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Mitteilungen der Universität Regensburg

NIMS-Award für Innovationen in der berührungslosen Rasterkraftmikroskopie

Prof. Franz J. Gießibl erhält den japanischen Preis für seinen Beitrag zur Nanomaterialforschung


21. Juni 2024

„Dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält“. Diese Vision, nach der Johann Wolfgang von Goethe 1808 seinen Protagonisten Heinrich Faust streben lässt, bringt auch Prof. Franz J. Gießibls Forschung auf den Punkt. Mit seinem Rasterkraftmikroskop schaut er quasi in das Innerste von Materie und was sie dort verbindet.

„Unsere Welt ist aus Atomen aufgebaut und diese können wir mit Mikroskopen detektieren“, sagt Franz Gießibl vom Lehrstuhl für Experimentelle und Angewandte Physik an der Universität Regensburg. Der Physiker baut Mikroskope, mit denen sich nicht nur Atome beobachten lassen, sondern sogar die Verzerrungen in den Elektronenhüllen, die entstehen, wenn einzelne Atome Bindungen miteinander eingehen.

Jetzt wurde er für seine Forschung mit dem japanischen NIMS-Award 2024 ausgezeichnet. Das „National Institute for Materials Science (NIMS)“ ist das nationale japanische Forschungs- und Entwicklungsinstitut mit Hauptsitz Tsukuba nördlich von Tokio. Das NIMS hat sich zum Ziel gesetzt, auf dem Gebiet der Materialwissenschaften und -technologie Errungenschaften auf Weltklasse-Niveau zu schaffen. Das Institut verlieh Gießibl den Preis für seinen Beitrag zur Nanomaterialforschung durch Innovationen in der berührungslosen Rasterkraftmikroskopie (englisch atomic force microscope, abgekürzt AFM).

Schon vor mehr als zehn Jahren entwickelt Gießibl Sensoren, mit der sich die Oberflächen von nicht-metallischen Proben mit einer bis dahin nie realisierten Auflösung darstellen lassen. So können Forschende beispielsweise bestimmen, wo ein bestimmtes Atom im Kristallgitter sitzt. Diese Frage spielt eine Rolle, wenn etwa ein neuer Katalysator entwickelt werden soll.

Sensor und ein damit abgebildetes Atom. Links: qPlus Sensor; Rechts: Subatomar aufgelöstes Bild eines Eisenatoms, erzeugt mit einem qPlus-Rasterkraftmikroskop.

© Franz J. Gießibl


Die sogenannten qPlus-Sensoren bestehen an ihrer Spitze quasi nur aus einem einzigen Atom. Der Querbalken, an dem die Spitze befestigt ist, schwingt mit einer präzisen Frequenz, ähnlich wie ein Quarzkristall in einer besonders exakt gehenden Uhr. Ein Prinzip, das auf der Quarz-Stimmgabel einer elektronischen Uhr basiert. Bei der berührungslosen AFM wird die schwingende Spitze in einem engen Abstand rasterförmig über die Probenoberfläche geführt. Dabei werden die winzigen Kräfte zwischen der Sonde und der Struktur erfasst, die durch die Atome gebildet werden. Ein Computer setzt diese Signale dann zu einem atomaren Bild der Oberfläche zusammen.

Im Vergleich zu den bisher verwendeten Cantilever-Sensoren hat der qPlus-Sensor zwei wesentliche Vorteile:

- Eine sehr hohe Federkonstante, ermöglicht ihm, Kräfte mit kurzer Reichweite mit hoher Empfindlichkeit bei Amplituden von nur einigen zehn Pikometern zu erfassen, was mit Cantilever-Sensoren unerreichbar war. Dadurch wurde der Kontrast auf atomarer Ebene drastisch verbessert.

- Bei Cantilever-Sensoren muss die Biegung des Federbalkens mit einem Laser oder einer ähnlichen Methode erfasst werden. Der qPlus-Sensor hingegen ist ein Kraftsensor, der aus einem Uhrenquarz-Oszillator modifiziert wurde und wegen der piezoelektrischen Eigenschaften des Materials Quarz eine Balkenbiegung sofort in ein elektrisches Signal umsetzt.

Rasterkraftmikroskope, die den von Prof. Dr. Franz J. Gießibl entwickelten qPlus-Sensor verwenden, wurden in den vergangenen Jahren kommerziell vermarktet. Weltweit sind bisher mehr als 500 Stück im Einsatz. Der qPlus-Sensor wird in fast allen Rasterkraftmikroskopen eingesetzt, die bei extrem niedrigen Temperaturen und im Ultrahochvakuum arbeiten. Außerdem hat die Verwendung des qPlus-Sensors erstmals die Beobachtung der inneren Struktur von Molekülen ermöglicht. Dadurch haben sich Tieftemperatur-Rasterkraftmikroskope, die mit dem qPlus-Sensor ausgestattet sind, zu unverzichtbaren Werkzeugen in der Oberflächenchemie entwickelt. Insgesamt hat der Einsatz dieser Instrumente die Oberflächenphysik und -chemie erheblich vorangebracht, begründet die Jury ihre Entscheidung.

Die NIMS-Preisverleihung findet am Mittwoch, den 6. November 2024, im Tsukuba International Congress Center im Rahmen des NIMS Award Symposium 2024 statt.

Über den Preis:

Seit 2007 verleiht NIMS den internationalen NIMS-Award an Forscher für herausragende Leistungen im Bereich der Materialwissenschaft und -technologie. NIMS teilt die Themen der Materialwissenschaft grob in vier Bereiche* ein und wählt jedes Jahr die Gewinner aus einem anderen Bereich aus. In diesem Jahr wurden führende Wissenschaftler aus der ganzen Welt gebeten, Kandidaten aus dem Bereich der grundlegenden Materialwissenschaft zu nominieren, die praktische Anwendungen initiiert und einen bedeutenden Einfluss auf die Gesellschaft haben. Der Auswahlausschuss für den NIMS-Award, der sich aus unabhängigen Experten zusammensetzt, führt dann ein strenges Auswahlverfahren durch.

*Die vier Bereiche sind:

1. Materialien für Umwelt und Energie, 2. funktionelle Materialien, 3. strukturelle Materialien und 4. Grundlagen der Materialwissenschaft.


Prof. Dr. Franz J. Gießibl  © Paula Held

Informationen/Kontakt

Prof. Dr. Franz J. Giessibl
Quanten-Nanowissenschaft
Institut für Experimentelle und Angewandte Physik
Universität Regensburg
Tel+49 (0) 941 943‑2105
Franz.Giessibl@physik.uni-regensburg.de

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