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Mitteilungen der Universität Regensburg

Im Wandel: Prof. Astrid Ensslin über ihre Vision für die UR

Neue Beauftragte für die Gleichstellung von Frauen in Wissenschaft und Kunst an der UR


25. Juni 2024

Die Universität Regensburg hat mit Prof.in Dr. Astrid Ensslin eine neue Beauftragte für die Gleichstellung von Frauen in Wissenschaft und Kunst. Professorin Ensslin wurde Mitte Mai auf Vorschlag von Präsident Prof. Dr. Udo Hebel vom Senat der UR für die Amtszeit bis 31. März 2026 gewählt. Sie tritt die Nachfolge von Prof.in Dr. Isabella von Treskow an, die diese Position seit Mai 2020 bekleidet hat. 

Universitätspräsident Prof. Dr. Udo Hebel mit der scheidenden und der neuen Beauftragten für die Gleichstellung von Frauen in Wissenschaft und Kunst an der UR Prof.in Dr. Isabella von Treskow (Mitte) und Prof.in Dr. Astrid Ensslin (rechts). © Universität Regensburg / Graf


Die Universität Regensburg (UR) ist eine national und international renommierte Volluniversität mit breitem Fächerspektrum und herausragenden Leistungen in Forschung, Lehre und Transfer. Besonderes Augenmerk wird auf die Ermöglichung der uneingeschränkten Teilhabe der Universitätsmitglieder an allen relevanten Prozessen sowie der Chancengleichheit der Mitglieder gelegt. „Chancengerechtigkeit ist eines ihrer wichtigsten leitenden Prinzipien, die Realisierung von Geschlechtergerechtigkeit zählt fest zu ihrem Selbstverständnis“, heißt es dazu im aktuellen Gleichstellungskonzept für Forschung und Lehre der Universität Regensburg. Hauptverantwortlich für die Umsetzung und Weiterentwicklung dieser Ziele war in den zurückliegenden vier Jahren Prof.in Dr. Isabella von Treskow. Nach zwei Amtszeiten, in denen Sie sich ohne Unterlass der Umsetzung dieser Gleichstellungsaufgaben in Forschung und Lehre an der UR gewidmet hat, wurde Sie am Montag im Rahmen der Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten für Frauen in Wissenschaft und Kunst von Universitätspräsident Prof. Dr. Udo Hebel verabschiedet. Im Anschluss begrüßte der Präsident ihre Nachfolgerin, Prof.in Dr. Astrid Ensslin, im Amt.

Wir haben mit der neuen Beauftragten für die Gleichstellung von Frauen in Wissenschaft und Kunst gesprochen. 

Frau Prof.in Ensslin, Sie sind seit Dezember 2022 als Professorin für Dynamiken virtueller Kommunikationsräume an der Universität Regensburg. Bitte stellen Sie sich einmal in eigenen Worten vor und erklären, wo Ihre Forschungsschwerpunkte liegen. 

Prof.in Dr. Ensslin: Gerne. Mein wissenschaftlicher Werdegang war immer stark geprägt vom zunehmenden Einfluss digitaler Technologien auf menschliche Kommunikations- und Erzählformen. Daher bin ich bereits in meiner Dissertation in den frühen 2000-er Jahren der Frage nachgegangen, wie unsere durch Druckmedien geprägten Denk- und Verstehensprozesse durch multilineare Gestaltungsmöglichkeiten in virtuellen Kommunikationsräumen wie z.B. Hypertextfiktionen und literarischen Computerspielen hinterfragt und diversifiziert werden können. Dabei bin ich auch  kultur- und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen nachgegangen, wie z.B. der Frage nach Geschlechterspezifik und Sprachideologien in interaktiven Medien. Ich habe mich zudem mit Methoden der Digital Humanities beschäftigt und insbesondere spielerisch-kooperative Formen des Lernens, Forschens und künstlerischen Gestaltens in meine Wissenschaft und Lehre mit aufgenommen.

Seit meiner Ankunft in Regensburg leite ich im DIMAS (Department für Interdisziplinäre und Multiskalare Area Studies) das Digital Area Studies LAB (DAS|LAB). Unser Hauptanliegen ist, neue Forschungsansätze zu transregionalen, kultur- und medienwissenschaftlichen Fragestellungen zu entwickeln. Dazu gehören mitunter empirische Studien zu virtuellen Migrationsnarrativen in VR, AR und anderen Extended Realities, aber auch z.B. Analysemethoden für kulturspezifische, kritische und indigene Indie-Computerspiele und raumphilosophische Überlegungen zu Virtualität und Realität.

