine andere: z. B. Manager für ihre Mitarbeiter, Eltern für ihre Kinder oder allgemein sogenannte „Prinzipale“ für „Agent/innen“. Was passiert also, wenn jetzt nicht eine Person für sich selbst entscheidet, ob er oder sie an einem Wettbewerb teilnimmt, sondern jemand anders diese Entscheidung trifft? Überraschenderweise ist in der wissenschaftlichen Forschung kaum bekannt, wie Personen Wettbewerbsentscheidungen für andere treffen. 

Mit ihrer Studie sind Dr. Helena Fornwagner, Dr. Nina Serdarevic und Dr. Monika Pompeo die ersten Wissenschaftlerinnen, die dieses unerforschte Gebiet im Rahmen einer ökonomischen experimentellen Studie analysieren. Sie werfen in ihrer Arbeit zudem einen detaillierten Blick drauf, welche Rolle das Geschlecht in solchen Situationen spielt. Sie erweitern die bestehende Literatur zu geschlechtsspezifischen Unterschieden im Wettbewerbsverhalten, indem sie die Entscheidung für den Eintritt in ein Turnier untersuchen, wenn ein Prinzipal für einen Agenten entscheidet. In ihrem Laborexperiment haben Sie drei unterschiedliche Settings evaluiert: 
Erstens, als Baseline replizieren sie das Standard-Setting, in dem Probanden selbst wählen, ob sie am Wettbewerb teilnehmen. In den anderen beiden entscheiden die „Prinzipals“ für „Agent/innen“, ob diese Agent/innen am Wettbewerb teilnehmen oder nicht. Hier variieren sie, ob der Prinzipal das Geschlecht des/der Agenten/in kennt, wenn er/sie für den Agenten entscheidet, ob er/sie am Wettbewerb teilnimmt oder nicht. 
Das wichtigste Ergebnis dieser Studie ist, dass wenn Prinzipale für Agenten/innen entscheiden, gleich viele Frauen in den Wettbewerb geschickt werden wie Männer, unabhängig davon, ob die Prinzipale das Geschlecht der Agenten/innen kennen. Wenn aber Personen für sich selbst entscheiden, wählen Frauen im Vergleich zu Männern weiterhin weniger den Wettbewerb. Die Wissenschaftlerinnen schlussfolgern daraus, dass man eine Person für eine andere entscheiden lassen sollte, wenn man möchte, dass Frauen und Männer gleich im Wettbewerb vertreten sind. Jedoch zeigen die weiteren Daten auch, dass dieses Resultat damit einhergeht, dass die Effizienz (gemessen in den Auszahlungen im Rahmen des Experiments) dann insgesamt geringer ist. „Wenn andere entscheiden, landen gleich viele Frauen wie Männer in Wettbewerben. Allerdings ist das leider nicht immer effizient“, so Dr. Fonwagner.
Damit stellen die Wissenschaftlerinnen fest, dass Entscheidungsträger sehr gewissenhaft bedenken müssen, wie kompetitive Entscheidungen zum Beispiel im Kontext des Arbeitsmarktes gestaltet werden sollten: Lässt man eine Person besser für sich selbst entscheiden oder eben eine Person für eine andere? „Das Geschlecht spielt bei den meisten Arbeitsmarktentscheidungen eine wesentliche Rolle, insbesondere wenn es um die Wettbewerbsbereitschaft geht. Dennoch zeigen wir, wenn Personen Wettbewerbsentscheidungen im Namen anderer treffen, dass das Geschlecht eben keine Rolle mehr spielt; weder das Geschlecht der Person, die entscheidet, noch der Person, für die entschieden wird“, fasst Dr. Fornwagner die Resultate zusammen. 

Originalpublikation:
Helena Fornwagner, Monika Pompeo, Nina Serdarevic: Choosing Competition on Behalf of Someone Else. Management Science 2022; DOI: https://doi.org/10.1287/mnsc.2022.4413


Dr. Helena Fornwagner © Fornwagner

Informationen/Kontakt

Dr. Helena Fornwagner, 
Universität Regensburg 
Tel.: +43 699 190 65 235
E-Mail: helena.fornwagner@ur.de
www.helenafornwagner.com
 

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