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Mitteilungen der Universität Regensburg

Exzellentes Umfeld für Humboldt-Fellows

Neun Gastwissenschaftler:innen an der Fakultät für Katholische Theologie - International vernetzt und der UR verbunden


26. Juli 2022

Neun Fellows der Alexander von Humboldt-Stiftung sind im Jahr 2022 an der Fakultät für Katholische Theologie der Universität Regensburg zu Gast. Angegliedert sind die Fellows an den Lehrstuhl für Exegese und Hermeneutik des Neuen Testaments von Professor Dr. Tobias Nicklas und an den Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft von Professor Dr. Harald Buchinger.
 
Professor Dr. Tobias Nicklas, einer der drei Direktoren und Sprecher des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Centre for Advanced Studies „Beyond Canon_“ (FOR 2770 „Jenseits des Kanons“), erinnert sich an die Anfänge: „Vor gut zehn Jahren kam mit Janet E. Spittler, heute Professorin an der University of Virginia, USA, zum ersten Mal eine Humboldt-Stipendiatin an die Fakultät für Katholische Theologie nach Regensburg. Seitdem ist unglaublich viel gewachsen, die Gruppe der mit Regensburg verbundenen Wissenschaftler:innen aus der ganzen Welt wächst kontinuierlich. Und durch die Ausstrahlung des Centres for Advanced Studies „Beyond Canon_“ finden nun auch Kolleg:innen zu uns, die ihr erstes Fellowship woanders verbracht haben, Regensburg aber nun attraktiver empfinden – und sich für ihre Wiederaufnahme bei uns entscheiden.“

Professor Dr. Harald Buchinger, stellvertretender Sprecher der Kolleg-Forschungsgruppe und Dekan der Fakultät für Katholische Theologie, konstatiert Agglomerationseffekte: „Neben exzellenter Einzelforschung und der Ergänzung der gewachsenen Interessen einzelner Lehrstühle tragen die Humboldt-Fellowships zur Profilierung nicht nur der Fakultät im Bereich ihres langjährigen Forschungsschwerpunktes ‚Die Bibel und ihre Rezeption in kulturellen Diskursen‘ bei, sondern auch zur internationalen Sichtbarkeit der Universität Regensburg als Standort exzellenter Forschung in den Area Studies und der innovativen regionalwissenschaftlichen Erforschung unter anderem von Ost- und Südosteuropa.“

Beim internationalen Symposium zur Jakobusliturgie Anfang Juni 2022. Foto: Charlotte von Schelling/UR

Fellows und ihre Projekte

Drei Humboldt-Fellows sind für Ihren Forschungsaufenthalt an den Lehrstuhl für Exegese und Hermeneutik des Neuen Testaments angegliedert, darunter Professor em. Johan Thom von der Stellenbosch University, Südafrika. Von Mai bis August 2022 forscht er an der UR zu seinem Projekt Popular Philosophy and Early Christianity. Eine der Herausforderungen frühchristlicher Autoren ab der Zeit der Entstehung des Neuen Testaments sei es gewesen, ihre Botschaft so zu formulieren, dass sie für ein gebildetes Publikum verständlich und überzeugend war, erläutert der Wissenschaftler. „Sie benötigten dazu einen konzeptionellen Rahmen und eine entsprechende Terminologie, um ihre eigenen Gedanken über Gott, die Welt, die Menschheit, Religion, Ethik usw. auszudrücken.“ Ein solches Instrumentarium sei im breiteren Kontext der griechisch-römischen Philosophie bereits verfügbar gewesen. „Anstatt zu versuchen, spezifische philosophische Traditionen als die von einem bestimmten Autor verwendeten Quellen zu identifizieren, schlage ich vor, dass wir die Populärphilosophie als Quelle philosophischer Ideen und Terminologie für viele Autoren in der griechisch-römischen Zeit betrachten sollten,“ so Professor Johan Thom.

