Nanopartikel Verteilung in der hinteren Augenkammer. Die Nanopartikel (rot) reichern sich in den Endothelzellen der Choriocapillaris1 (CC) an. Sclera (S); retinales Pigment Epithel (RPE). Fluoreszierende Nanopartikel (rot); DAPI-Zellkern-Färbung (blau); Gewebe Autofluoreszenz (grau). (Abbildung aus: Pollinger et al. Proc. Natl. Acad. Sci. 2013, 110, 6115–6120, www.pnas.org/content/110/15/6115).
Nanopartikel unterliegen aufgrund ihrer Größe und physikochemischen Eigenschaften einer eingeschränkten Verteilung im Organismus. Dies stellt im Rahmen der Therapie ein gravierendes Handicap dar. Eine Ausnahme sind Tumore, in die Nanopartikel über sog. fenesterierte Endothelien eindringen können. In den malignen Geweben entstehen solche Öffnungen durch pathologische Veränderungen von Blutgefäßen, insbesondere von Kapillaren. Fenestrierte Endothelien kommen aber auch unter physiologischen Bedingungen in einer Reihe von Geweben vor, so zum Beispiel in den Glomeruli der Niere oder in der Aderhaut der Retina. In beiden Fällen könnte die Therapie einer Reihe von Erkrankungen enorm von der Fähigkeit therapeutischer Nanopartikel, den Blutkreislauf gezielt verlassen zu können, profitieren. Ziel unserer Arbeiten ist es zu verstehen, welche Eigenschaften es Nanopartikeln nach parenteral Applikation erlaubt nicht-maligne Gewebe zu erreichen.
Multivalent und heteromultivalent bindende Nanopartikel
Sagittal eye sections of mice that received 200 pmol either ligand-decorated (right figure) or or ligand-free quantum dot (Qdot) nanoparticles (right figure). Upon systemic administration only EXP3174-modified Qdots accumulated in the choriocapillaris and in intraretinal capillaries of the posterior eye. (CC: choriocapillaris, RPE: retinal pigment epithelium, OS: outer segment, IS: inner segments, ONL: outer nuclear layer, OPL: outer plexiform layer, INL: inner nuclear layer, fluorescent nanoparticles (red); DAPI nuclei staining (blue); tissue autofluorescence (gray). (Figure taken from: Hennig et al., Multivalent nanoparticles bind the retinal and choroidal vasculature. Journal of controlled release 220 (2015) 265–274. DOI: 10.1016/j.jconrel.2015.10.033).
Ein derzeit vielbeachtetes Thema im Bereich Nanomaterialien zur Applikation von Arzneistoffen ist die Anwendung von Nanopartikeln zur gezielten Interaktion mit Rezeptoren an der Zelloberfläche. Für diese als direktes Targeting bezeichnete Strategie werden in der Regel selektive Liganden für Oberflächenrezeptoren der Zielzelle in der Corona von Nanopartikeln immobilisiert mit dem Ziel deren Avidität für die Zielzelle zu erhöhen.
Durch die Anbindung von Liganden an die Partikeloberfläche, aber auch durch die gleichzeitige Präsentation, ändern sich allerdings eine Reihe von Eigenschaften gegenüber den genuinen Liganden. Einerseits büßen Liganden durch die Anbindung an Materialoberflächen einen Teil ihrer Fähigkeit ein, mit hoher Affinität an den Zielrezeptor zu binden. Andererseits können derartige Ligand-modifizierte Nanopartikel koordiniert an mehreren Rezeptoren gleichzeitig binden, was den Affinitätsverlust kompensieren und die Avidität sogar erhöhen kann. Ziel der Arbeiten ist es, die Mechanismen dieser multivalenten Bindung eingehend zu untersuchen und zu verstehen, welche Avidität für die Bindung der Nanopartikel an die Zielzelle resultiert.
Ein weiterer Aspekt der Arbeiten sind sogenannte Off-Target Zellen, die ggf. denselben Rezeptor wie die Zielzelle tragen und durch Bindung einfach dotierter Nanopartikel deren Zielgenauigkeit mindern. Viren als „natürliche“ Nanopartikel umgehen dieses Problem, indem sie an mehrere unterschiedliche Rezeptoren binden, um damit die Zielzelle zu identifizieren. Gegenstand der Forschungsarbeiten ist es, dieses Prinzip biomimetisch auf Nanopartikel zu übertragen, um dadurch die Spezifität für die Zielzelle zu steigern. Dies soll durch die Bindung mehrerer Liganden für unterschiedliche Rezeptoren an Nanopartikel erreicht werden, die ähnlich wie im Falle von Viren nicht gleichzeitig, sondern zeitlich versetzt präsentiert werden.