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Mitteilungen der Universität Regensburg

Auftakt zu Ringvorlesung „Sichtbar – unsichtbar. Lebenswege jüdischer Frauen“

Talya Lador-Fresher, Generalkonsulin des Staates Israel, zu Besuch im Jüdischen Gemeindezentrum


19. Oktober 2023

Am Mittwochabend fand die erste Veranstaltung der UR-Ringvorlesung „Sichtbar – unsichtbar. Lebenswege jüdischer Frauen“ im Jüdischen Gemeindezentrum in Regensburg statt. Die Vorlesung macht bis Februar 2024 in einer Vielzahl unterschiedlicher Veranstaltungen bekanntere und unbekanntere Lebenswege von jüdischen Frauen sichtbar. Den Auftakt machte jetzt eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion, an der Talya Lador-Fresher, Generalkonsulin des Staates Israel mit Sitz in München, Ilse Danziger, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Regensburg, Prof. Dr. Eva Haverkamp-Rott, Professorin für Mittelalterliche Jüdische Geschichte und Kultur an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Ariel Elbert, Vorstand KESHET Deutschland e.V. sich den Fragen der beiden Moderatorinnen Dr. Julie Grimmeisen, Akademische Leiterin, Generalkonsulat des Staates Israel und Dr. Esther Gajek, Lehrstuhl für Vergleichende Kulturwissenschaft der Universität Regensburg, stellten. 

Bereits vor Beginn der Podiumsdiskussion machten die Einführenden Worte der Anwesenden die Wichtigkeit und Aktualität der Veranstaltung klar. „Zwei Wochen nach dem barbarischen Massaker der Hamas bin ich immer noch schockiert. Der brutale Angriff hat ganz Israel in einen Schockzustand versetzt, das Land ist traumatisiert“, sagte Talya Lador-Fresher, Generalkonsulin des Staates Israel. „Viele stellen zurzeit die Frage, wie sie Israel in dieser Notsituation helfen können. Ihnen bin ich dankbar. Für die israelische Bevölkerung ist der Erhalt solcher Unterstützungsanfragen herzerwärmend und sie werden sehr wertgeschätzt. Nicht weniger wichtig als die emotionale und materielle Unterstützung ist in diesen Tagen die moralische. Öffentliche Statements von gewählten Amtsträger*innen, Solidaritätskundgebungen, das Hissen von Israelischen Fahnen oder das Anleuchten von Gebäuden in blau und weiß, sind Beispiele dafür, wie eine solche Unterstützung in der Realität aussehen kann und weiterhin aussehen sollte. In diesen Zeiten sollte jeder Farbe bekennen, und zwar in blau und weiß. Wir alle sollten zusammenstehen, im gemeinsamen Kampf für die Grundwerte westlicher Zivilisation, gegen Barbarei und brutalen Terror.“ 

Universitätspräsident Prof. Dr. Udo Hebel dankte der Generalkonsulin für Ihren Besuch der Veranstaltung, um so ein gemeinsames Zeichen der Verbundenheit mit Israel zu setzen. „Der furchtbare und mit nichts zu rechtfertigenden Angriff der radikal-islamistischen Hamas auf Israel und seine Bevölkerung hat uns alle tief erschüttert. Er steht diametral zu allen universitären und humanitären Werten. Wir alle können nur hoffen, dass Israel und alle Menschen in Israel und im ganzen Nahen Osten bald wieder in Frieden und Sicherheit leben können.“ Am 7. Oktober 2023 seien in Israel so viele Menschen auf einmal ermordet worden, wie seit der Shoa nicht mehr. Dies müsse gerade in Deutschland in besonderer Weise gesagt werden. „Verdeutlicht dies doch die Dimension der Ereignisse und zugleich die besondere Verantwortung von uns allen hier in Deutschland für Israel und die Sicherheit von Jüdinnen und Juden egal wo, vor allem aber hier bei uns. Das aktuelle politische Klima in Deutschland, populistische und rechtsextreme Tendenzen, die allen bekannten Wahlergebnisse und die Zunahme antisemitischer Äußerungen und Aktionen sind beunruhigend und geben Anlass zur Sorge bezüglich des Umgangs mit der jüdischen Geschichte und Kultur in Deutschland. Dies alles macht die heute beginnende Veranstaltungsreihe umso signifikanter und wichtiger. Nicht nur als wissenschaftliche Aufarbeitung und Diskurs über die Rolle der Frau im Judentum, sondern auch als Brücke zwischen Universität und jüdischer Gemeinde und von der Wissenschaft in die Gesellschaft hinein.“