Der Begriff „Populärphilosophie“ bezeichne philosophisches Wissen, das über die Grenzen einer bestimmten philosophischen Tradition hinaus zirkulierte und auch für Menschen ohne formale philosophische Ausbildung zugänglich gewesen sei. „Das Centre for Advanced Studies „Beyond Canon_“ an der Universität Regensburg bietet einen hervorragenden Kontext für meine Forschung,“ freut sich der Wissenschaftler. „Ich wurde vom Direktor herzlich empfangen und die Mitarbeitenden sind alle sehr hilfsbereit und unterstützend. Mit der großen Gruppe von Forschungsstipendiat:innen des Centres, die aus vielen verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Hintergründen und Perspektiven kommen, hatte ich anregende und konstruktive Diskussionen. Auch die wöchentlichen Seminare mit verschiedenen internationalen Wissenschaftler:innen haben meinen eigenen Forschungshorizont erheblich erweitert. Ich würde solche Besuche allen Kolleg:innen wärmstens empfehlen.“

Bis Ende Juli 2022 ist Lorena Miralles Maciá, Professorin am Fachbereich für Semitistik an der Universität Granada, Spanien, als Humboldt-Fellow an der Universität Regensburg. Ihr Projekt konzentriert sich auf die Untersuchung von Volkserzählungen in der rabbinischen Literatur. Hierbei berücksichtigt Miralles Maciá, dass die analysierten rabbinischen Texte aus derselben Zeit stammen, die bei „Beyond Canon_“ im Mittelpunkt steht, dass jüdische und christliche Literaturen einen gemeinsamen Hintergrund haben, dass verschiedene Strategien entwickelt wurden, um die gemeinsamen Traditionen anzupassen, neu zu gestalten und zu "judaisieren/christianisieren" sowie dass die kulturübergreifenden Interaktionen von Juden mit ihrer (heidnischen und christlichen) Umgebung eine wichtige Rolle im rabbinischen Judentum spielten. Die Wissenschaftlerin schätzt es sehr, „an den vielfältigen Veranstaltungen von „Beyond Canon_“ teilnehmen und meine Arbeit im Rahmen dieses Projekts diskutieren zu können, insbesondere mit Experten, die sich mit spätantiker Literatur beschäftigen.“ Von den unterschiedlichen Herangehensweisen an Texte und den Methoden, die von diesem internationalen Team und seinen Gästen angewandt werden, bekommt sie viele wertvolle Impulse: „Ich bin sicher, dass aus meiner Erfahrung und dem Austausch, den ich hier in Regensburg erleben durfte, zukünftige Kooperationen zu gemeinsamen Themen und Fragestellungen entstehen,“ so die Wissenschaftlerin.

Dr. Jacob Aaron Lollar, Postdoc an der Abilene Christian University, USA, forscht für zwei Jahre an der Universität Regensburg zu seinem Projekt The Acts of Thekla in the Syriac Christian Traditions. Sein Projekt wird von der Alexander von Humboldt-Stiftung als Postdoc-Forschungsinitiative gefördert. „Die Thekla-Akten beinhalten eine der populärsten frühen Erzählungen des christlichen Erbes. Sie wurde in mehrere Sprachen übersetzt und vom zweiten Jahrhundert nach Christus bis in die Gegenwart von Christen gelesen und verehrt“, erläutert der Wissenschaftler. „In meinem Projekt konzentriere ich mich auf die syrische Übersetzung der Erzählung und ihren Einfluss innerhalb der verschiedenen syrischsprachigen christlichen Gruppen. Ich beziehe dabei mehrere Disziplinen mit ein, darunter Archäologie, Kunstgeschichte und Manuskriptstudien, um zu verstehen, welchen Platz Thekla in der Vorstellungswelt der syrischen Christen einnahm. Am Ende werde ich eine vergleichende Textedition der syrischen Thekla-Akten erstellen, die weitere Textvergleiche mit griechischen, koptischen, arabischen und äthiopischen Versionen der Erzählung ermöglichen soll.“ Zudem will der Forscher zeigen, wie Thekla in den Gedankenwelten der syrischen Christen als asketische Ikone, biblische Heldin und vorbildliche Heilige weitergelebt hat: „Durch die wissenschaftliche Erforschung der Verehrung Theklas wird ein bedeutender, dauerhafter Aspekt des syrischen Erbes bewahrt, der dadurch auch in seiner globalen religiösen und historischen Bedeutung erhalten bleibt.“

