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Mitteilungen der Universität Regensburg

Reale und imaginierte Vergangenheit

‚Byzanz‘ umfassend neu definieren: Humboldt-Fellow Dr. Evan Freeman forscht am Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft zur Konstruktion von Identitäten


21. April 2022

Seit Beginn dieses Jahres forscht Dr. Evan Freeman als Fellow der Alexander von Humboldt-Stiftung und Gast des Lehrstuhls für Liturgiewissenschaft von Professor Dr. Harald Buchinger an der Fakultät für Kathologische Theologie der Universität Regensburg. Evan Freemans Projekt über die Zusammenhänge von Kunst, Ritual und Identität im späten Byzanz (Appropriating the Past: Art, Ritual, and Identity in Later Byzantium) stellt „strukturell, personell und inhaltlich eine außerordentlich paßgenaue Bereicherung des Regensburger Forschungskontexts dar“, freut sich Professor Dr. Harald Buchinger.

Den Regensburger Kontext bilden unter anderem das interdisziplinäre von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Graduiertenkolleg 2337 „Metropolität in der Vormoderne“, in dem auch mehreren Dissertationen im Bereich der byzantinischen Liturgie entstehen, und die DFG-Kolleg-Forschungsgruppe 2770 Centre for Advanced Studies „Beyond Canon_“ mit ihrem interdisziplinären Forschungsdesign der Untersuchung von Texten, Ritualen und materialer Kultur. Evan Freeman (im Bild) zeigt sich beeindruckt von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die er an der Universität Regensburg bislang kennengelernt hat: „Ich bin hier auf reichhaltige, interdisziplinäre Arbeit gestoßen, die ich zutiefst anregend finde“, sagt der Early Career Researcher. „Das ist immens hilfreich im Hinblick auf mein Interesse an globalen Ansätzen zur mittelalterlichen Kunst und meinem Bemühen, ‚Byzanz‘ umfassender neu zu definieren.“

Kunst, Architektur und Rituale

Evan Freeman fokussiert sich auf Kunst und Architektur des Oströmischen bzw. Byzantinischen Reiches und des weiteren mittelalterlichen Mittelmeerraums. „Mein aktuelles Forschungsprojekt untersucht monumentale Darstellungen realer und imaginierter Vergangenheiten als Mittel zur Konstruktion von Identitäten im postikonoklastischen Byzanz“, fasst Evan Freeman zusammen. Er untersucht dafür die Schnittmengen von monumentaler Kunst, Architektur und Ritualen des oströmischen „Byzantinischen“ Reiches in der Zeit nach dem Bildersturm, im Zeitraum vom 9. bis zum 14. Jahrhundert. Evan Freeman fragt danach, wie byzantinische Künstler Figuren und Ereignisse aus der Vergangenheit – zum Beispiel aus der hebräischen Bibel, dem christlichen Neuen Testament und nicht-kanonischen Texten – aufgriffen, um rituelle Handlungen zu interpretieren und Identitäten in der Gegenwart zu konstruieren. Für die Ereignisse im Osten Europas, für Krieg und Frieden in Europa, sind solche Themen auch in der Gegenwart entscheidend. Seine Forschung habe ihm gezeigt, „wie wichtig interkulturelle Interaktionen zwischen den Oströmern und ihren Nachbarn, wie der Kiewer Rus, für das Verständnis der mittelalterlichen Kunstgeschichte sowie der Welt, in der wir heute leben, sind“, sagt Evan Freeman. Diese regionalwissenschaftlich konfigurierte Forschung zur byzantinischen Liturgiegeschichte, dessen ist Gastgeber Professor Dr. Harald Buchinger sicher, leistet einen bedeutenden Beitrag zum Forschungsbereich Area Studies an der Universität Regensburg.

Mosaik im Kloster Hosios Loukas, einem der bedeutendsten byzantinischen Klöster unweit von Delphi. Es zeigt eine Szene, die in den Evangelien beschrieben wird: Christus, der den Aposteln die Füße wäscht. Solche Bilder entsprechen oft den rituellen Handlungen, die sich in den Räumen der byzantinischen Kirchen abspielten, in denen sie ausgestellt sind, und verbinden vergangene Ereignisse mit gegenwärtigen Erfahrungen. Fotos: Evan Freeman

Bis Ende 2023 an der UR

Seinen ThM in orthodoxer Theologie hat Evan Freeman am Saint Vladimir's Theological Seminary in New York, der in Nordamerika führenden orthodoxen Ausbildungseinrichtung, erworben. An der UR hat der Humboldt-Fellow auch Kommilitonen seiner New Yorker Hochschule wieder getroffen, Dr. Gregory Tucker und Christopher Sprecher, beide Mitglieder im DFG-Graduiertenkolleg 2337. Im Anschluss an seinen Master wurde Evan Freeman an der Yale University bei den international führenden byzantinischen Kunsthistorikern Robert Nelson und Vasileios Marinis, der selbst Humboldt-Fellow in Bayern war, promoviert. Seinen Kollegen Marinis lernte Professor Dr. Harald Buchinger im Zuge seines persönlichen Aufenthalts als Senior Research Fellow an der Yale University kennen. Der Austausch gab „entscheidende Impulse für die interdisziplinäre Einbettung liturgiehistorischer Forschung“, resümiert Theologe Buchinger.

Evan Freeman wird voraussichtlich noch bis Ende des Jahres 2023 an der UR forschen. Davor war er mit einem Andrew W. Mellon Postdoctoral Fellowship bei Smarthistory, the Center for Public Art History, tätig; außerdem unterrichtete er als Adjunct Assistant Professor am Queens College, City University of New York. Unlängst wurde Dr. Evan Freeman mit einem William M. Calder III Fellowship der American Friends of the Alexander von Humboldt Foundation 2021/2022 ausgezeichnet.

Informationen/Kontakt

Zu Evan Freeman

Smarthistory-Beiträge von Dr. Evan Freeman

Alexander von Humboldt-Stiftung

Zum Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft der Universität Regensburg, Prof. Dr. Harald Buchinger
 

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