Die Gender Studies haben meine Forschung schon immer durchzogen, sei es in Studien zu sexistischem Sprachgebrauch in den britischen Nachrichtenmedien, zu cyber- und ökofeministischen Themen in englisch- und deutschsprachiger digitaler Literatur oder in der Entwicklung von feministisch-partizipatorischen Nutzer- und Community-Design Studien. Dieser letzte Bereich dominiert meine aktuelle Forschungspraxis, die teilweise in die Körperbildforschung und teilweise in den Femtech-Bereich fällt. Dabei untersuchen wir in einem internationalen, transdisziplinären Verbundprojekt, wie Nutzerinnen von sogenannten Menstruations- und Menopause-Tracking-Apps auf die Normativität von Körpern, die den App-Algorithmen eingeschrieben sind, reagieren.

Was hat Sie dazu bewegt, das Amt der Beauftragten für die Gleichstellung von Frauen in Wissenschaft und Kunst an der Universität Regensburg zu übernehmen?

Prof.in Dr. Ensslin: Die Nominierung für dieses Amt kam für mich zunächst recht überraschend, da ich erst knapp über ein Jahr zuvor meine Professur an der Universität Regensburg angetreten hatte. Ich freute mich natürlich über das Vertrauen, das mir durch die Nominierung entgegengebracht wurde, und die Anfrage kam zu einem günstigen Zeitpunkt in meiner Karriere. Ich hatte mir schon lange überlegt, wie die Inhalte, mit denen zeitgenössische Theorien der Gender Studies mein wissenschaftliches Arbeiten bereichert hatten, in praktische Fragestellungen des Alltags umgesetzt werden können. Mit der Situation von Wissenschaftlerinnen auf dem Qualifikations- und Karriereweg bin ich aus eigener Erfahrung nur allzu vertraut, und die Möglichkeit, meine Ideen und Erfahrungen direkt in die Hochschulpolitik einfließen zu lassen, finde ich überaus spannend. Und so nahm ich die Nominierung an, wohlwissend, dass dieses Amt eine Vielzahl persönlicher und beruflicher Herausforderungen mit sich bringt, die ich aber in dieser Karrierestufe bereit bin anzunehmen.

Hinzu kam das Bewusstsein, dass die Universität Regensburg ein Standort ist, an dem Gleichstellungspolitik nicht nur ernst genommen, sondern durch ein überdurchschnittlich reiches Angebot an Fördermitteln, Veranstaltungen, Schulungen und anderen Gleichstellungsmaßnahmen strukturell umgesetzt wird. Die Koordinationsstelle Chancengleichheit, die diese umfassenden Maßnahmen plant und organisiert, ist ein inspirierendes Arbeitsumfeld mit äußerst engagierten Mitarbeiterinnen, und die unermüdliche, herausragende Vorarbeit, die meine Vorgängerinnen im Amt der UGB Wiss./Kunst geleistet haben, hat mir den Weg in diesen neuen Aufgabenbereich erheblich erleichtert. Ich konnte mir also keine bessere Ausgangssituation wünschen.

Was für Ziele haben Sie sich in dieser Position für Ihre Amtszeit gesetzt? 

Prof.in Dr. Ensslin:  Ein großer Aufgabenbereich wird zweifelsohne allein die Erhaltung und Pflege des bereits erwähnten, vielfältigen Angebots an Gleichstellungsmaßnahmen sein. Dazu müssen u.a. ständig neue Förderanträge entwickelt und mit Statistiken, Gleichstellungszielen, und -errungenschaften abgeglichen werden. Außerdem würde ich gerne die bereits bestehende Vernetzung nach innen und außen stärken, für mehr Austauschmöglichkeiten unter Wissenschaftlerinnen und Gleichstellungsbeauftragten sorgen und neue Brücken zu zentralen und dezentralen Einrichtungen sowie außeruniversitären Organisationen aufbauen. Trotz aller Errungenschaften, die die UR bereits im Bereich der Gleichstellung vorweisen kann, sind wir noch lange nicht am Ziel unserer Arbeit. Die paritätische Besetzung zentraler Gremien ist beispielsweise noch lange nicht erreicht, was u.a. an familienunfreundlichen Sitzungszeiten liegt. Hier können meines Erachtens minimale strukturelle Änderungen erhebliche Auswirkungen auf die Bereitschaft unterrepräsentierter Gruppen haben, sich für Gremienämter aufstellen zu lassen.
Eine weitere Zielgruppe, die ich gerne stärker in die Gleichstellungspolitik aufnehmen möchte, sind internationale Wissenschaftlerinnen, deren professionelle und familiäre Bedürfnisse sich oft gravierend von denen einheimischer Wissenschaftlerinnen unterscheiden. Allein die sprachlichen Voraussetzungen, die bayerische Schulen an Kinder von Einwandererfamilien stellen, stellen eine beträchtliche Herausforderung für die Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie dar. Auch hier sehe ich Möglichkeiten der Vernetzung, Weiterbildung und Beratung, in enger Zusammenarbeit mit dem International Office und dem Welcome Center.