Dr. Alexandra Nikiforova von der Akademie der Wissenschaften in Moskau ist mit ihrem Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung am Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft von Professor Dr. Harald Buchinger angesiedelt. Nikiforova lehrt und forscht zur byzantinischen Liturgie und Hymnographie. „Mein tiefer Dank gilt der Humboldt-Stiftung, die trotz der aktuellen politischen Herausforderungen eine Brücke für den bereichernden wissenschaftlichen Austausch zwischen unseren Ländern gebaut hat,“ sagt die Wissenschaftlerin. In Regensburg arbeitet sie an ihrem Projekt The Triodion Between Jerusalem and Constantinople: Shifting Texts – Shifting Meanings. Edition, Historical Analysis and Comparative Interpretation of the Oldest Manuscript Witness. Das Triodion ist eine Sammlung antiker liturgischer Hymnen für Ostern und die Fastenzeit, die im 6. und 7. Jahrhundert in Jerusalem entstand, sich allmählich weiterentwickelte und bis heute von orthodoxen Christen genutzt wird. „Derzeit untersuche ich die älteste erhaltene griechische Triodion-Sammlung aus dem Hymnal-Manuskript der Anastasis-Kirche (deutsch bekannt als ‚Grabeskirche‘) in Jerusalem (8–9. Jh.),“ erzählt Nikiforova. Diese Studie sei aktuell von hoher Relevanz im Zusammenhang mit den vielfältigen Forschungen zur Alt-Jerusalemer Liturgie am Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft an der Universität Regensburg.

Nikiforova erklärt weiter: „Durch die Arbeit von Professor Harald Buchinger wurde dieser Standort weltweit bekannt und für Liturgiewissenschaftler zu einem begehrten Kooperationspartner. Mein Aufenthalt in Regensburg hat bereits alle meine Erwartungen übertroffen. In einem Monat habe ich mehr profitiert als in jahrelanger Arbeit zu Hause, da ich in alle Aktivitäten sowohl des Lehrstuhls für Liturgiewissenschaft als auch von „Beyond Canon_“ involviert war und durch meine Teilnahme an einem Workshop zum Triodion im Mai, an der internationalen Konferenz zur Jakobusliturgie in Regensburg Anfang Juni 2022 und am Kongress der Society of Oriental Liturgy in Thessaloniki viel lernen und großartiges Feedback von meinen Kollegen bekommen konnte.“

Foto: Charlotte von Schelling/UR

Die Humboldt-Stiftung verlieh auch Professorin Dr. Nina Glibetić (University of Notre Dame, USA) ein Forschungsstipendium im Bereich Liturgiewissenschaft. Nach ihrem dreimonatigen Aufenthalt im Sommer 2022 an der Universität Regensburg plant sie, im akademischen Jahr 2023–2024 wiederzukommen. Nina Glibetić war bereits mehrmals Adjunct Fellow von „Beyond Canon_“. „Es ist für mich eine große Freude und Ehre, ein Humboldt-Stipendium unter dem Dach des Regensburger Lehrstuhls für Liturgiewissenschaft und in Zusammenarbeit mit dem DFG-Projekt „Beyond Canon_“ zu erhalten,“ freut sich Professorin Glibetić. Ihr Forschungsprojekt widmet sich den Entwicklungen von Konzepten und Praktiken rund um Reinheit und heiligen Raum in der byzantinisch-christlichen Liturgie: Während frühe Christen diskutierten, ob auch sie jüdische und griechisch-römische Konzepte von „heiligem Raum“ anwenden könnten und ob Praktiken der rituellen (Un-)Reinheit in der kirchlichen Gemeinschaft von Bedeutung wären, hätten diese Themen im Laufe der byzantinischen Liturgiegeschichte eine deutliche Entwicklung erfahren. Durch das Studium griechischer und anderssprachiger liturgischer Handschriften könne man die Entstehung von Gebeten und Riten im Laufe des Mittelalters identifizieren, die sich mit der Reinigung von Klerikern und Laien, um das Kirchengebäude zu betreten und an den liturgischen Gottesdiensten teilzunehmen, befassten.