Universitätspräsident Prof. Dr. Udo Hebel bei seinen Grußwort im Jüdischen Gemeindezentrum. © Julia Dragan/Universität Regensburg


Regensburgs Bürgermeister Ludwig Artinger verurteilte den Angriff der Hamas auf Israel im Namen der Stadt Regensburg und drückte die Solidarität der Stadt mit Israel aus. „Wir leben in einer Zeit, in der antisemitische Hetze und Gewalttaten wieder zunehmen. Die Ereignisse in Israel werden bedauerlicherweise auch in Deutschland zum Anlass genommen, noch mehr Hass gegen Jüdinnen und Juden auszuüben und zu zeigen. Genau deshalb sind die Aufklärung und Bildung zur Geschichte der jüdischen Gemeinschaft so wichtig.“
Ilse Danziger, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Regensburg bedankte sich bei allen Anwesenden, dass sie sich trotz der schrecklichen Ereignisse nicht von einem Besuch im Gemeindezentrum haben abhalten lassen. „Diese Veranstaltungsreihe bietet uns die Möglichkeit, die oft übersehenen und doch so bedeutenden Geschichten und Erfahrungen jüdischer Frauen zu erforschen und zu würdigen. Jüdische Frauen haben im Laufe der Geschichte in vielen Fällen herausragendes geleistet, sei es in Kunst, Wissenschaft, Kultur oder soziale Initiativen. Dennoch sind ihre Beiträge oft unterrepräsentiert oder vergessen worden. In dieser Veranstaltungsreihe wollen wir ihre Geschichten hervorheben und Ihre Lebenswege in den Mittelpunkt rücken. Wir hoffen, dass diese Veranstaltungsreihe dazu beiträgt, unser Verständnis für die Vielfalt und die bedeutende Rolle jüdischer Frauen in der Geschichte und Gegenwart zu vertiefen.“ Besonders dankte Frau Danziger Frau Dr. Esther Gajek für die Organisation der gesamten Veranstaltungsreihe. 

Das Plenum bei der Auftaktveranstaltung der Ringvorlesung „Sichtbar – unsichtbar. Lebenswege jüdischer Frauen“ im Jüdischen Gemeindezentrum. V.l. Dr. Esther Gajek, Ariel Elbert, Prof. Dr. Eva Haverkamp-Rott, Ilse Danziger, Talya Lador-Fresher und Dr. Julie Grimmeisen. © Julia Dragan/Universität Regensburg


Im Anschluss an eine Gedenkminute begann dann die Podiumsdiskussion, in der Talya Lador-Fresher, Ilse Danziger, Prof. Dr. Eva Haverkamp-Rott und Ariel Elbert, über eine Stunde die Fragen von Dr. Julie Grimmeisen und Dr. Esther Gajek zum Leben als jüdische Frau früher und heute, zu persönlichen Lebenswegen und Erfahrungen mit Antisemitismus oder Frauenfeindlichkeit mit persönlichen und beruflichen Erfahrungen und Anekdoten beantworteten. Auf die Frage, ob es schwer war, sich als Frau in der Berufswelt durchzusetzen erzählte Talya Lador-Fresher beispielsweise, dass „Diplomaten zu meiner Berufsanfangszeit fast alles Männer waren. Eine Frau im diplomatischen Dienst zu sein war definitiv kein Vorteil“, so die Generalkonsulin. Bei ihrer ersten Stelle in der israelischen Botschaft in Kingston, Jamaica, wo sie als Vize des damaligen Botschafters tätig war, wurde ihr Mann, obwohl selbst kein Diplomat, immer ebenfalls als Vize des Botschafters vorgestellt. „Für den Botschafter war es sehr wichtig, dass er nicht nur eine Frau als Vertretung hatte. Das hat mich geschmerzt.“ Später habe sie dann selbst Netzwerke gegründet, in denen sie sich mit ihren Kolleginnen zusammengesetzt habe. „Da habe ich gemerkt, dass ist nicht mein Problem, sondern ein allgemeines. Das hat mir Kraft gegeben.“
Von Ilse Danziger wollte Julie Grimmeisen wissen, wie für sie als Vorsitzende der jüdischen Gemeinde das Zusammenspiel mit der geistlichen, orthodoxen Führung funktioniert. „Ich habe großen Respekt vor unseren Rabbinern. Wir haben in Regensburg nur eine orthodoxe Synagoge. Wir sind aber eine Einheitsgemeinde, bei der jeder beim Gottesdienst willkommen ist, auch Nicht-Juden. Wären wir eine liberale Gemeinde wäre dies für einen orthodoxen Menschen nicht mit seinem Leben vereinbar. Damit würden wir die orthodoxen Menschen ausschließen. Und das will ich auf keinen Fall. Es ist mir wichtig, dass wirklich jeder willkommen ist“, erklärte Danziger.