Aber ganz allgemein gesprochen möchte ich in meiner Amtszeit dazu beitragen, Gleichstellung und Chancengleichheit noch mehr zu Leitsätzen aller Mitglieder der Universität zu machen. Das nachhaltigste Ziel von Gleichstellungsarbeit kann etwas salopp ausgedrückt nur sein, dass man sie eigentlich nicht mehr braucht, aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Wo sehen Sie die UR bereits gut aufgestellt, in welchen Bereichen sehen Sie noch Nachholbedarf? 

Prof.in Dr. Ensslin: Die UR bietet bereits ein breites Angebot an Fördermaßnahmen für Wissenschaftlerinnen auf dem Karriereweg. Die Palette reicht u.a. von Early-Career-Stipendien über Reise-, Mobilitäts- und Sachmittelkostenunterstützung, einer Mutterschutzüberbrückungspauschale und einem Academic Research Sabbatical Programm bis zu unseren äußerst erfolgreichen Mentoring- und Weiterbildungsprogrammen. Wir bieten beispielsweise Trainingseinheiten zu Berufungspraxis, Karrierecoaching, Führungspraxis für Professorinnen und zu Gender Bias Sensibilisierung, und wir bieten Fördermaßnahmen zu Einzelcoachings für neuberufene Professorinnen und Funktionsträgerinnen an. Und dann gibt es natürlich den bei unseren Studierenden äußerst populären Zertifikatsstudiengang Genderkompetenz, der studienbegleitend belegt werden kann und einschlägige, interdisziplinär berufsqualifzierende Einblicke und Fähigkeiten vermittelt. Interessierte seien herzlich dazu eingeladen, sich auf der Homepage der Koordinationsstelle etwas näher umzusehen und uns bei Fragen direkt anzuschreiben: www.uni-regensburg.de/chancengleichheit/startseite/index.html

Nachholbedarf sehe ich momentan vor allem in der Besetzung von Gremien, aber auch in Bereichen der Berufungspraxis sowie der Situation spezifischer Fachbereiche. Die Herausforderungen der MINT-Fächer in Sachen Gleichstellung sind nach wie vor erheblich, sie zeichnen sich aber auch insbesondere in Bereichen der Geistes- und Sozialwissenschaften ab, die traditionell von Männern dominiert sind.

Warum finden Sie, dass Sie die richtige Person an dieser Stelle sind? 

Prof.in Dr. Ensslin: Über diese Frage musste ich zunächst etwas schmunzeln, da das Amt der Universitätsgleichstellungsbeauftragten in Wissenschaft und Kunst ja nicht öffentlich ausgeschrieben oder kompetitiv besetzt wird. In Zeiten der zunehmenden Prekarisierung wissenschaftlicher Arbeit und Selbstverwaltung sind solch umfassende Ämter wie das der UGB Wiss./Kunst bei weitem nicht so umworben, wie ich mir persönlich das wünschen würde. Dennoch habe ich, wie schon gesagt, das Angebot gerne angenommen, da ich darin eine willkommene Gelegenheit erkannte, meine Erfahrungen und Kenntnisse im Bereich der Gender Studies und der feministisch-inklusiven wissenschaftlichen Führungsarbeit direkt ins Wissenschaftsmanagement umzusetzen. 

Was mich persönlich auszeichnet, ist v.a. die Freude am gemeinsamen Denken, Forschen und Gestalten, an wissenschaftlicher Erkenntnis, am methodischen Erarbeiten und Erreichen hoch gesteckter Ziele, am Experimentieren und an der Entwicklung neuer Fragen und Analysemethoden zur Verfasstheit unserer sich rapide verändernden Welt. Es ist aber auch das Streben nach der kontinuierlichen Verbesserung sozialer Verhältnisse in meinem Wirkungsbereich. Darin verankert liegt für mich die Leidenschaft, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf dem Karriereweg zu fördern, sie zu ermutigen, ihren eigenen Weg zu gehen, und sie dabei unentwegt und unermüdlich zu unterstützen. Ein Zitat, das ich dabei immer im Kopf habe, stammt von der U.S.-amerikanischen Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison: „I tell my students, 'When you get these jobs that you have been so brilliantly trained for, just remember that your real job is that if you are free, you need to free somebody else. If you have some power, then your job is to empower somebody else.’” Diese Aufgabe, aus einer Position wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Unabhängigkeit und Freiheit heraus, die aber natürlich auch immer hierarchische Asymmetrien widerspiegelt und wiederholt, andere zu befreien und zu befähigen, sehe ich als Schlüssel-Leitbild meiner Arbeit.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg bei dieser neuen Aufgabe. 


Weiterführende Links:
Gleichstellungsbeauftragte für Wissenschaft und Kunst & Koordinationsstelle
Prof. Dr. Astrid Ensslin
DAS|LAB 


Informationen/Kontakt

Prof.in Dr. Astrid Ensslin
Professorin für Dynamiken virtueller Kommunikationsräume am Department für Interdisziplinäre und Multiskalare Area Studies (DIMAS)
Universität Regensburg
Tel.: +49 (0)941 943 68521
E-Mail: astrid.ensslin@ur.de
 

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