In ihrer Forschung verfolgt die Professorin die historische Entwicklung solcher Riten innerhalb der formellen Liturgie, von klerikalen Eintrittsriten bis hin zu Ritualen rund um die Reinigung von Frauen nach der Geburt und von Hebammen. „Ich freue mich besonders darauf, hier in Regensburg im interdisziplinären Kontext verschiedener Dozent:innen und Stipendiat:innen zu arbeiten, da meine eigene Arbeit versucht, die liturgische Geschichte dieser Riten mit theologischen, spirituellen, architektonischen und politischen Entwicklungen zu kontextualisieren, die die Religionsgeschichte des östlichen Mittelmeerraums und darüber hinaus geprägt haben.“

Ebenfalls von der University of Notre Dame kommt Professor Dr. Gabriel Radle, der in seinem Humboldt-Projekt die Lebenszyklus-Liturgien in der Spätantike und in Byzanz erforscht, ein Projekt, das sich an sein kürzlich abgeschlossenes erstes Buch über das Trauungsritual anschließt: „Im Mittelmeerraum kannte man in der Antike verschiedene Übergangsriten, die wichtige Entwicklungsphasen im Leben von Kindern und Jugendlichen markierten. In meiner Arbeit gehe ich der Frage nach, wie diese Riten in spätantiken christlichen Gemeinschaften durch die Neuformulierung formaler liturgischer Riten für solche Anlässe sowie durch die Schaffung neuer Übergangsriten fortgeführt wurden,“ so der Wissenschaftler. Zu solchen Lebenszyklus-Liturgien gehörten beispielsweise ein Ritus für den ersten Haarschnitt eines Kleinkindes, die erste Rasur eines Mannes oder die Annahme einer Kopfbedeckung durch eine junge Frau in der Pubertät. Diese Riten fänden sich in den frühesten liturgischen Handschriften, größtenteils unveröffentlichte Quellen. „Die Universität Regensburg ist ein idealer Ort, um an meinem Projekt zu arbeiten: aufgrund ihres exzellenten Rufs auf dem Gebiet der Liturgiewissenschaft und des breiten Spektrums an Expert:innen des frühen und späten antiken Christentums und Judentums, die derzeit bei „Beyond Canon_“ beschäftigt sind,“ freut sich Radle.

Ein zweijähriges Humboldt-Forschungsstipendium am Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft wird Dr. Paweł Figurski (Akademie der Wissenschaften, Warschau) ab September 2022 wahrnehmen. Sein ideologiekritisches Projekt zum Thema Medieval Liturgy and the Making of Poland. A Study in Medieval State-Formation, Peace-Building, and Strategies of Identification (until c. 1300) fügt sich hervorragend in den Forschungskontext im Bereich der mittelalterlichen Liturgie sowie des „Forum Mittelalter“ ein und leistet einen methodisch innovativen Beitrag zu den Area Studies im Bereich der Osteuropaforschung, die das Profil der Universität Regensburg mitprägen.

Dr. Evan Freeman ist für zwei Jahre (bis 2023) in Regensburg und ebenfalls Gastwissenschaftler am Lehrstuhl von Harald Buchinger. Sein Forschungsprojekt  beschäftigt sich mit der Kunst und Architektur des Oströmischen (Byzantinischen) Reiches und des weiteren mittelalterlichen Mittelmeerraums. Schließlich: Das Humboldt-Projekt von Dr. Ramez Mikhail (2019 bis 2022) über den Wortgottesdienst der koptischen Liturgie ist inzwischen abgeschlossen und eine Monographie in Vorbereitung.

Informationen/Kontakt

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