Von jüdischen Frauen in der Geschichte Regensburg berichtete Prof. Dr. Eva Haverkamp-Rott. So habe es in der Geschichte eine ganze Reihe starker jüdischer Frauen gegeben. Diese haben in Krisenzeiten im 15. Jahrhundert, und auch schon zuvor, ihre Familien gegenüber der christlichen Elite vertreten. Oftmals seien sie auch als Märtyrerinnen in Erscheinung getreten. „Sie sind für die jüdische Religion eingetreten. Sie sind entweder für den Glauben gestorben oder, und so wurden sie auch von den Christen wahrgenommen, sie haben ihre Männer dazu gebracht, im Glauben standhaft zu sein.“ Hinzu kommt eine Vielzahl von Beispielen für erfolgreiche Geschäftsfrauen. Diese seinen gegenüber ihren männlichen Kollegen führend und oftmals ein Indikator für die gesellschaftliche Stellung der Familie gewesen. 

Ariel Elbert, Vorstand KESHET Deutschland e.V., gab einen Einblick in das Leben, die Herausforderungen und Probleme von queeren, jüdischen Menschen. Der Verein Keshet Deutschland e.V. setzt sich für die Interessen von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*, inter* und anderen queeren Menschen innerhalb und außerhalb der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland ein. Die Vision ist, dass jüdische LGBTIQ* Personen gleichberechtigt und sichtbar sind, in allen jüdischen Gemeinschaften in Deutschland und weltweit. Der Verein will die Rechte von und den Umgang mit queeren jüdischen Menschen in Deutschland fördern und ein offenes queeres Leben sowie queere Familien in jüdischen Gemeinden selbstverständlich machen. Zu einem der wichtigsten Themenfelder gehört auch die Auseinandersetzung und die Bekämpfung jeder Form von Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität. Die Sensibilisierung für LGBTIQ*-Themen sowie die Förderung eines innerjüdischen aber auch interreligiösen gesellschaftlichen Dialogs zwischen Menschen mit LGBTIQ*-Identität und Anderen ist das Ziel.

Weiter geht es in der Ringvorlesung „Sichtbar – unsichtbar. Lebenswege jüdischer Frauen“ am Mittwoch, 25. Oktober 2023 um 18 Uhr im jüdischen Gemeindezentrum Am Brixener Hof mit dem Thema „Jüdische Frauen – die Frau im Judentum. Zwischen Tradition und Moderne“ mit PD Dr. Louise Hecht, Paris Lodron Universität, Salzburg
Link zum Programm


Zur Ringvorlesung:
Die Ringvorlesung macht bekanntere und unbekanntere Lebenswege von jüdischen Frauen sichtbar. Nach einer grundsätzlichen Einführung zur Rolle der Frau im Judentum zwischen Tradition und Moderne werden schlaglichtartig weibliche Biografien seit dem 19. Jahrhundert bis heute präsentiert. Oft waren jüdische Frauen Pionierinnen im männlich dominierten Umfeld von Bildung und Berufstätigkeit: als Studentinnen, Professorinnen, Ärztinnen, Sachbuchautorinnen, Schriftstellerinnen, Komponistinnen bis hin zu Soldatinnen und zur Ministerpräsidentin. 
Durch den Nationalsozialismus wurde auch dieser Aufbruch jüdischer Frauen in ganz Europa jäh unterbrochen oder vernichtet - aus Erfolg wurde Verfolgung und millionenfacher Mord. Autobiographische Dokumente von und Interviews mit Überlebenden machen deutlich, wie schwer und teils unmöglich es war, an bisher Erreichtes wieder anzuknüpfen.
Wie verhält es sich mit weiblichen jüdischen Identitäten nach 1945? Wie in Israel – wie in Deutschland? Wie sprechen jüdische Frauen über sich, wie wird über sie gesprochen? Welche neuen Rollen stehen zur Verfügung – sei es als Rabbinerin, sei es jenseits der Heteronormativität? 

Alle Termine der Ringvorlesung finden Sie im unten stehenden PDF, sowie auf https://www.uni-regensburg.de/studium/gasthoerer/ringvorlesungen/index.html#content_toggle_27933



Informationen/Kontakt

Dr. Esther Gajek
Lehrstuhl für Vergleichende Kulturwissenschaft
Universität Regensburg
Tel.: +49 (0)941 943-3638
E-Mail: esther.gajek@ur.de
 

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